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Kulturbezirk 5, 3100 St. Pölten, Niederösterreich, Austria
Seit 2011 gibt es den Museumsblog. Bis 31. Juli 2016 waren es Themen, die im Zusammenhang mit den drei Kernbereichen des Landesmuseum Niederösterreich (Geschichte - Kunst - Natur) standen. Mit 1. August 2016 wird das Landesmuseum zum Museum Niederösterreich und somit ist der Museumsblog unter neuer Adresse zu finden: www.museumnoe.at/de/das-museum/blog

Geschichte

  
Sonderausstellung: Figl von Österreich 19.04. - 26.10.2015
Infos zur Ausstellung auf der Homepage
Figl von Österreich
Erinnerungen an Leopold Figl (1) & Erinnerungen an Leopold Figl (2)
Interview mit der Ausstellungskuratorin

Sonderausstellung: Bader, Medicus, Primar
23.11.2014 - 18.10.2015
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Infos zur Ausstellung auf der Homepage
Link zum Blogbeitrag

Sonderausstellung: Frauenleben in Niederösterreich
23.02.2014 - 19.10.2014


Sonderausstellung: Hl. Leopold - Mensch, Politiker, Landespatron
24.02.2013 - 26.01.2014
 
 
 
 

 

Frauen leben in Niederösterreich

von Dr. Elisabeth Vavra, Kuratorin und Wissenschaftliche Leiterin Geschichte

Frauen hinterlassen so wenige Spuren, „als ein Schiff Spuren hinterlässt auf seinem Weg durch die Wellen“. Anna Maria von Schürmann, eine niederländisch-deutsche Universalgelehrte, hat diese Worte zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges niedergeschrieben. Der Satz hat bis heute nur wenig von seiner Gültigkeit verloren. Geschichte und Gesellschaft wurden und werden sehr oft noch heute von Männern dominiert.
Schwach sind die Spuren, die Frauen in historischen Quellen hinterlassen haben, sieht man einmal ab von den Eintragungen in Geburten- und Sterberegistern.      
Natürlich gab es Ausnahmefrauen, die bereits zu Lebzeiten Aufsehen erregten; ihre Leben und Wirken nachzuvollziehen ist sicher spannend und informativ, aber ihre Lebensläufe erlauben kaum Rückschlüsse auf den Alltag ihrer Zeitgenossinnen. 

Uns interessieren diesmal die „Frauen von nebenan“ mit ihren unterschiedlichen Schicksalen und Lebensläufen. Die haben wir diesmal ins Rampenlicht gestellt. Die Lebenssituationen der Porträtierten, die in der Ausstellung zu Wort kommen, sind typisch für Frauen:
Frauen waren und sind Ehefrauen und Mütter; Frauen leisteten  – wie es heute noch geschieht – unbezahlte, oft auch unbedankte Arbeit für die Familie, zogen die Kinder auf, verrichteten die Hausarbeit, sorgten dafür, dass der Ehemann, wenn er abends nach Hause kam, sich von den Mühen des Tages erholen konnte. Frauen standen ihren Ehemännern in Handwerk, Heimarbeit oder bäuerlichem Betrieb zur Seite; Frauen wurden ab dem 19. Jahrhundert langsam unabhängiger, da sie sich nun als Arbeiterinnen, als Angestellte in Büro und Verkauf oder als Lehrerinnen ihren Lebensunterhalt selbst verdienen konnten; manche Frauen blieben allein, vielleicht weil sie nicht heiraten wollten, vielleicht weil es ihnen aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation unmöglich war oder weil sie vielleicht nicht den Richtigen fanden.
 

Ziegelarbeiterinnen bei der Arbeit, Foto: P. Böttcher
Die Frauen, die in der Ausstellung „zu Wort“ kommen, gehören unterschiedlichen Epochen und sozialen Schichten an. Die Ziegelarbeiterin, deren Eltern aus Böhmen der Arbeit wegen nach Niederösterreich kamen, steht dabei „gleichberechtigt“ neben der Prinzessin, die ein Habsburger sich aus Portugal in der Hoffnung auf reichen Kindersegen holte. Beide waren Migrantinnen, die im Lauf ihres Lebens zu „Niederösterreicherinnen“ wurden.
Die Aufgabe, tausende Jahre Frauengeschichte auf kleinem Raum zu verdichten, zwingt natürlich zu Konzentration der Darstellung. So begegnen die BesucherInnen in der Ausstellung etwa, stellvertretend für die vielen unterschiedlichen Arbeitsbereiche, in denen Frauen in Vergangenheit und Gegenwart tätig waren und sind, einer Bürgerin aus einer Kleinstadt, einer Bäuerin, einer Arbeiterin im Industrieviertel oder einer Heimarbeiterin im Textilgewerbe, wie es sie zu Tausenden in den Regionen des Waldviertels gab. Sie alle erzählen in fiktiven Interviews von ihrem Leben, ihrer Arbeit, ihren Sorgen und manchmal auch von ihren Freuden.
 
Perlentäschchen, Anfang 19. Jahrhundert –
Heimatmuseum Langenlois, Foto: P. Böttcher
Der Spruch „Müßiggang ist aller Laster Anfang“ zierte nicht nur Wandschoner, er wurde auch für bare Münze genommen. Besonders die leicht zu beeinflussende Frau sollte zu ständiger Arbeit angehalten werden, um so verderbliche Ablenkung von ihr fernzuhalten. Da schwere Arbeit in einem bürgerlichen Haushalt nicht von der Ehefrau durchgeführt werden durfte, dafür gab es Dienstmädchen – und wenn doch, dann nur im Verborgenen –, zählten Handarbeiten zu den beliebten „Freizeit“beschäftigungen. Manche dieser Arbeiten, wie die Herstellung von Täschchen in Perlenarbeit, wurden auch als Heimarbeit ausgeführt und besserten so das Haushaltsgeld auf. 

Auch wenn man durch Jahrhunderte der Meinung war, dass ein Weib ohne Mann nichts ist, eine Null in der Gesellschaft ist, wie es Johann Pezzl 1786 so zynisch formulierte, gab es immer Frauen, die sich allein durchs Leben schlugen. Eine Möglichkeit bot der Eintritt in eine geistliche Gemeinschaft. Hier konnte sie sogar Karriere machen. Unterschlupf bot auch die eigene Familie: Das Brot, das manche dort zu essen bekamen, konnte allerdings hart  sein, waren sie doch oft nichts Besseres als unbezahlte Dienstbotinnen. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts boten sich zunehmend Arbeitsplätze, die selbst für Frauen aus bürgerlichen Familien adäquate Erwerbsmöglichkeiten darstellten. Da der Staat mehr Lehrer und Beamte brauchte und es auch auf dem Dienstleistungssektor an Personal mangelte, wurden hier nun auch Frauen als Arbeitskräfte akzeptiert.
 

Schulbank aus einer Volksschule, Schul- und
Heimatmuseum Neumarkt a.d.Ybbs, Foto: P. Böttcher

Lina Lux, Foto: Maria Lux

Daneben gab es aber immer auch mutige Frauen, die selbstbestimmt ihren eigenen Weg einschlugen und sich allen Widrigkeiten zum Trotz durchsetzten. In der Ausstellung steht hier stellvertretend eine für viele, die Zwettler Fotografin Lina Lux.

 
Lina Lux während ihres Aufenthalts in São Paulo (Foto: Maria Lux)


 


Den Gang durch die Geschichte beschließt ein Rückblick auf die Generation „Großmutter“. Kaum jemals war eine Generation so vielfältig zusammengesetzt, hat so unterschiedliche Lebenserfahrungen gemacht wie jene unserer Großmütter. Während die einen in den letzten Jahren der Monarchie geboren wurden, haben andere noch nicht einmal den Zweiten Weltkrieg erlebt.
Die ältesten unter ihnen wurden Zeuginnen zweier Weltkriege. Sie durchlitten Wirtschaftskrisen und Hungersnöte, legten beim Wiederaufbau Hand an und leisteten ihren Beitrag zum „Wirtschaftswunder“. Sie erlebten die Emanzipation der Frau und Ereignisse, die uns heute selbstverständlich erscheinen: Erstmals durften Frauen ohne Zustimmung ihres Ehegatten einen Arbeitsvertrag unterschreiben oder ein Bankkonto eröffnen. Ihnen und ihren Töchtern standen Schulen und Universitäten offen; niemand hinderte sie mehr daran, einen nicht frauentypischen Beruf zu erlernen. Viele nutzten die neuen Möglichkeiten zu einem selbstbestimmten Leben – trotz der Barrieren, die es zu überwinden galt.
 
Musikschrank, Eumig, 1955.
Stadtmuseum Traiskirchen, Foto:P. Böttcher


Die Ausstellungsvorbereitung begleitet wurde von einem Schulprojekt, an dem sich vier niederösterreichische Schulen beteiligten. Die Ergebnisse ihrer Arbeiten sind in die Ausstellung eingebaut und ergänzen diese.
Ab nun stellen wir wöchentlich hier im Blog Niederösterreicherinnen vor, die ein spannendes Leben hatten, Außergewöhnliches leisteten oder einfach nur Frauen waren wie Du und ich.

 
 
 
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Auf der Suche nach dem „Frauenleben in Niederösterreich“

Ich werde oft gefragt, wie eine Ausstellung eigentlich entsteht. BesucherInnen sehen ja immer nur das Endprodukt, das ihnen dann mehr oder weniger gut gefällt.
Der erste Schritt ist naturgemäß die Themenfindung. Themen sollten immer spannend sein und die Zielgruppe des Hauses ansprechen. Manche Themen bieten sich geradezu an, etwa wenn ein Jubiläum ansteht. Andere wiederum gewinnen ihre Aktualität aus dem Interesse, dass die Allgemeinheit und die Museumsbesucher-Innen im Speziellen daran haben. 
In diesem besonderen Fall wollten wir hier im Landesmuseum den Versuch starten, Sonderausstellung aus verschiedenen Bereichen miteinander zu vernetzen und somit ein Generalthema zu entwickeln. Da im Bereich „Kunst“ schon längere Zeit Ausstellungen zur Malerin Broncia Koller-Pinell und zum Thema der „Ausnahmefrauen“ Christa Hauer, Hildegard Joos, Susanne Wenger geplant waren, war rasch klar, in welche Richtung das Thema im Bereich Geschichte gehen sollte: auch hier sollte sich alles um die „Frau“ drehen.
 
Noch ein leeres Blatt – der Plan des Raumes für die Ausstellung


Als nächsten Schritt muss das Thema konkretisiert werden. Dem Gegenstand  „Frau“ kann man sich ja auf die unterschiedlichsten Weisen annähern. Ich wollte einmal eine etwas andere Zugangsart: Nicht das Leben und Wirken einiger prominenter Frauen sollte im Mittelpunkt stehen, sondern die Frau von nebenan - mit ihrem Schicksal, ihren Wünschen und Problemen, eingebunden in ihrer historischen Dimension. Mir war von vornherein klar, auf was ich mich da einließ. Ich wusste, dass ich nicht immer die „passende“ Frau finden würde, um die Inhalte zu vermitteln;  in manchen Fällen würde ich mir wohl, die Frau und ihren Lebenslauf selbst formen müssen. Die ausgewählten Frauen sollten das breite Spektrum abdecken, das in einem Land wie Niederösterreich möglich ist.

Und noch mehr Material …
Bücherregal, Foto: E. Vavra
Im nächsten Schritt ging’s ans Recherchieren: Ich wälzte Bücher und versuchte einmal einen Überblick darüber zu bekommen, welche gescheiten Köpfe sich schon mit dem Thema beschäftigt hatten. So an die 200 Bücher und Aufsätze wanderten über meinen Schreibtisch und halfen mir dabei, einen Rahmen abzustecken, in dem sich die Ausstellung bewegen sollte. Aber mit dem Lesen allein ist es  nicht getan. Die Besucher-Innen wollen ja nicht nur Texte lesen, sondern auch Objekte sehen, nicht irgendwelche Objekte, sondern solche, mit denen die Botschaft ich, die ich vermitteln will, in ein anschauliches Bild verwandeln kann. Wie kommt man an diese Objekte? Nun in diesem Fall war Fleiß angesagt. Denn Objekte zum „Frauenleben“ bekommt man nicht in den großen, wohl aufgearbeiteten Sammlungen, die verstecken sich in den vielen kleineren Museen, an denen Niederösterreich so reich ist. Und auf meiner Erkundungsfahrt hoffte ich auch noch auf neue Ideen zu kommen.
Nicht immer war der Wettergott dem Vorhaben wohl gesonnen: unterwegs auf der Westautobahn
Gefühlte zehntausend Kilometer – in der Endabrechnung waren es dann nur schlappe 4481 km – fuhr ich durchs Land, mit einem noch vagen Konzept im Kopf von Museum zu Museum. Von manchen Ideen musste ich mich verabschieden, weil sich die Realisierung als zu schwierig herausstellte, manche Ideen entstanden neu.  




Foto: E. Vavra
In Bad Großpertholz entdeckte ich zum Beispiel ein bäuerliches Hochzeitskleid, das mich auf die Idee brachte, auch das Thema Hochzeit aufzugreifen, im Badener Spielzeug- und Puppenmuseum eine Puppenstube, die das Idealbild eines bürgerlichen Haushaltes verkörpern sollte.

Hochzeitskleid, noch in der Vitrine im Heimatmuseum Großpertholz,
bald schon im Landesmuseum Niederösterreich zu sehen





Puppenstube, um 1900, Foto: E. Vavra

Die großartige Sammlung von Schreibmaschinen im Wiener Neustädter Industrieviertel-Museum löste für mich das Problem, die neu entstehenden Berufe der Stenotypistinnen und Sekretärinnen durch Objekte zu beschreiben. Schreibmaschinen stehen nun symbolisch für die Arbeit und ein Mokka-Service  Marke „Daisy“ für die wie selbstverständlich von Chefs und Kollegen an die Frauen delegierte Arbeit des Kaffeekochens.
 


Foto: E. Vavra

Schreibmaschinensammlung im Wiener Neustädter Industrieviertel-Museum

Besonders schwierig schien es zunächst, Frauen mit Objekten fassbar zu machen, die aufgrund ihrer Biographien kaum andere Spuren hinterlassen hatten als Eintragungen in Geburts- und Sterberegister, Dienstmädchen etwa oder die zahlreichen unverheirateten Frauen, die von ihren Familien als kostenlose Arbeitskräfte ausgenutzt ein Leben am Rande der Gesellschaft führten. Die Besuche in den zahlreichen Museen brachten mich aber immer wieder auf neue Ideen: Als ich im krupp stadt museum Berndorf die Produkte aus „Berndorfer Silber“ sah und auch die Kassette mit den notwendigen Utensilien zum Putzen, war mir sofort klar – das würde der „Aufhänger“ für die Dienstmädchen werden: der Luxus im bürgerlichen Haushalte kontrastiert mit den Lebensbedingungen derer, die diesen Haushalt am Laufen hielten. Im kleinen, aber feinen Großmütterchens Stübchen in Wieselburg – ein Museum, das sich das Bewahren des textilen Erbes zur Aufgabe gemacht hat –            entdeckte ich die textile Aussteuer einer jungen Frau, deren Bräutigam im Ersten Weltkrieg fiel. Sie fand danach keinen Mann mehr, die Aussteuer blieb unbenutzt.  
 

Die Aussteuer

Foto: E. Vavra
Die Ausbeute dieser Fahrten übers Land war groß – an die 2500 Fotos hatte ich gemacht – viel zu groß für den kleinen Raum im Landesmuseum. Nun ging‘s ans Sichten, eine strenge Auswahl musste gemacht werden. Objekt reihte sich an Objekt, und langsam formte sich daraus eine Ausstellung, deren endgültige Gestalt gemeinsam mit dem Architektenteam und der Graphikerin erarbeitet wurde.  


Text: Dr. Elisabeth Vavra, Kuratorin und Wissenschaftliche Leiterin Geschichte


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Mehr zum Thema auch im Archiv des Museumsblogs.



 

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