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Kulturbezirk 5, 3100 St. Pölten, Niederösterreich, Austria
Seit 2011 gibt es den Museumsblog. Bis 31. Juli 2016 waren es Themen, die im Zusammenhang mit den drei Kernbereichen des Landesmuseum Niederösterreich (Geschichte - Kunst - Natur) standen. Mit 1. August 2016 wird das Landesmuseum zum Museum Niederösterreich und somit ist der Museumsblog unter neuer Adresse zu finden: www.museumnoe.at/de/das-museum/blog

14. Februar 2013

Kreuzotter

„Gefährliche Schönheit“ – die Kreuzotter in Niederösterreich

Terrarium Kreuzotter im Landesmuseum,
Foto: M. Schaar
„Sind die echt?“ – Diese Frage wird oft von Kindern  im Rahmen von Führungen im Landesmuseum Niederösterreich gestellt, sobald man am Terrarium der Kreuzottern angelangt ist. Oft findet man nämlich dort fast bewegungslos ruhende, überraschend kleine Schlangen auf dem Baumstumpf oder dem Stein unter der künstlichen Licht liegend vor. Meist dauert es aber nicht lange, bis man das erste „Züngeln“ eines der Tiere beobachten kann. Das schnelle, wiederholte Herausstrecken und Zurückziehen der typisch an der Spitze gespaltenen Zunge dient der geruchlichen Orientierung der Schlange, indem Geruchsstoffe in das Jacobsonsche Organ befördert werden, ein grubenförmiges Riechorgan in der Gaumengegend. 


Kreuzotter, Foto: M. Schaar
Der Grund für die vielen Ruhephasen der Kreuzottern an genau dieser Stelle ist, dass sie als wechselwarme Reptilien ihre Körpertemperatur nicht regulieren können und sich an einer Wärmequelle aufwärmen müssen, um zu ihrer „Betriebstemperatur“ zu kommen. Diese Quelle ist in der Natur die Sonne und im Gehege die genannte Wärmelampe. Haben sich die Tiere morgens genug aufgewärmt, beginnen sie mit der aktiven Nahrungssuche nach kleinen Wirbeltieren wie Mäusen, Fröschen oder Eidechsen. Auch dieses Verhalten kann im Museum beobachtet werden, wenngleich sie hier regelmäßig mit Futtermäusen versorgt werden. In freier Natur werden Beutetiere aufgrund ihrer Körperwärme aufgespürt und mit einem Biss der Giftzähne getötet. Nach einer ausgiebigen Mahlzeit können die Schlangen tagelang ohne Nahrung auskommen und müssen daher auch in der Tierhaltung nicht täglich von den Tierpflegern gefüttert werden.

In Österreich gibt es zwei Familien von Schlangen, die ungiftigen Nattern und die giftigen Vipern bzw. Ottern, zu denen die Kreuzotter gehört. Neben dem eher plumpen Körperbau und dem stärker abgesetzten Kopf und Schwanz ist die senkrecht stehende, schmale Pupille das wichtigste, wenn auch im Feld weniger geeignete Erkennungsmerkmal der Ottern.


Die lebendgebärenden Kreuzottern erreichen eine Länge von 50-70 Zentimetern, wobei Weibchen größer werden als Männchen. Damit sind sie um einiges kleiner als die harmlosen heimischen Ringel- und Äskulapnattern (letztere bringen es auf etwa 1,5 bis 2 Meter Länge). Ihre Färbung variiert von bräunlich bis ganz schwarz oder auch kupferrot. Hellere Kreuzottern zeigen das typische dunkle,  bei Männchen schwarze,  bei Weibchen eher braune Zickzackband am Rücken. Hier kann man ein weiteres häufiges Missverständnis aufklären: Ganz schwarze Exemplare werden auch „Höllenotter“ genannt, es handelt sich hierbei aber nicht um eine eigene Art sondern lediglich um eine dunkle Farbvariante der Kreuzotter, die sich mit helleren Tieren kreuzen kann und sich in Größe, Giftigkeit und Verhalten nicht von diesen unterscheidet. Sehr dunkle Individuen sind vor allem im Gebirge gut angepasst, da die dunkle Farbe mehr Wärme absorbiert und weniger reflektiert. Die ungiftige Glatt- oder Schlingnatter ist übrigens bei uns die einzige Schlange, bei der es aufgrund des ähnlichen Äußeren zu Verwechslungen mit der Kreuzotter kommen kann.
 

Höllenotter, Foto: M. Schaar
Kreuzottern kommen in allen österreichischen Bundesländern außer Wien und dem Burgenland vor. Typische Standorte, an denen man Kreuzottern auch in Niederösterreich begegnen kann, sind alpine oder subalpine Biotope wie Geröllhalden und Zwergstrauchgesellschaften sowie sonnenexponierte Stellen wie Waldränder, Lichtungen oder auch Moore und Sumpfgebiete. Die Kreuzotter ist nach der Ausrottung der Wiesenotter die einzige Giftschlange Niederösterreichs. Die Hornotter oder Sandviper kommt nur im Süden Österreichs (Kärnten, Steiermark) vor.
Die wichtigste und häufigste Frage bezieht sich natürlich auf die Giftigkeit der Kreuzotter. Hier spielen die Angst vor einem Biss, zum Teil aber auch tiefer liegende, irrationale Ängste bis hin zur Schlangenphobie, eine große Rolle, wodurch viele Schlangen, egal welcher Art, leider häufig grundlos getötet werden. Das Gift der Kreuzotter ist hoch wirksam, ein Biss ist aufgrund der geringen Giftmenge aber nur in Ausnahmefällen, etwa bei alten oder geschwächten Menschen, wirklich gefährlich. Für einen gesunden Erwachsenen wäre eine Giftmenge von etwa fünf Kreuzottern nötig, um tödlich zu wirken. Symptome sind eine starke Schwellung um die Biss-Stelle, seltener können auch Kreislaufprobleme, Atemnot und Herzbeschwerden auftreten. Es gilt daher im Falle eines Bisses, die Ruhe zu bewahren (da Stress die Beschwerden nur verstärkt), die betroffene Stelle ruhig zu stellen, eventuell zu kühlen und hoch zu lagern und einen Notarzt zu verständigen, aber auf eigene „Behandlungsmethoden“ wie Abbinden, Aussaugen des Giftes oder gar Aufschneiden der Wunde zu verzichten. Eine mehrtägige stationäre Beobachtung ist angebracht. Es kommt allerdings nur sehr selten überhaupt zu Bissen, da Kreuzottern sehr scheue Tiere sind, die bei Beunruhigung und Bodenerschütterungen sofort flüchten und meist gar nicht wahrgenommen werden. Die Schlangen meiden es, unnötig Gift, das zur Nahrungsbeschaffung lebensnotwendig ist, zu verschwenden, und beißen nur, wenn sie direkt bedroht sind, wie bei Anfassen oder Drauftreten.  
 

Kreuzotter, Foto: M. Schaar
Wie so oft liegt die Gefährdung vielmehr auf der Seite des Tieres, denn auch die Kreuzotter leidet unter der Zerstörung ihrer Lebensräume, wie der Verbuschung oder Aufforstung von Sonnenplätzen und Lichtungen oder Zerschneidung von Waldgebieten durch große Straßen. Früher wurden Kreuzottern, ebenso wie ihre kleinen Verwandten, die Wiesenottern, gefördert durch „Kopfprämien“, massenhaft getötet. Heute sind Maßnahmen zur Bestandssicherung notwendig.
 

Zum Schluss noch ein paar Worte zur Wiesenotter. Diese kleine Giftschlangenart war früher ebenfalls in Niederösterreich häufig (z.B. Laxenburg), wurde aber bereits in den 1960er Jahren ausgerottet. Der letzte österreichische Nachweis stammt aus dem Jahr 1973 im Burgenland. Heute ist sie in ganz Europa vom Aussterben bedroht. Ein wichtiges Projekt betrifft die Rettung der ungarischen Wiesenotter, das auch bedeutend für das Grenzgebiet zwischen Ungarn und dem Burgenland ist.
Nähere Informationen unter www.rakosivipera.hu/de/.




Text: Mag. Michael Schroll

7. Februar 2013

Heiliger Leopold

Sonderausstellung
"Hl. Leopold - Mensch, Politiker, Landespatron"

24. Februar 2013 -  26. Jänner 2014

Katalogbeitrag von Wolfgang Christian Huber In: Katalog Hl. Leopold, Mensch, Politiker, Landespatron 2013, S. 81 - 88

Auf der Suche nach der wahren Gestalt des heiligen Leopold  

Babenbergerstammbaum (Detail)
18. Jahrhundert
Karl Brunner und zuletzt Georg Scheibelreiter haben in den jüngsten Publikationen zu Leopold bzw. den Babenbergern wieder auf die Schwierigkeit hingewiesen, Personen lebendig werden zu lassen, die nur aus Nennungen in juristischen Schriftstücken greifbar werden. „In der Regel steht man einer Liste von Namen und den von ihnen ausgelösten Geschehnissen gegenüber oder konzentriert sich auf das Geäst einer genealogischen Tafel und kann sich doch keinen Babenberger in seiner zeitlichen Gestalt und doch überzeitlichen Menschlichkeit vorstellen.“  Es blieb also zu allen Zeiten der Inspiration und der Imaginationskraft der Künstler überlassen, für die Nachgeborenen einen Menschen Leopold zu entwerfen.

Als Leopold III. am 6. Januar 1485 von Papst Innozenz VIII. zur Ehre der Altäre erhoben wurde, stellte sich massiv das Problem, den neuen Heiligen im Bild darzustellen. Da ein authentisches zeitgenössisches Porträt dieses Mannes nicht existierte – denn das Hochmittelalter kennt die Bildgattung des Porträts nicht – musste eine Figur neu entwickelt werden.  Leicht erkennbar und unverwechselbar sollte sie sein und die Leopold zugeschriebenen Eigenschaften auch dem unwissenden Betrachter nahebringen. „Schon in seiner Jugend“, heißt es in den Lektionen des Breviers, „leuchteten in ihm Gottesfurcht, höchste Unbescholtenheit des Lebens, Enthaltsamkeit und Demut, im späteren Alter aber Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Weisheit und vorzüglicher Eifer für die Religion.“  Wie konnte so ein Mann nur ausgesehen haben?

Die einzige aus seiner Lebenszeit überlieferte Darstellung auf dem Reitersiegel der Urkunde Kat. Nr. 1.10 gibt wenig her, sie zeigt nur einen Typus, der keinerlei Porträtähnlichkeit anstrebte. Die ältesten Bilder, die als Anregungsquellen herangezogen werden konnten, finden sich somit auf den Glasmalereien in den beiden von ihm begründeten Stiften Klosterneuburg und Heiligenkreuz, sind aber erst im späten 13. bzw. frühen 14. Jahrhundert entstanden, also lange nach seinem Tod. Sie zeigen durchwegs einen jüngeren Mann, bartlos, mit Schwert, Herzogshut und einem Kirchenmodell in der Hand. Sie fanden damals noch keine Beachtung.

Man kann annehmen, dass das Bild Leopolds in Klosterneuburg entwickelt wurde, dem Ort seiner Grabstätte, an dem der Landesfürst mit dem Beinamen „Der Fromme“ schon lange vor der Heiligsprechung sehr verehrt wurde. Als Urbild fast aller späteren Darstellungen kann man daher die überlebensgroße Stifter-Figur ansehen, die ursprünglich am Südturm der Stiftskirche aufgestellt war (sh. Abb. 1, S. 83). Zusammen mit ihrem Gegenstück, Markgräfin Agnes, wurde sie im Zuge der neugotischen Renovierungsarbeiten am Ende des 19. Jahrhunderts in den Innenraum versetzt und ist nun in einem Raum im Kreuzgangsbereich aufgestellt. Die Skulpturen entstanden um 1470, noch vor der Kanonisierung Leopolds, allerdings zu einem Zeitpunkt, als der Heiligsprechungsprozess auf Betreiben Kaiser Friedrichs III. auf Hochtouren lief. Der Markgraf ist als älterer, langhaariger und vollbärtiger Mann dargestellt. Auf dem Kopf trägt er den Österreichischen Erzherzogshut, in der linken Hand das Modell der Stiftskirche . Die gesamte Erscheinung drückt herrscherliche Würde, Weisheit und Milde aus. Dazu trägt in besonderem Maße die Geste der rechten Hand bei. Sie ähnelt einem Segensgestus, doch wirkt sie viel zärtlicher, fürsorglicher. Man hat fast den Eindruck, Leopold wollte sein Gegenüber streicheln – ein Effekt, der sich allerdings erst so deutlich zeigt, seitdem die Skulptur praktisch auf Augenhöhe mit dem Betrachter steht.
Der Grundtypus der Figur lässt sich von den Darstellungen bischöflicher Heiliger und Kirchenväter herleiten. Besonders Darstellungen des Ordensvaters Augustinus, der ja einer der vier Kirchenväter ist, standen im Chorherrenstift sicher als Vorbild zur Verfügung.
Einen Mann, der die Leopold zugeschriebenen Charakterzüge aufweist, kann man sich nicht als jungen Heißsporn vorstellen, er muss von der Weisheit des Alters gezeichnet sein. Tatsächlich wird schon bei antiken Schriftstellern (Cicero, Plato) die Meinung vertreten, erst der alte Mensch, der von seinen körperlichen Leidenschaften befreit sei, könne seine ganze Kraft in den Dienst der geistigen Arbeit stellen.    

Babenbergerstammbaum 15. Jh,
Stiftsarchiv Klosterneuburg

Auf dem Babenberger-Stammbaum, der ab 1489 zur Belehrung und Erbauung des in Folge der Heiligsprechung anschwellenden Pilgerstroms geschaffen wurde, ist diese Figur nun auch in ihrer gewandlichen und farbigen Gestaltung fertig ausgearbeitet. Haar und Bart sind eisgrau, das Rot des Mantels korrespondiert mit dem des Herzogshuts. Unter dem Mantel trägt Leopold ein Gewand, das das typische Muster der vergoldeten Adler auf blauem Grund aufweist. Es handelt sich um das Muster der Stofffragmente, die seit alters her als Reste seines Waffenrocks betrachtet wurden, das Muster hielt man für sein Wappen.
Erstmals trägt Leopold ein derartiges Gewand auf dem Stifterbild eines um 1450 entstandenen Missales. Man orientierte sich dabei an einer Beschreibung in der ältesten Sammlung von Wunderberichten von 1371, wo sich auch erstmals eine Niederschrift der Schleierlegende findet. Dort wird zwar der lebende Leopold nicht näher beschrieben, doch werden spätere wunderbare Erscheinungen des Markgrafen geschildert. In der deutschen Übersetzung von 1415 heißt es, Leopold wäre als „ein alter erber herr in plabem gewant, gesprengt mit guldein voglein“  erschienen. Die Stoffe selbst sind orientalischen Ursprungs, und obwohl ihre Datierung stark schwankt, stammen sie sicherlich aus späterer Zeit.  Außerdem war das Überziehen eines Waffenrocks aus leichtem Stoff, der das Wappen des Kämpfers zeigte, über die Rüstung erst ab Mitte des 12. Jahrhunderts üblich, also erst in der Zeit nach Leopolds Tod . Schon aus diesem Grund ist die Überlieferung des Waffenrocks mehr als fragwürdig. Beim Gesichtstyp zeigen sich gewisse Verwandtschaften zu Darstellungen des heiliggesprochenen Kaisers Karl des Großen .
Auf dem Babenberger-Stammbaum ist Leopold nun auch erstmals durch einen vergoldeten Heiligenschein ausgezeichnet. Er erscheint in thronender Haltung – eine Darstellungsform, die in seinem Fall keine große Tradition entwickeln wird. Die Leopoldsdarstellungen weisen ganz allgemein nie die Unnahbarkeit und Strenge auf, die etwa seinem ungarischen Gegenstück Stephan eigen ist. Er unterscheidet sich dadurch deutlich von den meisten anderen königlichen Nationalheiligen.

Ein anderes wichtiges Merkmal der Figur ist der Bart, der, wie wir sehen werden, im Verlauf der Kunstgeschichte immer länger wird. Tatsächlich ist ein langer Bart ein Symbol für Weisheit und Würde. Seit den ältesten Darstellungen Karls des Großen, die ihn vollbärtig zeigen, ist er auch ein wichtiges Herrschaftssymbol. Hier sei auf die berühme Sage vom schlafenden Kaiser Friedrich Barbarossa im Berg Kyffhäuser verwiesen, dessen Bart drei mal um den steinernen Tisch herumwachsen muss, bis das Ende der Zeiten gekommen ist.
Weniger bekannt ist, dass bei einem Leopold vergleichbaren Staatsheiligen, dem im ganzen nordeuropäischen Raum hoch verehrten hl. Olaf, der Bart einige wichtige Rolle spielt. Er soll auch nach seinem Märtyrertod in der Schlacht von Stiklestad 1030 noch weiter gewachsen sein und zwar so stark, dass er regelmäßig aus dem Reliquienschrein im Nidaros-Dom von Trondheim herausquoll und vom Erzbischof in einer feierlichen Zeremonie abgeschnitten wurde. Da die Reliquien Olafs in der Reformationszeit verloren gingen, kann man das heute nicht mehr überprüfen….

Einen etwas abweichenden Figurentyp prägen die Bildzyklen, die in der Regierungszeit Kaiser
Die Schutzheiligen Österreichs,
Albrecht Dürer (1741-1528), 1515
Holzschnitt, 17,2 x 27,1 cm
Stiftsmuseum Klosterneuburg
Maximilians I. entstanden. Schon unter Kaiser Friedrich III. wurde Leopold in eine imaginierte Ahnenreihe des Hauses Habsburg aufgenommen. In dieser Eigenschaft erscheint er auf dem vom Kaiser gestifteten Wiener Neustädter Altar und auf seinem Grab im Stephansdom .
Für Maximilian hatte Leopold eine besondere Bedeutung, da für ihn die Verankerung seiner Herrschaft in der Geschichte einen besonders wichtigen Stellenwert einnahm.  Deshalb bestand er darauf, dass nach der Heiligsprechung die Erhebung der Gebeine nur in seiner Gegenwart erfolgen durfte, was in Folge der ungarischen Besetzung Ostösterreichs durch Matthias Corvinus erst am 15. Februar 1506 stattfinden konnte . Der Kaiser hatte den Babenberger in seine „Sipp-, Mag- und Schwägerschaft“ aufgenommen  und so erlebt das Leopoldsbild in dieser Zeit seine erste große Blüte. Er erscheint unter den monumentalen Bronzefiguren, die Maximilians Innsbrucker Grabmal umgeben, wobei das besondere hier die quasi königliche Ausstaffierung Leopolds ist. Er trägt ein Zepter und den Erzherzogshut von dem Typ, den man vom Porträt Rudolfs IV. des Stifters kennt (Zackenkrone mit einem Bügel, siehe Kat. Nr. 4.04, S. 123).  Diese Figur wurde leicht verändert von Albrecht Dürer in seinen Holzschnitten „Die Schutzheiligen Österreichs“(sh. Abb. im Blog bzw. auf S. 122), der „Ehrenpforte“ und dem „Triumphzug“ Maximilians weiter verwendet, dienten diese wieder anderen Künstlern der Zeit als Vorlage. Das Zepter als Attribut verschwindet in der Folge aber wieder.

Auf den vier Tafeln von Rueland Frueauf dem Jüngeren von 1505 (vgl. Kat. 3.02., S.115/116) wird die Schleierlegende erstmals ausführlicher im Bild dargestellt. Die Figuren von Leopold und Agnes sind hier ganz offenbar von den großen Stifterstatuen (Abb. 1, S. 83) inspiriert. Besonders die Kopfbedeckungen der beiden, Erzherzogshut bzw. Kaiserkrone sind genaue Kopien der steinernen Vorbilder. Die Legende wird durch die starke Einbindung der Landschaft und die liebevolle Schilderung von realienkundlichen Details in eine eher profane Sphäre geholt, womit sich sicher bis zu einem gewissen Grad die bis heute anhaltende große Popularität dieser Bilder erklärt . Gerade die Szene, wo Leopold den Baumeister der Stiftskirche mit Händedruck begrüßt (Abbildung Dienst X), zeigt, dass er nicht nur im übertragenen Sinn ein Heiliger „zum Anfassen“ ist. 
Die große Tafel Frueaufs aus dem Jahr 1507 (Abb. 2, S. 84), die leider durch eine Restaurierung des 19. Jahrhunderts in ihrem gesamten Erscheinungsbild stark verändert wurde, lässt die Anregung durch eine Skulptur noch besser erkennen. Auch hier fällt die zarte, behutsame Haltung auf, mit der er das Kirchenmodell fast streichelt. Dieser Typus des Heiligen erwies sich offenbar als so erfolgreich, dass er in späteren Jahrhunderten kaum mehr verändert wurde.


 
Ausstellungsansicht, Foto: H. Lackinger

Bei der Betrachtung der reichlich vorhandenen barocken Darstellungen mag interessant sein, in welchen Zusammenhängen Leopold vorkommt und in welchen nicht. Da ist zunächst das Bild des thronenden Herrschers. Leopold thront nicht und hält nicht Gericht. Er kämpft auch nicht, wie etwa der hl. Olaf, zu dessen Attributen eine von ihm zertretene Figur gehört und der ja letztlich auch den Tod auf dem Schlachtfeld fand. Er wirkt zu Lebzeiten auch keine Wunder, wenn wir von seiner Mitwirkung an der wunderbaren Auffindung des Brautschleiers seiner Frau absehen. Damit waren der Leopoldsikonographie gewisse Grenzen gesetzt.
Wir finden ihn immer wieder als Gründer, besonders schön und durch Kopien und freie Nachahmungen weit verbreitet auf Martino Altomontes Altarblatt für die Wiener Schwarzspanierkirche. Als Fürsprecher in himmlischen Sphären in der Art der typischen barocken Heiligenglorie wird er wiederum von Martino Altomonte 1729 auf dem Heiligenkreuzer Altarbild exemplarisch dargestellt. (vgl. Kat. Nr. 4,23., S. 132). Praktisch alle bedeutenden österreichischen Barockmaler leisten ihren Beitrag zur Leopoldsikonographie , bringen aber in der Sache wenig Neues. Ihnen allen gemein ist, dass Leopold aus seiner realen Existenz in eine höhere Sphäre gehoben wird, wo er quasi als unveränderliches Abbild seiner selbst wirkt.

Im 19. Jahrhundert kann man zwei Typen des Leopoldsbildes feststellen. Auf der einen Seite haben nun im Gefolge der Romantik Darstellungen der Schleiersage Hochkonjunktur, die ihn durchaus tatkräftig und in Aktion zeigen. Die Jagd ist im Zusammenhang mit Leopold ganz allgemein ein wichtiges Motiv. Hier mischen sich die Motive der Schleiersage mit den Nachrichten, der Tod hätte ihn während der Jagd ereilt, möglicherweise in Folge eines Unfalls. Das Aquarell von Josef von Führich (Kat. Nr. 1.07, S. 103) ist wohl von der „Sauhatz“ von Rueland Frueauf inspiriert, interpretiert das Thema aber ganz eigenständig und zeigt Leopold vollkommen losgelöst von der sakralen Sphäre.

Andererseits ist bei den quasi offiziellen, im sakralen Kontext auftauchenden Leopoldsfiguren eine gewisse Erstarrung und Formelhaftigkeit festzustellen. Salopp ausgedrückt könnte man sagen: Der Bart wird immer länger. Er wird nun immer älter, oft greisenhaft, hauptsächlich als Adoranten- oder Stifterfigur gezeigt. Oft erweckt er den Eindruck eines Schattens aus grauer Vorzeit, den die Last der Jahrhunderte schon schwer drückt.

Ludwig Donin (1810 – 1876), ein geistlicher Bestsellerautor des 19. Jahrhunderts – er soll 6 Millionen Bücher verkauft haben – bietet eine literarische Entsprechung dieses Leopoldsbildes: „Er war sehr vorsichtig in allen seinen Reden und Handlungen, und zeigte als Knabe einen Ernst, der sonst nur dem männlichen Alter eigen ist. Nie hörte man aus seinem Munde ein hochmütiges, zorniges oder zweideutiges Wort, und Schwören und Lügen kannte er nicht.“
Wie kann man eine Persönlichkeit darstellen, die so charakterisiert wird? Wohl so, wie das Gemälde von Wilhelm Rieder (Kat.Nr. 4.26, S.133), das einen  verzückt himmelwärts blickenden Kirchenstifter zeigt, den man sich nur schwer als erfolgreichen Politiker vorstellen kann. Bei Donin wird Leopold tatsächlich als Zauderer geschildert, der selbst zur Heirat mit Agnes gedrängt werden musste: „Zehn Jahre hatte der fromme Leopold sein Land rühmlich regiert […], als er sich auf dringendes Bitten und Zureden seiner Unterthanen verehelichte."
Spätere Autoren rücken dieses Bild wieder etwas zurecht, etwa der Klosterneuburger Chorherr Berthold A. Egger (1852 – 1891), der in der offiziellen Festpublikation zum 400. Jahrestag der Heiligsprechung 1885 ein ganzes Kapitel der Ehe von Leopold und Agnes widmet und sie als Vorbilder des christlichen Ehelebens und der Kindererziehung darstellt, ein Aspekt, der bis dahin kaum thematisiert worden ist. Ein Zitat mag illustrieren, wie mittelalterliche Heiratspolitik durch die Brille des 19. Jahrhunderts gesehen wird:
Die fünf Töchter schlossen ansehnliche Ehebündnisse. So war Leopold auch in seiner Gemahlin und in seinen Kindern gesegnet und man sieht, wie gottgefällig er als Gatte und Vater in seiner Familie lebte.
 

August Fischbach (1828 - 1860), Die Einführung der
Augustiner-Chorherren ins Stift Klosterneuburg, 1858,
Stiftsmuseum Klosterneuburg
Als vorbildlicher Familienvater und Schutzherr der christlichen Familie ist Leopold in der bildenden Kunst überraschenderweise nie thematisiert worden, obwohl die lange und kinderreiche Ehe mit Agnes, dazu genug Anlass gegeben hätte.
Auf dem anlässlich der Taufe der Tochter von Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth, Erzherzogin Sophie 1855 aufgelegten Gedenkblatt  fällt die besonders greisenhafte Gestaltung des österreichischen Landespatrons auf. Der schlohweiße Leopold, der sich an der Fahnenstange festhält, bildet einen seltsamen Kontrast zu den anderen königlichen Patronen der Habsburgermonarchie, Stefan und Wenzel (Abb. 3. S. 86).  
Eines der wenigen Werke, das sich um ein realistisches Leopoldsbild bemüht, ist das Historiengemälde von August Fischbach (sh. Abb. bzw. Kat, Nr. 2.09., S. 110), dem akribische kostümhistorische Studien zugrunde liegen. Es ist wohl das einzige Bild, in dem Leopold tatsächlich in einer zu seiner Zeit üblichen Rüstung korrekt wiedergegeben wird.

Das 20. Jahrhundert macht sich verstärkt auf die Suche nach dem „wahren Antlitz“ des hl. Leopold. Dabei greift man nun auf die ältesten greifbaren Bilder als Vorlagen zurück, das sind eben die Glasmalereien des 13. und 14. Jahrhunderts. Diese Darstellungen, die Jahrhunderte lang nicht als verbindlich für die Figur Leopolds betrachtet wurden, werden nun wieder stärker beachtet, wohl weil sie dem Menschenbild des 20. Jahrhunderts näher sind als der rauschebärtige Greis. Es mag als Zeichen der Zeit angesehen werden, dass das lange unterdrückte kriegerisch-wehrhafte Element der Figur im 20. Jahrhundert ein Comeback erlebt. Auf dem Mosaik am Niederösterreichischen Landhaus in der Herrengasse von 1936 (Abb. 4, S. 87) präsentiert Leopold das Schwert als Zeichen seiner Macht gleichberechtigt mit dem Kirchenmodell. Hier ist die Glasmalerei mit dem Porträt Heinrichs II. Jasomirgott aus dem Klosterneuburger Zyklus deutlich als Vorbild erkennbar. Auf dem Plakat zu den großen Jubiläumsfeiern (Kat. Nr. 4.27, S. 133) aus dem gleichen Jahr reckt er das Schwert sogar um ja wen? zum Kampf gegen wen? aufzurufen.
Hier kommt der Gipsbüste von Rose Koller eine zentrale Rolle zu, da sie zum offiziellen Leopoldsbild des vom österreichischen Ständestaat groß zelebrierten Jubiläumsjahrs 1936 auserkoren wurde (Kat. Nr. 1.01., S. 101). Basis waren anatomische Untersuchungen an den Gebeinen, die anlässlich der Umbettung der Reliquien in den damals neu geschaffenen Schrein vorgenommen wurden . Demnach ergab sich zweifelsfrei, dass Leopold ein hochgewachsener, besonders kräftiger Mann war, der trotz seines für die Zeit relativ hohen Lebensalters bis zuletzt offenbar an keinen ernsthaften Krankheiten gelitten hatte. Rose Koller konnte oder wollte sich trotz allem Bemühen um anthropologische Korrektheit bei der Gestaltung von Haar- und Barttracht nicht von den überkommenen Vorbildern lösen – was wohl auch ein Tribut an die Erkennbarkeit der Figur war . Trotzdem wird auch heute noch von historischer Seite dieses als das Bild anerkannt, das dem „wahren Leopold“ wohl am nächsten kommt.  „Der Versuch der Bildhauerin Rose Koller aus dem Schädelfragment ein ansprechendes Gesicht zu gestalten, darf als respektabler Versuch gewertet werden, dessen Ergebnis zumindest eine Möglichkeit darstellt, der das zeitgenössische Menschenbild nicht entgegensteht.“  

Ausstellungsansicht, Foto: H. Lackinger
Obwohl die Schädelreliquie des Heiligen seit alters her alljährlich rund um den 15. November im Stift Klosterneuburg zur Verehrung ausgesetzt wird, und so für jedermann zugänglich ist, war sie lange Zeit kein Thema für die künstlerische Auseinandersetzung mit der Person Leopold. Das Gemälde von Franz Luby (Kat. Nr. 3.09, S. 119/120) bleibt die überaus qualitätvolle Ausnahme, die diese Regel zu bestätigen scheint. Es man seltsam scheinen, dass diese Gelegenheit, Leopold in ganz konkretem Sinn Aug in Auge gegenüberzutreten bislang so wenig Interesse fand. Dass die Figur selbst ihren Reiz für Künstler keineswegs verloren hat, zeigt nicht zuletzt die große Begeisterung, die im Rahmen des im Zusammenhang mit dieser Ausstellung angeregten Kunstprojekts bei allen Beteiligten zu spüren war. Die Zukunft des Leopoldsbildes scheint gesichert. In welche Richtung es sich entwickeln wird, wird sich weisen.

Lit.:
Floridus Röhrig, Der heilige Leopold in der Kunst. In: Katalog Der heilige Leopold Klosterneuburg 1985, S. 92 – 104

Elisabeth Kovács, Der heilige Leopold – Rex perpetuus Austriae? In: Jahrbuch des Stiftes Klosterneuburg, N.F. Bd. 13 (1985) S. 159 – 211
Floridus Röhrig, Das Bild der Heiligen in der Kunst. In: Jan Mikrut (Hg.) Heiligkeit als Herausforderung. Wien 1999. S. 77 – 98
Katalog Zeichenstein und Wunderbaum. Österreichs Kirchen und Klöster in ihren Ursprungslegenden, Klosterneuburg 2000.
Karl Brunner, Leopold, der Heilige: ein Portrait aus dem Frühling des Mittelalters, Wien 2009  - Georg Scheibelreiter, Die Babenberger. Reichsfürsten und Landesherren, Wien 2010