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Kulturbezirk 5, 3100 St. Pölten, Niederösterreich, Austria
Seit 2011 gibt es den Museumsblog. Bis 31. Juli 2016 waren es Themen, die im Zusammenhang mit den drei Kernbereichen des Landesmuseum Niederösterreich (Geschichte - Kunst - Natur) standen. Mit 1. August 2016 wird das Landesmuseum zum Museum Niederösterreich und somit ist der Museumsblog unter neuer Adresse zu finden: www.museumnoe.at/de/das-museum/blog

28. Mai 2014

Frauenporträt #15

    #15 Josefine Jammer – eine Badener Institution


Der bekannte Wiener Biedermeier-Maler Thomas Ender (1793–1875) verewigte 1824 auf einer kleinen aquarellierten Bleistiftzeichnung das Mauthaus beim Urtelstein am Eingang ins Helenental, an der Heiligenkreuzer Straße gelegen.

Thomas Ender, Das Mauthaus beim Urtelstein im Helenental, 1824
Bleistift, aquarelliert auf Papier, 8,8x16,1 cm, 1824
© NÖ Landesbibliothek
Hier wuchs Josepha Jammer auf. Mitten während der napoleonischen Kriege kam sie 1808 zur Welt. Ihr Vater war Mauteinnehmer-Gehilfe, verstarb aber schon früh. Ihre Brüder fielen in der Völkerschlacht bei Leipzig; ihre Mutter betrieb im Mauthaus mit allerhöchster Genehmigung seit 1813 eine „Kaffeeküche“. Wie sie zu dieser Lizenz bekam schilderte Elise Degen, die 1856 in München geborene und in Baden ansässige Schriftstellerin in der Ausgabe des Badener Bezirks-Blattes am 21. Mai 1892:

© Wien Museum
„Die Söhne der armen Witwe, die es bewohnte, hatten Blut und Leben für die Befreiung des Vaterlandes geopfert [...] Die ersten Knospen drängten schon hervor, die Veilchen blühten [...] Da ertönte von Ferne das Rollen eines Wagens. Frau Jammer hatte gerade Zeit, die verweinten Augen zu trocknen, da hielt auch schon der Wagen des Erzherzogs Anton vor ihr. Die Frau brachte dem leutseligen Herrn wie schon so oft ein Glas frischer süßer Milch ... Freundlich ergriff er die Hand der Traurigen und sprach: „Frau Jammer, sorgen Sie sich nicht weiter, ich werde schon ein Mittel finden, um ihnen und ihren Kindern zu helfen!“ [...]
Kurze Zeit darauf erhielt die arme Frau die damals schwer zu erreichende Bewilligung, eine Kaffeeküche zu errichten, deren Ertrag sie vor Kummer und Sorge bewahren sollte. Erzherzog Anton und außer ihm noch viele Mitglieder des Kaiserhauses sind dort eingekehrt [...]
Bis heute noch steht das Häuschen, bis heute noch schützen es die hohen Felsen und finden sich fröhliche Menschen ein, um im Kühlen zu rasten.“
Nach dem Tod der Mutter betrieb ihre Tochter Josepha den Kaffeeausschank weiter; das Lokal führte nun den Namen „Zur Jammerpepi“. Das Geschäftsschild der Kaffee- und Milchwirtschaft hat sich bis heute im Besitz des Wien Museums erhalten. Es ist als Dauerleihgabe im Rollett Museum in Baden zu sehen.
So schwierig wie ihre entbehrungsreiche Kindheit und Jugend als Halbwaise gestaltete sich auch ihr weiteres Privatleben. Sie verliebte sich in „Schorsch“ Hörner, der in jungen Jahren nach Baden gekommen war. Er war der erste „Zahlmarqueur“ (=Zahlkellner) im Café Scheiner, Ecke Weilburgstraße/Peterhofgasse, das „In-Café“ der Biedermeierzeit in Baden. Bei den Gästen beliebt gelang es ihm, ein wenig auf die hohe Kante zu legen. Ein häufiger Gast im Café Scheiner, Georg Simon Freiherr von Sina half ihm beim Anlegen der Ersparnisse, so dass Hörner über ein bescheidenes Vermögen verfügte, ausreichend, um mit Pepi Jammer einen Hausstand zu gründen. Dem stand allerdings ein nicht unerhebliches Hindernis im Wege: Schorsch war aus seiner Heimat, dem Königreich Bayern geflohen, um dem Wehrdienst zu entgehen. So konnte er sich nicht die für eine Eheschließung notwendigen Papiere besorgen. Nach einer Zeit des Wartens wendete sich doch dann alles für die beiden zum Guten: Bei der Jammerpepi verkehrten neben Kurgästen und alteingesessenen Badenern auch Angehörige der Aristokratie, die während ihrer Spaziergänge durchs Helenental bei ihr einkehrten, um ein Glas Milch oder Kaffee zu trinken. Darunter war auch Prinzessin Hildegard Luise Charlotte Theresia Friederike von Bayern (1825–1864), die Tochter König Ludwigs I. von Bayern und der Therese von Sachsen-Hildburghausen, die mit 19 Jahren Erzherzog Albrecht von Österreich geheiratet hatte. Sie besorgte die notwendigen Papiere. So wurde für das in die Jahre gekommene Paar – Pepi war schon an die 55 – eine Heirat doch noch möglich. Pepi Jammer, nun Pepi Hörner, betrieb mit ihrem Mann die Meierei bis ins hohe Alter weiter. Beim großen Börsenkrach 1873 verloren sie allerdings ihr Vermögen.
Aber lassen wir noch einmal Elise Degen in ihrer blumigen Sprache zu Wort kommen:

 
Während der Wintermonate, in denen kaum Gäste kamen, besserte sie mit Bastel- und Handarbeiten das Haushaltsgeld auf: Sie fertigte Andenkenbilder aus Moos und Baumrinden (Weilburg, Rauhenstein, Dr. Rollett am Wasserfall, etc.) und strickte. Schorsch starb 1892 und Pepi wenige Monate nach ihm 1893.
           

Die Jausenstation blieb unter dem Namen „Jammerpepi“ bis in die Jahre nach 1945 in Betrieb.
Text: Dr. Elisabeth Vavra
Quelle: Hildegard Hnatek, Stets freundlich lächelnd - die Jammerpepi, in: Badner Zuckerln. Aus der Arbeit des Stadtarchivs 5, 1998.

 

22. Mai 2014

Frauenportrait #14

   #14 Paula Menotti – die Gigerlkönigin

Foto©www.foto-julius.at 
Einer äußerst eigenwilligen Frau verdankt die Kurstadt Baden eine der schönsten Jugendstilvillen in prominenter Lage am Kaiser-Franz-Ring.
1863 wurde Paula in dem gutbürgerlichen Elternhaus der Familie Heuberger in Graz geboren. Mit 16 Jahren nahm sie zum ersten Mal Reißaus, um in Wien ihr Glück als Schauspielerin und Sängerin zu suchen. Ihre Eltern ließen sie von der Polizei suchen und wieder nach Graz zurückbringen. Ihr zweiter „Fluchtversuch“ gelang. Über Wien gelangte sie nach Russland und von dort mit Hilfe ihres Impresarios nach London, wo sie eine Ausbildung zur Exzentriksängerin absolvierte. Sie startete eine glanzvolle Karriere auf den Varietébühnen Europas und feierte u.a. Triumphe in St. Petersburg, Berlin und im Varieté-Theater Ronacher in Wien. Ihre größten Erfolgsschlager waren die beiden Rheinländer „Die Gigerlköngin“ und „Ich bin eine Witwe“.
Die Musik zum Lied „Die Gigerlkönigin“*, mit dem sie 1894 erstmals auftrat und das 1897 auf Schallplatte erschien, schrieb der Berliner Komponist Paul Lincke. Der Text des Liedes beschrieb die Interpretin und deren Lebenswandel:  


Ich kleid mich stets nach neuester Facon
beweg mich im Salon
ich erfinde neue Moden, was ich trage, das ist schick
man sieht's am ersten Blick
Der Refrain lautet:
Sehen Sie mich nur an, ich bitt
diesen eleganten Schritt
Da sieht doch gleich ein jeder wer ich bin
die Gigerlkönigin

Eine Neuinterpretation erfuhr das Lied durch Hildegard Knef 1963.
Die Musik zu ihrem zweiten Erfolgsschlager „Ich bin eine Witwe“ komponierte der in Bad Nauheim geborene Wilhelm Aletter, der in Berlin als Pianist und Komponist tätig war. Der Text des Couplets, das 1898 im amerikanischen Musikverlag The B.F.Wood Music Company Boston erschien, stammt aus der Feder des Sängers und Komikers Otto Reutter:

Mein Herz ist so traurig, mein Kopf ist so schwer,
Ich hatte zwei Männer und hab' sie nicht mehr.
Ich hab' sie begraben, o, denkt euch nur an.
Nun bin ich verlassen und hab' keinen Mann.
Bin einundzwanzig, fesch und patent,
habe zum Lieben sehr viel Talent.
Steh jetzt allein, o Gott, welch ein Graus,
ganz ohne Mann sein, das halt ich nicht aus. Ach!
Mein erster hieß Anton, mein zweiter hieß Fritz,
sie waren nicht lange in meinem Besitz.
Der Fritz war so blaß und hat sterben gemußt,
und Anton war auch etwas schwach auf der Brust.
Hab' an die beiden gar oft schon gedacht,
manchmal bei Tage, stets in der Nacht.
Jetzt bricht mein Herze vor Liebe schier,
und ich hab' keine Verwendung dafür! Ach!
Refrain:
Ich bin eine Witwe, eine kleine Witwe,
bin das Küssen so gewöhnt, daß ich's nicht lassen kann
Ich bin eine Witwe, eine kleine Witwe,
hätt' ich doch nur wieder einen Mann.
Ich bin eine Witwe, eine kleine Witwe,
bin das Küssen so gewöhnt, daß ich's nicht lassen kann.
Ich bin eine Witwe, eine kleine Witwe,

hätt' ich doch nur wieder einen Mann.



wikicommons©Adolf Geringer
Um die Person der exzentrischen Sängerin rankten sich noch zu Lebzeiten zahlreiche Gerüchte: Bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung in Wien soll sie einen Kuss um 1000 Gulden verkauft haben. Das Geld für den Bau der Villa soll aus dem Besitz eines russischen Adeligen stammen, der sich - wie versprochen  - nach einer Liebesnacht mit ihr erschoss und ihr sein Vermögen hinterließ. Vielleicht wurde auch Arthur Schnitzler durch sie zu der 1902 fertiggestellten Novelle „Exzentrik“ angeregt.  Die Villa Menotti wurde nach Plänen des Darmstädter Architekten Karl Köhler von August Amberger errichtet. Der Badener Bildhauer Karl Vock führte die Stuckarbeiten aus. Der 1912 fertig gestellte Bau umfasste 26 Zimmer und spiegelte den neuesten Stand der Technik wieder. Die Villa verfügte über Badezimmer, elektrisches Licht, Zentralheizung und Einbauschränke. Der Bau war von einem parkähnlichen Garten mit Glashaus umgeben. Die Villa Menotti war der letzte große Villenbau in Baden. Paula Menotti lebte dort zurückgezogen bis zu ihrem Tod am 17. April 1939.

* Gigerl bezeichnet im Altwienerischen einen äußerst modebewussten Mann, der sich stets in übertriebener Form nach den neuesten Trends kleidet.  

Bild: www.foto-julius.at
Text: Dr. Elisabeth Vavra

15. Mai 2014

Frauenportrait #13

  #13 Anny Wödl (1902–1996) - Eine Mutter kämpft um ihren Sohn


Ein Stolperstein, verlegt am Areal des Landesklinikums Wiener Neustadt, erinnert an das Schicksal des 7jährigen Alfred Wödl und seiner Mutter Anny.
Drei Wochen vor der Entbindung hatte Anny Wödl, die am Corvinusring 16 in Wiener Neustadt lebte, eine Rauchgasvergiftung erlitten. Als der kleine Alfred in das Alter kam, in dem andere Kinder zunächst zu laufen und dann zu sprechen begannen, merkte die Mutter, dass diese Rauchgasvergiftung nicht ohne Folgen für das Kind geblieben war. 1946 sagte sie als Zeugin vor Gericht aus:
„Ich habe am 24. November 1934 einen Knaben geboren, der mit dem Gehen und auch mit dem Sprechen Schwierigkeiten hatte, als er gehen und sprechen sollte. Es stellte sich schließlich heraus, dass er zwar alles verstand, dass er aber nicht sprechen konnte. Auch waren seine Beine offenbar zu schwach, um ihn zu tragen, sodass er soviel wie nicht gehen konnte. Woran er eigentlich litt und was die Ursache seines Zustandes war, konnten die Ärzte eigentlich nicht feststellen.“
Von Amts wegen wurde am 1. April 1939 seine Einweisung in die Pflege- und Beschäftigungsanstalt für Kinder in Gugging verfügt. Zu dieser Zeit begann man im Dritten Reich mit einer großangelegten Aktion zunächst gegen behinderte Kinder, die später auch auf Erwachsene mit Behinderungen ausgedehnt wurde. Ein Erlass verpflichtete Ärzte und Hebammen, Fälle von „Idiotie“ und „Missbildungen“ den Gesundheitsämtern zu melden. Die betroffenen Kinder wurden von Amts wegen in sogenannte Kinderfachabteilungen überstellt. In Wien wurde eine solche Abteilung in der Nervenheilanstalt „Am Steinhof“ eingerichtet. Ihr Leiter war Erwin Jekelius, sein Assistent Heinrich Gross, der über die Aktionen in einem Verhör nach dem Krieg zu Protokoll gab: „Man stellte Listen über die betreffenden Kinder zusammen und schickte sie mir zur unmittelbaren Ausführung. Ich wiederum habe die Listen an Dr. Gross übergeben, der dann die Tötung der Kinder mittels Verabreichung von Luminal vornahm. Die Tötung kranker Kinder wurde von uns unter strengster Geheimhaltung vorgenommen. Daher wussten die Eltern darüber nichts. Nach der Vergiftung eines Kindes durch Dr. Gross wurde den Eltern mitgeteilt, dass ihr Kind an dieser oder jener Krankheit gestorben sei, die er sich selbst ausdachte. Diese Mitteilungen habe ich als Leiter der Klinik unterschrieben [. . .] monatlich töteten wir zwischen 6 und 10 Kinder.“
Trotz der strengen Geheimhaltung fiel das Verschwinden der Patienten/Patientinnen auf; zu auffällig war das sich regelmäßig wiederholende Muster: zunächst eine Nachricht, dass der Patient/die Patientin als kriegsbedingte Maßnahme verlegt werden musste und dann einige Zeit später die Todesnachricht. Die  betroffenen Angehörigen verlangten von Ärzten und Pflegepersonal eine Erklärung. Anny Wödl, die Krankenschwester im Kriegslazarett des Allgemeinen Krankenhauses war, traf sich im Geheimen mit den Müttern und Vätern. Man kam zu der Ansicht, dass nur eine Intervention in Berlin Erfolg bringen könnte. Sicher auch getrieben durch die Sorge um das eigene Kind, das auch jederzeit in diese Todesmaschinerie geraten konnte, fuhr Anny Wödl im Juli 1940 nach Berlin und sprach im Namen aller Angehörigen der Steinhof-Patienten in der Reichskanzlei vor.  Man verwies sie ans Reichsinnenministerium. Dort wurde sie von Ministerialdirigent Linden empfangen, der als Reichsbeauftragter für die Heil- und Pflegeanstalten für die Durchführung der T4-Aktion – der systematischen Ermordung von mehr als 70.000 Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen in den Jahren 1940 bis 1941 – maßgeblich verantwortlich war. Ihre Intervention war wie zu erwarten vergeblich. Linden erklärte ihr, dass Berlin nicht dazu bereit wäre, für Wien Ausnahmen zu machen.
Im Jänner des folgenden Jahres erfuhr sie von einer Krankenschwester in Gugging, dass nun auch ihr Sohn Albrecht für einen „Transport“ in die Tötungsanstalt  Schloss Hartheim vorgesehen sei, wo u. a. auch Menschen mit Behinderungen im Rahmen der T4-Aktion vergast wurden.  Anny Wödl fuhr sofort wieder nach Berlin zu Ministerialdirigent Linden, um ihren Sohn zu retten. Linden frage sie nur, was sie, die als Krankenschwester im Kriegseinsatz tätig wäre, mit einem behinderten Kind wolle. Das einzige Zugeständnis, das sie erreichen konnte, war eine „Sterbeerleichterung“ für ihren Sohn:  Linden versprach ihr, dass Alfred wenigstens in ihrer Obhut sterben „dürfe“.   
Am 6. Februar 1941 wurde Alfred Wödl von Gugging in die Kinderanstalt „Am Spiegelgrund“ in Steinhof verlegt. Ergebnislos blieben die Bemühungen der Mutter, ihren Sohn doch noch der nationalsozialistischen Tötungsmaschinerie zu entreißen. Am 17. Februar besuchte sie ihren Sohn, am 23. Februar erfuhr sie, dass Albrecht am Tag zuvor ermordet worden war. Die offizielle Todesursache in den Akten und auf dem Totenschein war „Lungenentzündung“. Anny Wödl konnte auch nicht verhindern, dass Dr. Heinrich Gross ihren Sohn obduzierte. Über 60 Jahre befand sich Alfreds Gehirn in einem Keller der Pathologie des „Steinhofs“. Erst im April 2002 wurde sein Gehirn mit den Gehirnen weiterer wenigstens 600 Opfer in einem Ehrenhain am Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.   
Am 5. März 1942 wurde Anny Wödl im Wiener Allgemeinen Krankenhaus nach einer ärztlichen Untersuchung, auf Veranlassung der Direktion, gekündigt; in dem entsprechenden Schriftstück heißt es: „… dass bei der Wödl eine hochgradige Neurose bestehe, die eine ersprießliche Dienstleistung nicht erwarten lasse und die Lösung des Dienstverhältnisses unter Nachsicht der Kündigungsfrist zu empfehlen wäre.“
Bild: Fotoquelle: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (http://www.doew.at/)
Text: Dr. Elisabeth Vavra
Link:
http://de.doew.braintrust.at/m22sm112.html

9. Mai 2014

Frühblüher

Die Boten des Frühlings


Zwischen Jänner und Mai

Frühblüher bilden einen typischen Bestandteil der Vegetation unserer Laubwälder. Besonders häufig sind sie in Buchen- und Buchenmischwäldern zu finden. Zeitig im Frühjahr, wenn die Äste der Bäume noch kahl sind, bilden sie ihre Blüten und Blätter aus. Damit nutzen sie die lichtreichste Zeit im Jahr, denn solange das Laub der Bäume noch keinen Schatten wirft, kann viel Sonnenlicht bis zum Waldboden durchdringen. Typischerweise gedeihen Frühblüher zwischen Jänner und Mai. Möglich ist diese frühzeitige Entwicklung durch ganz besondere Anpassungen: Frühblüher besitzen unterirdische Speicherorgane – sozusagen Vorratskammern unter der Erde, die ihnen die nötige Energie für die Ausbildung ihrer Blütentriebe bereit stellen. Um tiefe Temperaturen unbeschadet zu überstehen, lagern viele Frühblüher eine Art chemisches „Frostschutzmittel“ in ihrem Gewebe ein.


Zwiebel, Knolle, Spross

Scharbockskraut,
Foto: A. Benedetter-Herramhof
Allen Frühblühern gemeinsam ist, dass sie bald im Jahr blühen. Doch die Speicherorgane, mit deren Hilfe sie dies bewerkstelligen, unterscheiden sich voneinander. Manche Frühblüher, wie zum Beispiel das Schneeglöckchen, die Frühlingsknotenblume oder der Bärlauch besitzen eine Zwiebel. Bei dieser handelt es sich um einen umgebildeten, unterirdischen Spross, dessen fleischig verdickte Blätter mit Reservestoffen gefüllt sind. Andere Frühblüher, wie zum Beispiel der Krokus, der Lerchensporn oder das Scharbockskraut lagern ihre Speicherstoffe in einer Wurzelknolle. Wieder andere, wie das Leberblümchen, das Buschwindröschen oder die Schlüsselblume besitzen ein sogenanntes Rhizom. Bei diesem umgangssprachlich auch als „Wurzelstock“ bezeichneten Organ, handelt es sich in Wahrheit nicht um eine Wurzel, sondern um einen unterirdisch wachsenden Spross. In Zwiebel, Knolle und Rhizom werden Nährstoffe (hauptsächlich in Form von Stärke) gespeichert. Ungünstige Bedingungen werden mit Hilfe dieser unterirdischen Speicherorgane überdauert.


Schneeglöckchen

Schneeglöckchen, Foto: B. Seiberl-Stark
Das Schneeglöckchen (genauer gesagt das Kleine oder auch Gewöhnliche Schneeglöckchen) ist zweifellos einer unserer bekanntesten Frühblüher. Es blüht oft schon im Februar und kann Temperaturen von einigen Minusgraden ertragen. Sogar die Blüten sind frosthart. Das Schneeglöckchen bevorzugt feuchte, schattige Standorte und ist in Berg- und Auwäldern zu finden. Die weißen, nickenden Blüten – übrigens immer nur eine auf jedem Stängel – bestehen aus drei äußeren und drei inneren Blütenblättern. Die inneren Blütenblätter sind nur etwa halb so groß wie die äußeren und tragen grüne Flecken. Bei diesen Flecken handelt es sich um sogenannte Saftmale, die den Blütenbesuchern den Weg zum Nektar weisen. Schneeglöckchen können sich vermehren, indem sie Brutzwiebeln bilden, die sich später von der Hauptzwiebel lösen. Sie bilden aber auch kleine Kapselfrüchte aus, die mehr als 30 Samen enthalten können. An jedem dieser Samen ist ein Nährkörper festgewachsen, der besonders von Ameisen gerne gefressen wird. So tragen Ameisen ganz wesentlich zur Verbreitung des Schneeglöckchens bei.


Leberblümchen

Leberblümchen, 
Foto: A. Benedetter-Herramhof
Das Leberblümchen ist eine Charakterart der Laubwälder Mitteleuropas. Bereits im März brechen seine violetten Blüten aus der Falllaubschicht des Waldes hervor. Die Lebensdauer der einzelnen Blüten beträgt maximal acht Tage. Sie bieten Blütenbesuchern keinen Nektar an, sind aber wichtige Pollenlieferanten für Bienen und andere Insekten. Die Samen des Leberblümchens sind bei Ameisen sehr beliebt und werden auch von diesen verbreitet. Die Blätter mit der typischen, in drei Lappen geteilten Blattspreite erscheinen erst am Ende der Blühperiode und überdauern den Winter. Ihrer Form, die entfernt an die menschliche Leber erinnert, verdankt die Pflanze übrigens auch ihren Namen. Gemäß der mittelalterlichen Signaturlehre, nach der man aus dem äußeren Erscheinungsbild einer Pflanze auf deren Heilwirkung schloss, wurde das Leberblümchen in der Volksmedizin bei Leber- und Gallenbeschwerden eingesetzt. 

Leberblümchen,  Foto: A. Benedetter-Herramhof

Buschwindröschen

Buschwindröschen,
Foto: A. Benedetter-Herramhof
Das Buschwindröschen findet man außer in Laub- und Mischwäldern gelegentlich auch in lichten Nadelholzbeständen und in Hecken. In den Alpen kann es noch in einer Höhe von mehr als 2.000 Metern angetroffen werden. Oft bildet es große, sehr individuenreiche Bestände. Meist wird nur eine Blüte mit sechs weißen Blütenhüllblättern ausgebildet. Drei dreiteilige Hochblätter schützen anstelle eines Kelches die Blütenknospe. 
Die gestielten Grundblätter erscheinen erst nach der Blütezeit. Die Blüte wird von Bienen und Fliegen bestäubt, während Ameisen für die Verbreitung der Samen sorgen. Allerdings kann sich das Buschwindröschen auch mit Hilfe seines Rhizoms vegetativ vermehren. Mitunter gehören mehr als hundert Blütentriebe zu einer einzigen Pflanze! 

Genau wie bei anderen Frühblühern werden die Blüten in der Nacht und bei schlechter Witterung geschlossen. Dieses Schließen der Blüte erfolgt beim Buschwindröschen durch Wachstumsbewegungen, indem die Unterseite des Blütenblattes schneller wächst als die Oberseite.

Lerchensporn

Lerchensporn,
Foto: A. Benedetter-Herramhof
Die wohlriechenden Blüten des Hohlen Lerchensporns, die man oft bereits im März beobachten kann, trugen der Pflanze ihren ungewöhnlichen Namen ein: Ihre Form erinnerte die Menschen an die gespornten Zehen der Haubenlerche. Hohl dagegen ist die etwa walnussgroße Knolle des Hohlen Lerchensporns, die neben Speicherstoffen giftige Alkaloide enthält. Die bis zu 20 Blüten, die gemeinsam einen traubigen Blütenstand bilden, können entweder violett oder weiß gefärbt sein. Sie bilden zeitig im Frühling eine wichtige Nahrungsquelle für langrüsselige Bienen, die Nektar aus dem Sporn der Blüte saugen. Als Honigräuber dagegen betätigen sich kurzrüsselige Hummeln: Sie beißen ein Loch in die Blüte, um den Nektar zu plündern, wobei es nicht zu einer Bestäubung der Blüte kommt. Die schotenförmigen Kapselfrüchte des Hohlen Lerchensporns entlassen im Mai ihre Samen. Außerdem kann sich die Pflanze auch vegetativ durch Tochterknollen vermehren, die sich im Hohlraum der Knolle entwickeln.

 

Lungenkraut

Lungenkraut, Foto: A. Benedetter-Herramhof
Das Echte Lungenkraut verdankt seinen Namen den eiförmig-spitzen Blättern mit den charakteristischen hellen, runden Flecken. Ihre Form und Zeichnung erinnern entfernt an eine Lunge. Seit dem Mittelalter wurde das Lungenkraut daher als Heilpflanze bei Lungenerkrankungen aller Art eingesetzt. Und tatsächlich lindert das Lungenkraut Husten, Halsweh und Heiserkeit. Seine Blüten mit den röhrig verwachsenen Kelch- und Kronblättern kann man von März bis Mai beobachten. Sie sind zunächst rosa und färben sich nach der Bestäubung violett bis blau. Die Bestäuber (vor allem Wildbienen) bevorzugen die jungen, rosafarbenen Blüten, die mehr Nektar enthalten als die älteren blauen. Im Volksmund wird das Lungenkraut wegen seiner verschiedenfärbigen Blüten übrigens auch als „Hänsel und Gretel“ bezeichnet. Seine Früchte, die bei Reife in einsamige Teilfrüchte (Klausen) zerfallen, werden durch Ameisen verbreitet. Da das Lungenkraut zu den Lichtkeimern gehört, benötigen die Samen für ihre Keimung neben Wasser, Wärme und Sauerstoff auch Licht.


Schlüsselblume

Wiesenschlüsselblume,
Foto: A. Benedetter-Herramhof
Waldschlüsselblume,
Foto: A. Benedetter-Herramhof
Die Schlüsselblume erhielt ihren Namen wegen der Ähnlichkeit ihres Blütenstandes mit einem Schlüsselbund. In vielen Märchen und Sagen ist sie der Schlüssel zum Himmel. Auf Wiesen, an Waldrändern oder in lichten Wäldern gedeiht die Echte Schlüsselblume oder Wiesenschlüsselblume. Sie unterscheidet sich von der Waldschlüsselblume (auch Hohe Schlüsselblume genannt) durch die dottergelben, stark duftenden Blüten mit den fünf orangefarbenen Flecken. Diese Saftmale fehlen bei der Waldschlüsselblume, deren nur schwach duftende, hellgelbe Blüten eine goldgelbe Färbung im Schlund aufweisen. Beide Schlüsselblumenarten blühen von März bis Mai und gelegentlich findet man auch Bastarde zwischen den zwei Spezies. Interessant ist, dass bei der Schlüsselblume zwei unterschiedlich gebaute Blütentypen vorkommen, die sich durch die Länge des Griffels und die Lage der Staubblätter voneinander unterscheiden. Dadurch wird Selbstbestäubung weitgehend vermieden und Fremdbestäubung gefördert.


Huflattich

Huflattich, Foto: A. Benedetter-Herramhof
Der Huflattich ist eine genügsame Pflanze, die nicht nur in Wäldern, sondern auch auf Schuttplätzen, an Wegen,  auf Bahndämmen und Böschungen gedeiht. Bereits im März erscheinen die leuchtend gelben Blüten dieses Korbblütlers, die aus bis zu 300 weiblichen Zungenblüten und 30-40 männlichen Röhrenblüten bestehen. Sie stehen einzeln am Ende des weißfilzig behaarten Stängels, der mit zahlreichen kleinen, schuppenförmigen Blättern besetzt ist. Die grundständigen, etwa handtellergroßen Blätter erscheinen erst nach der Blüte. Sie sind oben hellgrün und auf der Unterseite weißlich und filzig behaart. Ihre Form erinnert ein wenig an einen Pferdehuf, was der Pflanze auch ihren Namen verlieh. Die Samen des Huflattichs sind Schirmflieger und ähneln den Samen des Löwenzahns. Der Huflattich ist eine bedeutende Heilpflanze. Er wird vor allem als Hustenmittel eingesetzt, wobei sowohl die Blätter als auch die Blüten verwendet werden. Er wirkt zudem antibakteriell, entzündungshemmend und blutstillend.

Veilchen

Das Duftveilchen blüht meist schon im März, weshalb es auch als Märzveilchen bezeichnet wird. Es stammt ursprünglich aus dem Mittelmeerraum, wurde aber in großen Teilen Europas eingebürgert. Seine wohlriechenden Blüten sitzen einzeln auf dünnen Stielen.

Veilchen, Foto: B. Seiberl-Stark
Die herzförmigen Blätter bilden eine bodenständige Rosette. Ungewöhnlich ist, dass die Blüten des Veilchens nicht bestäubt werden müssen, um Samen zu bilden. Neben den auffälligen, violetten Blüten bildet die Pflanze nämlich kleine, unscheinbare Blüten aus, die sich nicht öffnen. In diesen kommt es zur Selbstbestäubung und -befruchtung. Außerdem vermehren sich Veilchen durch Ausläufer. Das Duftveilchen wurde bereits im Mittelalter als Zierpflanze und Heilpflanze angebaut. Man setzte es bei verschiedensten Krankheiten ein – so zum Beispiel bei Husten, bei Kopfschmerzen, nervöser Überreizung und bei Schlafstörungen. Die Pflanze findet Erwähnung in zahllosen Märchen, Sagen, Liedern und Gedichten. Auch im Brauchtum spielte es eine besondere Rolle. Am Wiener Hof zum Beispiel feierte man das erste Veilchen des Jahres mit einem eigenen Fest.

Scharbockskraut

Scharbockskraut,
Foto: A. Benedetter-Herramhof
Anders als bei vielen anderen Frühblühern erscheinen beim Scharbockskraut zuerst die herzförmigen Blätter, die bisweilen dichte Teppiche am Waldboden bilden. Erst später – von März bis Mai – treten die leuchtend gelben Blüten mit den acht bis elf Kronblättern auf, die durch ihre auffällige Färbung zahlreichen Insekten anlocken. Die Pflanze vermehrt sich fast ausschließlich ungeschlechtlich über sogenannte Brutknospen. Diese sind in etwa so groß wie ein Getreidekorn und werden wegen ihres Aussehens auch als Himmelsgerste oder Himmelsbrot bezeichnet. In Notzeiten wurden diese Brutknospen zusammen mit den Wurzelknollen getrocknet, gemahlen und als Mehlersatz verwendet. Essbar sind auch die Blätter des Scharbockskrautes, die in kleinen Mengen (zum Beispiel im Wildpflanzensalat) genossen werden können. Dazu sollten sie jedoch unbedingt noch vor der Blüte gesammelt werden, denn danach sind sie schwach giftig! Dem Umstand, dass sie viel Vitamin C enthalten, verdankt das Scharbockskraut auch seinen Namen: Man verwendete es nämlich früher, um Skorbut zu heilen – eine durch Vitamin C Mangel hervorgerufene Krankheit, die auch als „Scharbock“ bezeichnet wurde. 


Text: Dr. Andrea Benedetter-Herramhof

8. Mai 2014

Frauenportrait #12

  #12 Charlotte Andri-Hampel (1863 - 1945)

 

Die Malerin Charlotte Andri-Hampel, die an der Ehe scheiterte, wurde in Wien am 4. Oktober 1863 geboren. 
Die Tochter des Architekten Franz Hampel studierte an der Frauenkunstschule in Wien und danach bei Heinrich Lossow in München (dort war sie bereits in Ausstellungen vertreten). Zu Beginn der 1890er Jahre kehrte die Künstlerin nach Wien zurück, wo sie auch wiederholt ausstellte – so zum Beispiel im Künstlerhaus oder in der Secession. In der Zeit um 1900 favorisierte Charlotte Hampel, die bis dahin hauptsächlich Stillleben gemalt hatte, Dachlandschaften und von Bäumen und Wiesen umgebe Bauerhöfe als Darstellungsgegenstand. Sie konnte mit diesen Sujets den künstlerischen „Anforderungen“ der Jahrhundertwende bestens gerecht werden.

1897 heiratete sie den Maler Ferdinand Andri und beendete ihre Karriere als Malerin – offensichtlich nicht ganz freiwillig – jäh: nach 1900 war sie nicht mehr künstlerisch tätig.
Am 23. Dezember 1945 starb Charlotte Andri-Hampel in Totzenbach in Niederösterreich. Ein Konvolut ihrer Arbeit gelangte nach dem Nachlass ihres 1956 gestorbenen Mannes in den Besitz des Stadtmuseums St. Pölten. Die Malerin hinterließ Stillleben, Landschafts- sowie Genrebilder, außerdem fertigte sie Federzeichnungen und Schriftentwürfe für die Wiener Zeitschrift „Ver Sacrum“ an. 


Charlotte Andri-Hampels Werke sind bis heute Glanzpunkte der Jugendstilsammlung im Stadtmuseum St. Pölten.


Fotos © Stadtmuseum St. Pölten
Text: Büro für Diversität