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Kulturbezirk 5, 3100 St. Pölten, Niederösterreich, Austria
Seit 2011 gibt es den Museumsblog. Bis 31. Juli 2016 waren es Themen, die im Zusammenhang mit den drei Kernbereichen des Landesmuseum Niederösterreich (Geschichte - Kunst - Natur) standen. Mit 1. August 2016 wird das Landesmuseum zum Museum Niederösterreich und somit ist der Museumsblog unter neuer Adresse zu finden: www.museumnoe.at/de/das-museum/blog

24. Juli 2016

Europäische Sumpfschildkröte

Kleines Tier mit großem Verbreitungsgebiet


Sumpfschildkröte im Museumsgarten
Die Europäische Sumpfschildkröte ist die einzige heimische Schildkrötenart – und zugleich der einzige Vertreter der Schildkröten in Mittel- und Nordeuropa. Außer in weiten Teilen Europas findet man sie auch in Nordafrika sowie in Asien bis zum Aralsee. In diesem enorm großen Verbreitungsgebiet kommt sie mit insgesamt 14 Unterarten vor, die sich in Aussehen und Größe geringfügig voneinander unterscheiden. Die österreichische Population wird der Nominatform (also der Unterart Emys orbicularis orbicularis) zugeordnet. Sie ist in unserem Bundesgebiet allerdings nicht häufig. Generell existieren im nördlichen Zentraleuropa und im Alpenraum große Verbreitungslücken. In Österreich werden nur die Vorkommen in den March- und Donauauen östlich von Wien als autochton eingestuft. Das bedeutet: Nur dort kann das Auftreten der Sumpfschildkröte als natürlich bezeichnet werden. Die Tiere leben seit langem und ohne menschliche Eingriffe in diesem Gebiet, weshalb diese Populationen auch ganz besonders wertvoll sind. Alle anderen österreichischen Vorkommen gehen auf Aussetzungen gebietsfremder Exemplare durch den Menschen zurück.

Unscheinbar und schwer zu entdecken

Die Europäische Sumpfschildkröte ist eine kleine bis mittelgroße Schildkröte. Für gewöhnlich erreichen erwachsene Tiere eine Panzerlänge von knapp 20 Zentimetern. Die Weibchen sind deutlich größer und mit einem Gewicht von etwa einem Kilogramm auch schwerer als die Männchen. Der Rückenpanzer ist oval und nur mäßig gewölbt (bei den Weibchen etwas stärker als bei den Männchen). Genau wie die Haut ist er dunkelbraun bis schwarz gefärbt. Auf Panzer und Haut lässt sich außerdem eine unterschiedlich große Zahl von kleinen, gelben Tupfen und Sprenkeln erkennen. Diesen verdankt die Europäische Sumpfschildkröte ihren wissenschaftliche Artnamen Emys orbicularis (lat. orbicularis = „kreisrund"; d.h. mit kleinen Kreisen). Die Färbung des Bauchpanzers ist sehr variabel und reicht von gelb bis schwarz. Während die Haut von Hals und Kopf glatt ist, sind die Gliedmaßen und der lange Schwanz von Schuppen bedeckt. Zwischen den mit Krallen versehenen Zehen – fünf an den Vorder- und vier an den Hinterbeinen – sind Schwimmhäute aufgespannt. Die Geschlechter lassen sich rein äußerlich gut voneinander unterscheiden. Während die Männchen eine orangerote Iris besitzen, sind die Augen der Weibchen gelb gefärbt. Allerdings sind Europäische Sumpfschildkröten für gewöhnlich nicht leicht zu entdecken. Nicht nur ihre Farbe ist wenig auffällig; die Tiere halten sich zudem bevorzugt am und im Wasser auf. Gelegentlich bekommt man Sumpfschildkröten jedoch zu Gesicht, wenn sie am Ufer oder auf einem im Wasser liegenden Baumstamm ein Sonnenbad nehmen.

Meist im Wasser, selten an Land

Man findet die Europäische Sumpfschildkröte an den verschiedensten Süßwasserlebensräumen: an Seen, Teichen und Tümpeln ebenso wie an den Altarmen größerer Flüsse. Besonders beliebt sind nährstoffreiche Gewässer mit dichtem Pflanzenbewuchs und schlammigem Grund. Den größten Teil des Tages verbringt die Sumpfschildkröte mit der Nahrungssuche im Wasser. Sie ist nicht wählerisch, was ihre Ernährung betrifft. Auf ihrem Speiseplan steht so ziemlich alles, was sie zu überwältigen vermag: Insekten, Würmer und Schnecken ebenso wie Amphibien und kleine Fische. Im Falle von Nahrungsknappheit werden auch Wasserpflanzen wie zum Beispiel verschiedene Algen oder Wasserlinsen verspeist. Gelegentlich gehen Sumpfschildkröten sogar an Land auf Nahrungssuche. Gefressen wird die Beute allerdings stets im Wasser, denn die Schildkröte kann an Land nicht schlucken. Während der kalten Jahreszeit fallen die Tiere in eine sogenannte Kältestarre. Meist verbringen sie den Winter unter Wasser, im Schlamm vergraben. (Dort überleben sie monatelang ohne einen einzigen Atemzug!) Seltener überwintern sie auch an frostfreien Stellen an Land.

Trockene Kinderstube

Die Paarung der Europäischen Sumpfschildkröte findet bevorzugt im Wasser statt. In unseren Breiten folgt die Paarungszeit unmittelbar auf die Winterruhe. Die Eiablage kann man dann zwischen Ende Mai und Anfang Juli beobachten. Dazu begeben sich die Weibchen an Land; oft legen sie auf der Suche nach einem geeigneten Platz beachtliche Strecken zurück. Warme, sonnenbeschienene Hänge, Böschungen und Waldränder werden als Eiablageplätze bevorzugt. Die Tiere graben mit den Hinterbeinen eine etwa faustgroße Grube in den trockenen, sandigen Grund. Ist der Boden zu hart, weichen Sumpfschildkröten ihn mit Wasser auf, das sie extra zu diesem Zweck in ihrer Harnblase transportieren. Ist die Mulde fertig, werden etwa zehn bis fünfzehn Eier abgelegt. Danach wird das Nest sorgfältig wieder verschlossen. Die Entwicklung der Jungen hängt nun von der Umgebungstemperatur ab und dauert zwischen 80 und 120 Tagen. Irgendwann zwischen Spätsommer und Herbst schlüpfen die jungen Sumpfschildkröten. Sie verlassen dann das Nest und suchen umgehend das nächstgelegene Gewässer auf. Bisweilen überwintern sie aber auch in der Nisthöhle. Bis sie selbst geschlechtsreif werden und sich fortpflanzen, vergehen viele Jahre (im Durchschnitt rund zehn!). Europäische Sumpfschildkröten können ein stattliches Alter von bis zu 60 Jahren erreichen.

Baby-Schildkröte, NÖ Museum Betriebs Gmbh,
Foto: Andreas Giesswein

Lebensraumverlust und unerwünschte Neuzugänge

Die Europäische Sumpfschildkröte hat zahlreiche Feinde. Ihre Gelege werden häufig von Mardern, Füchsen, Dachsen oder Wildschweinen geplündert. Schlüpflinge und Jungtiere fallen Greifvögeln, aber auch Katzen und Hunden zum Opfer. Im Wasser sind es dann Raubfische wie Hecht und Wels, die den jungen Schildkröten gefährlich werden können. Dies ist jedoch nicht der Grund, warum die Bestände der Sumpfschildkröte in jüngster Vergangenheit stark abgenommen haben. Das besorgniserregende Schwinden der Populationen liegt vielmehr an den massiven, durch den Menschen herbeigeführten Veränderungen. Anders als früher werden die Tiere heute zwar nicht mehr direkt verfolgt. (Einst waren Sumpfschildkröten nämlich eine begehrte Fastenspeise; sie wurden in großen Mengen gefangen und verzehrt.) Heute leiden sie massiv unter dem Verlust von geeignetem Lebensraum. Dazu kommt die Bedrohung durch eingeschleppte, gebietsfremde Arten: Importierte Schmuckschildkröten zum Beispiel sind vergleichsweise konkurrenzstark und setzen sich gegen die heimischen Sumpfschildkröten im Kampf um Nahrung und Sonnenplätze durch. Nicht verwunderlich also, dass die Europäische Sumpfschildkröte auf der Roten Liste der gefährdeten Tierarten Österreichs mittlerweile unter der Kategorie „vom Aussterben bedroht“ geführt wird. Schutzprojekte wie etwa im Nationalpark Donauauen sind für den Erhalt unserer einzigen heimischen Schildkrötenart daher von größter Wichtigkeit.

Text: Dr. Andrea Benedetter-Herramhof

5. Juli 2016

ZEIT KUNST NIEDERÖSTERREICH Krems ELISABETH VON SAMSONOW. TRANSPLANTS


05/06 – 16/10/2016

Mit der am 4. Juni 2016 eröffneten Ausstellung "Elisabeth von Samsonow. Transplants" zeigt die Zeit Kunst Niederösterreich nun auch am Standort Krems ihre letzte Schau. Die 1956 in Neubeuern, Oberbayern, geborene Philosophin und Künstlerin Elisabeth von Samsonow lotet in ihren Werken die Grenzen des Ich und die Grenzen der Skulptur aus und setzt dazu ihre philosophischen Ideen in sinnlich erfahrbare dreidimensionale Kunstwerke um.
Ausstellungsansicht "Elisabeth von Samsonow", Foto: Christoph Fuchs
Betritt der Besucher der von Felicitas Thun-Hohenstein kuratierten Ausstellung den mittelalterlichen Bau der Dominikanerkirche, so sieht er sich Skulpturengruppen aus Holz gegenüber, die von geschwungenen eisernen Paravents hinterfangen werden. Gekonnt lenkt so Carl Pruscha, der für die Ausstellungsarchitektur verantwortlich zeichnet, Auge und Ohr hin zum Chor. Bringt doch Elisabeth von Samsonow mit ihrer eigens für die Schau geschaffenen Installation Labor des Endo-/Exokorpus vom Chor ausgehend den gesamten Raum zum Schwingen. Die Installation besteht aus fast fünf Meter hohen bemalten Holzstegen, an denen Klaviersaiten automatisch angestimmt werden. Genauso wie das Ich wirkt für die Künstlerin auch die Skulptur über ihre Grenzen hinaus. Ihre Werke zum Klingen zu bringen ist für sie eine Möglichkeit, dies auszudrücken. Dabei versteht Elisabeth von Samsonow die Dominikanerkirche mit ihrem langgestreckten Chor als Klangkörper, als eine Mandoline.

Ausstellungsansicht "Elisabeth von Samsonow",
Foto: Christoph Fuchs

Elisabeth von Samsonow, Foto: Daniel Hinterramskogler

Die Künstlerin, die seit 1996 eine Ordentliche Professur an der Akademie der bildenden Künste in Wien innehat und ein Atelier in Hadres betreibt, arbeitet bevorzugt in Lindenholz, einem hellen Material, das sie mit dem Eisenmeißel bearbeitet, welchen sie selbst als hart und brutal erachtet. Das sanfte, weiche Haar des Pinsels, mit dem sie die Skulpturen danach bemalt, wirkt dagegen wie eine Liebkosung. Gegenüber einer kleineren Auswahl älterer Arbeiten wie der Kapitolinischen Wölfin von 1998 und dem Schrein des Tieres aus dem darauffolgenden Jahr sind vor allem jüngere Werke in der Ausstellung vertreten, die sich durch eine leichtere, zeichnerisch aufgefasste Bemalung von den früheren Skulpturen abheben. In den Transplants der Jahre 2011 bis 2014, die der Ausstellung zugleich ihren Namen geben, verschwimmen die Grenzen zwischen Mensch und Pflanze. Sie erscheinen als menschliche Wesen, die fest im Boden verwurzelt sind und Blütenblätter als Ohren tragen. Dabei ist die Frage, ob eine Skulptur sich bewegen kann, für Elisabeth von Samsonow von zentraler Bedeutung. So gibt sie manchen ihrer Skulpturen wie dem Duo (große Neuberger Lyra) von 2014 Räder. Durch ihre Mobilität erscheinen diese der Künstlerin menschenähnlicher.

Ausstellungsansicht "Elisabeth von Samsonow",
Foto: Christoph Fuchs

Ausstellungsansicht "Elisabeth von Samsonow", Foto: Christoph Fuchs

Ausstellungsansicht "Elisabeth von Samsonow", Foto: Christoph Fuchs
Die Elektra aus dem Jahr 2010 hebt sich durch ihre Vergoldung von den anderen Skulpturen ab. Zugleich steht sie programmatisch für den weiblichen Blick der Künstlerin. Elisabeth von Samsonow leistet mit ihren Arbeiten, in denen sie sich intensiv mit Fragen von Weiblichkeit befasst und einen feministischen Ansatz vertritt, einen wichtigen Beitrag zum zeitgenössischen Diskurs über Geschlechterverhältnisse.
Videos von den Performances der Künstlerin, die über Kopfhörer im Originalton mitzuverfolgen sind, runden das Bild ihrer Arbeit ab. Besonders hervorzuheben sind hier die Performances The Secrets of Mary Magdalene, die im Jahr 2008 als Prozession in Jerusalem realisiert wurde, und The Symptom and the Cure, in der sich Elisabeth von Samsonow 2016 im Kunstraum Niederoesterreich narkotisieren ließ, um als abwesende Künstlerin den Zusammenhang zwischen Medizin und Kunst zu thematisieren.

Zur Schau erscheint im Kerber Verlag ein 288 Seiten umfassender, reich bebilderter Katalog mit Beiträgen von Elisabeth von Samsonow, Felicitas Thun-Hohenstein, der ehemaligen künstlerischen Leiterin der Zeit Kunst Alexandra Schantl und vieler anderer.
Die Ausstellung, in der sich Elisabeth von Samsonow als kluge, kritische und dabei humorvolle Künstlerin präsentiert, die auch einen Blick für die Ästhetik ihrer Werke hat, wird bis zum 16. Oktober 2016 in der Dominikanerkirche Krems zu sehen sein. Nach dem Ende des Bestehens der Zeit Kunst wird diese als ein Ort in Erinnerung bleiben, an dem zeitgenössische Kunst in einen spannenden Dialog mit mittelalterlicher Bausubstanz an der Wende von der Spätromanik zur Frühgotik getreten ist.

Text: MMag. Ursula Düriegl