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23. Januar 2012

Biber

DER EURASISCHE BIBER (CASTOR FIBER L.)

22.06.2012: Beitrag in der Wiener Zeitung
16.05.2012: Beitrag im Kurier
20.02.2012: Beitrag auf NÖN.at bzw. vom 09.04.2012: NÖN.at

Biber-Biologie
Biber, Foto: © Barbara Mertin
Biber sind die größten Nagetiere Europas und können ausgewachsen ein Gewicht von 25 kg und mehr erreichen. Sie sind hervorragend an ein Leben zwischen Land und Wasser angepasst! Der schuppige Schwanz, die Schwimmhäute zwischen den Zehen der kräftigen Hinterbeine, die  verschließbaren Ohren und Nasenöffnungen zum Tauchen, sowie ein sehr dichtes Fell und eine Tauchzeit von bis zu 15 Minuten, zeichnen den Biber als Wasserbewohner aus. Biber sind reine Vegetarier die sich im Sommer von krautigen Pflanzen der Ufervegetation ernähren, die Winternahrung besteht aus der Rinde verschiedenster Gehölzarten, wobei sie eine Vorliebe für Weichhölzer, wie Weiden und Pappeln oder Erlen zeigen. Die kräftigen Kiefer sind mit vier, für Nager typisch meißel-artigen Schneidezähnen ausgestattet und werden zum Fällen der Bäume und Sträucher eingesetzt. Im Durchschnitt wird ein ca. 20 Meter breiter Uferstreifen zu beiden Seiten des Gewässers von den Bibern „bewirtschaftet“.
©Nesweda
Biber leben in sozialen Verbänden - Biberfamilien - mit durchschnittlich 4, bis zu 8 Tieren. Die monogam lebenden Elterntiere dulden die Jungen in ihrem Bau solange sie noch nicht geschlechtsreif sind (die Geschlechtsreife erreichen sie im dritten Lebensjahr). Die lange Fürsorge der Eltern ist für Nagetiere eher ungewöhnlich und meist leben sogar zwei Generationen von Jungen mit den Alttieren. Im größeren Familienverband ist die zum Teil umfangreiche Bau- und Instandhaltungstätigkeit an Dämmen und Bauen jedoch wesentlich leichter.

©Nesweda
Biberbaue sind meist, von außen nicht sichtbare, in die Uferböschung gegrabene Erdbauten mit einem Zugang der stets unter Wasser liegt. Frei stehende Biber-Burgen sind eher selten! Um den Wasserstand zu regulieren, errichten Biber Dämme, damit soll vor allem die Beschwimmbarkeit des Gewässers verbessert werden (mindestens 50 cm Tiefe).
Eine Biberfamilie benötigt zwischen einem halben Kilometer bis zu 15 Kilometer Gewässeruferlänge als Lebensraum. Die Grenzen der Reviere werden von den Alttieren mittels Duftmarken markiert und gegen Eindringlinge verteidigt. Die jeweilige Reviergröße hängt jedoch stark vom Uferbewuchs ab.

Historisches
Biberspur ©Nesweda
Der Eurasische Biber ist ein typisches Element der europäischen Flusslandschaften. Mit dem Zurückweichen des Eisschildes am Ende der letzten Eiszeit verbreitete sich der Biber immer weiter Richtung Norden bis er schließlich über ganz Mittel- und Nordeuropa sowie Asien (holarktisch) verbreitet war. Biber wurden schon in der Steinzeit wegen ihres dichten und schönen Pelzes gejagt. Auch dürfte das Biberwildbret ein wichtiger Teil der Ernährung gewesen sein.
Im Mittelalter wurde Meister Bockert, wie er auch genannt wird, als Fastenspeise gegessen und hoch geschätzt. „Die medizinische Fakultät zu Paris ernannte ihn einst förmlich zum Fisch, und hiernach fand die theologische kein Bedenken“(WILDUNGEN 1807). Man glaubte der Biber sei eine Art Mischwesen „ein Amphibium, halb Fisch und halb Landtier von kaltem Blute“. Die Kirche hatte also keine Einwände den Biber als Bereicherung der Fastenzeit zuzulassen, im Gegenteil die Ordensleute hatten ihre Freude an Biber-Spezialitäten, wie „Biberschwantz“ oder den begehrten hinteren „Haxen“.
Biber in der Fotofalle, ©Nesweda
Neben Pelz und Fleisch wurde auch der moschusartige Duftstoff, das sogenannte Bibergeil, welcher in den Präanaldrüsen der Tiere produziert wird, als Grundstoff für die Herstellung von Parfüms verwendet oder als „Allheilmittel“ in der Medizin, und wegen seiner aphrodisierenden Wirkung angepriesen.
Die Vielseitigkeit der Biber-Produkte und vor allem deren hoher Wert führten aber zur Überbejagung durch den Menschen. Mit zunehmender Kultivierung der Naturlandschaft und Ausbreitung der Land- und Forstwirtschaftlichen Flächen wurde der Biber zusehends als „Schadtier“ angesehen, auch wenn manche historische Überzeugung einfach Irrglaube ist, z.B. dass der Biber „Holz und Fische frisst“.

© Nesweda
Der letzte Biber Niederösterreichs soll im Jahr 1863 in Fischamend an der Donau erbeutet worden sein, danach galt die Art in Niederösterreich, und 1869 schließlich in ganz Österreich offiziell als ausgestorben. Mehr als hundert Jahre lang war er verschwunden, bis zwischen 1976 und 1985 rund 50 Tiere, hauptsächlich aus Polen, im Zuge eines Wiederansiedlungsprojektes, in den übrigen Augebieten der Donau und der March ausgewildert wurden.

Konflikte
Biberspur © Nesweda
Die Wiederansiedelung ist eigentlich für den Naturschutz ein toller Erfolg, denn die Biberpopulation in Niederösterreich hat sich einen Gutteil des ursprünglichen Lebensraumes zurückerobert und scheint nach anfänglichen Problemen bei 2.000 Tieren zu liegen. Aber wie so oft scheint es, des Einen Freud, des Anderen Leid zu sein. Während sich viele über die neuen – alten Bewohner so mancher Gewässer freuen, findet so mancher gar keine rechte Freude an den „Zugereisten“.
Sie fällen Bäume und scheinen sich dabei um Besitzansprüche des Menschen wenig zu kümmern, errichten Dämme die mancherorts zu kleinräumigen Überflutungen führen, graben ihre Bauten in Uferböschungen und Hochwasserschutzdämme, was durchaus problematisch zu betrachten ist und vergreifen sich manchmal auch an allzu verlockenden Feldfrüchten. All das macht den Biber, der Unordnung in die heile Welt von Landwirten und Gartenbesitzern bringt, nur allzu oft zum Ärgernis.
Vergleiche dazu den Kurier-Artikel vom 19.01.2012

Leider werden diese „anarchistischen“ Tätigkeiten des Bibers zu oft angeprangert ohne sich der durchaus positiven Seiten bewusst zu sein. Biber sind nicht nur mancherorts eine richtige Attraktion für den Menschen geworden, sondern sie tragen durch ihre Tätigkeiten zu einer deutlichen Verbesserung der strukturellen Vielfalt und einer deutlich höheren Artenvielfalt eines Gewässers bei. Es entstehen abwechslungsreiche Gewässer mit idealen Lebensbedingungen für allerlei selten gewordene Tierarten, sie bieten bessere Versteckmöglichkeiten für Jungfische und Wasserinsekten durch einen hohen Anteil von Totholz im Gewässer, beruhigte Wasserbereiche sind ideal für Wasservögel, Amphibien, Fischbrut usw.
Der Biber ist ein sogenannter „Ökosystemingenieur“, der Lebensraum für viele andere Arten schafft.

Es bleibt zu hoffen, dass der Mensch, der die Naturlandschaft Mitteeuropas weitestgehend in eine Agrar- und Kulturlandschaft verwandelt hat, eine Spezies wie den Biber, der die Landschaft ebenfalls umgestaltet, wenngleich eher in die umgekehrte Richtung, dulden kann.
Ich bin davon überzeugt, dass dies möglich ist und zwar zu beiderseitigem Nutzen! Wir müssen erst wieder lernen mit diesen Tieren zusammenzuleben und bis dahin ist sicher noch viel an Aufklärung und gemeinsamer Arbeit zwischen Naturschutz und der Bevölkerung nötig!
Ich für meinen Teil freue mich sehr, dass es wieder Biber bei uns gibt!
Das Videomaterial ist leider sehr finster (Nachtdreh), aber der Biber ist als solches ganz gut erkennbar!


Verfasser, Bild- und Videomaterial von: Mag. Johann Nesweda
Süßwasserökologe u. Kulturvermittler am Landesmuseum Niederösterreich


Literatur
SIEBER J. (2003) „Wie viele Biber (Castor fiber L.) sind zu viel ?“ Denisia 9,zugleich Kataloge der OÖ Landesmuseen Neue Serie 2 (2003), 3-11
DIEBERGER J. (2003) „Die Bejagung des Bibers (Castor fiber L.) von der Steinzeit bis zur Gegenwart“ Denisia 9,zugleich Kataloge der OÖ Landesmuseen Neue Serie 2 (2003), 21-46


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