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Kulturbezirk 5, 3100 St. Pölten, Niederösterreich, Austria
Seit 2011 gibt es den Museumsblog. Bis 31. Juli 2016 waren es Themen, die im Zusammenhang mit den drei Kernbereichen des Landesmuseum Niederösterreich (Geschichte - Kunst - Natur) standen. Mit 1. August 2016 wird das Landesmuseum zum Museum Niederösterreich und somit ist der Museumsblog unter neuer Adresse zu finden: www.museumnoe.at/de/das-museum/blog

31. Juli 2014

Frauenportrait # 24


 

 

# 24: Katharina Schratt – eine Karriere als Schauspielerin

Katharina Schratt in jungen Jahren
© UB Foto



Die Schratts waren eine angesehene Familie in Baden. Aus Konstanz war der 1773 geborene Großvater Katharinas Chrysostomos Schratt als junger Mann 1793 nach Wien gekommen, um an der Universität zu studieren. 1798 legte er seine Prüfung als Wundarzt ab, zwei Jahre später als Geburtshelfer. Als in Baden eine Chirurgen-Stelle frei wurde, bewarb er sich darum und ließ sich dort 1800 nieder. Sein Tätigkeitsbereich war umfangreich: Er versorgte nicht nur die Kranken in Baden und Umgebung, die Armen in der Wohltätigkeitsanstalt Mariazellerhof, sondern auch während der Napoleonischen Kriege die Soldaten im Lazarett, und half bei Tierseuchen auch als Tierarzt aus. Trotzdem fand er Zeit für medizinische Studien und verfasste u.a. auch eines der ersten Bücher, das sich mit der Heilkraft der Schwefelquellen in Baden auseinandersetzte.
Chrysostomos Schratt heiratete Rosalia Binz, die Tochter des Wiener Buchhändlers Johann Georg Binz, der zu den Gewinnern der josephinischen Reformen zählte. Während der Klosteraufhebungen hatte er um wenig Geld Bibliotheken der säkularisierten Klöster erworben und sie dann mit hohem Profit weiterverkauft. Er legte sein Vermögen u.a. in Immobilien an und erwarb zwei Häuser in Baden. Fünf Söhne brachte Rosalia Schratt zur Welt. Der älteste Sohn, Johann, übernahm die Buchhandlung des Großvaters in Wien. Anton Schratt (1804–1883), der mittlere Sohn, betrieb im Haus seines Vaters – heute Hauptplatz Nr. 22 – ein Geschäft mit Papier und Bürowaren. 1837 kaufte er Leopold Wallner das Haus Theresiengasse 1 (heute „Schratthaus“) ab. 1846 heiratete er dessen Tochter Katharina Wallner.
Katharina Wallner war am 22. Mai 1825 zur Welt gekommen. Ihr Vater Leopold Wallner war ein Drechslermeister, der aus Perlmutt und Elfenbein Schmucksachen anfertigte, die bei den Kurgästen beliebte Andenken waren. Weiters besaß er einen Gasthof. Seine Ehefrau holte er sich aus dem damals ungarischen Sauerbrunn. Sechs Kinder bevölkerten das Haus am Hauptplatz 8. Katharina war die zweitälteste. Ihr Vater, der auch Kommandant der „Städtischen-Feuerlösch-Vorrichtungen“ war, verunglückte bei einem Löscheinsatz 1841. Die Mutter starb 1845. Der frühe Verlust der Eltern war wohl ausschlaggebend dafür, dass sie den 20 Jahre älteren Freund der Familie, Anton Schratt, ehelichte. Auch sie schenkte sechs Kindern das Leben, allerdings überlebten nur drei davon. 1851 kam Heinrich zur Welt, der in Baden später einen Milchausschank betrieb und mit Rindern handelte. 1890 zog er mit seiner Familie nach Kärnten und ließ sich dort als landwirtschaftlicher Grundbesitzer nieder. 1853 kam Katharina zur Welt und als letztes Kind 1860 dann Rudolf Schratt, der mit seiner Schwester die Begeisterung fürs Theater teilte. Er studierte in Sachsen Maschinenbau und arbeitete dann in der Maschinenfabrik Escher & Wyß in Leesdorf bei Baden, später bei der Alpine Montangesellschaft. Seinen Ideen und Anregungen verdankt Baden die Sommerarena mit der fahrbaren Dachkonstruktion.
Katharina Schratt wuchs wohlbehütet von Eltern und Brüdern in einem gutbürgerlichen Haus auf. Die Familie gehörte zu den führenden Badens. Schon früh fühlte sie sich zum Theater hingezogen. Die Leidenschaft hatte sie wohl von ihrem Vater geerbt, der als junger Mann einmal selbst im Badener Stadttheater als Fürst Dagobert in dem Drama „Hermann, der Retter Deutschlands“ aufgetreten war. Über die Wünsche und Pläne seiner Tochter war er allerdings nicht erfreut. 1868 gab sie ihr „Bühnendebüt“ anlässlich einer Aufführung der „Dillettanten-Bühne“ Leobersdorf. Im Theaterstück „Eigensinn“ von Heinrich Benedix spielte sie das Dienstmädchen Lisbeth: In der lokalen Kritik hieß es: „… herzig im vollsten Sinn war Frl. Katharina Schratt als Lisbethchen, dem die Aufgabe zu Theil geworden, den Knoten des Stückes zu schürzen. Sie war wie geschaffen zu dieser Rolle, die wie auf den Leib geschrieben zu ihrer niedlichen Erscheinung paßte.“ Im selben Jahr spielte sie auch im Stadttheater Baden im Lustspiel „Zündhölzchen zwischen zwei Feuern“. Katharina wurde nun nach Köln in ein Pensionat „verschickt“. Dort sollten ihr die Flausen ausgetrieben werden. Viel Erfolg war dieser Aktion nicht beschieden. Nach nur wenigen Monaten kehrte sie ohne Schulabschluss nach Baden zurück. Ihr Wille war ungebrochen. Schließlich gab der Vater nach und erlaubte ihr, die Kierschnersche Theater-Akademie in Wien zu besuchen. 1872 schloss sie die Ausbildung ab, und drei Wiener Bühnen wollten sie gleich vom Fleck weg engagieren: das Burgtheater, das Stadttheater und das Carltheater. Sie entschied sich aber für Berlin: Das Königliche Schauspielhaus bot ihr ein Engagement als jugendliche Naive an. Am 6. April 1872 debütierte sie in Johann Wolfgang Goethes Schauspiel „Die Geschwister“. Während des Sommers gab sie Gastspiele in Enns und Baden. 1873 kehrte sie nach Wien zurück und spielte am Wiener Stadttheater, dem sie bis 1881 verbunden blieb. 1879 heiratete sie den ungarischen Konsularbeamten Nikolaus Kiss de Ittebe. 1880 trennte sie sich wieder von ihm; im selben Jahr wurde ihr Sohn Anton geboren.
Am 10. November 1883 erreichte Katharina Schratt das Ziel aller SchauspielerInnen dieser Zeit: Sie gab ihr Debüt am k. u. k. Burgtheater, damals noch im alten Haus am Michaelerplatz. Auf dem Spielplan stand das Schauspiel „Dorf und Stadt“. Die Zeitungskritiken waren durchwegs positiv, weniger positiv die Gedanken ihrer neuen Kollegen: So vermerkte Hugo Thimig in seinem Tagebuch wenig schmeichelhaft: „Sie ist, was man sagt, ein lieber Kerl. Gar zu jung nicht mehr. Einige dreißig. Ein tiefliegendes, rauhes Organ. Manchmal drollig. Keine Vertiefung und Innerlichkeit.“ 1887 erfolgte ihre Ernennung zur Hofschauspielerin. Obwohl ihre Stärke eher im komischen Fach lag und sie in Lustspielen sowie Volksstücken brillierte, findet sich ihr Name auch in den Besetzungslisten von Klassikern: So spielte sie z.B. die Lady Percy in Shakespeares König Heinrich IV., die Elisabeth von Valois in Schillers Don Carlos oder das Käthchen in Kleists Käthchen von Heilbronn. Nach Differenzen mit der neuen Burgtheaterführung kündige Katharina Schratt ihren Vertrag per 7. Oktober 1900 und ging im Alter von 47 Jahren „in Pension“.

Katharina Schratt als Maria Theresia
© UB Foto
Ein Jahr später wurde sie rückfällig und feierte im Theater an der Wien ein triumphales Comeback. Für wohltätige Zwecke spielte sie u.a. im „Meineidbauer“ von Ludwig Anzengruber. Felix Salten nutzte seinen Bericht über die Premiere zu einer Kritik am Burgtheater: „Frau Schratt spielt die Vroni in Anzengrubers Meineidbauer. Für österreichische Gestalten aus dem Volke besitzt das Burgtheater recht wenig Darsteller. Es wird im ersten Theater der Monarchie viel gesächselt, geschwäbelt, berlinert, aber wienerisch, österreichisch wird nicht gesprochen. Da war es gewiß sachlich nicht zu rechtfertigen, eine Frau ziehen zu lassen, die das seltene Element des ‚Kreuzbraven‘ so frisch verkörpert. Nun, da auch Nestroy seinen Einzug im Burgtheater gehalten, bleiben zur Verkörperung österreichischer Typen fast nur mehr Schwaben, Sachsen und Preußen.
Fast einen Eklat in der Wiener Theaterszene gibt es zwei Jahre später, als Katharina Schratt die Rolle der Maria Theresia im gleichnamigen Theaterstück von Franz von Schönthan verkörperte. Das Schauspiel sollte ursprünglich seine Premiere unter dem Titel „Die Kaiserin“ erleben. Das wäre dann doch zu provokant gewesen – denn seit 1886 war sie die „liebe, gute Freundin“ des Kaisers:

Über Katharina Schratt – die Vielgeliebte lesen Sie in der kommenden Woche.
Text: Dr. Elisabeth Vavra

Lit.:
Georg Markus, Katharina Schratt. Die heimliche Frau des Kaisers. Wien 1982.
Henriette Povse, Das Kochbuch der Familie Schratt. Kulinarische Geschichten aus Baden, herausgegeben von Rudolf Maurer, mit einem Beitrag von Manfred Ronge. Erfurt 2012.
Georg Markus, Es war ganz anders, Geheimnisse der österreichischen Geschichte. Wien 2013.
Katrin Unterreiner, Kein Kaiser soll uns stören. Katharina Schratt und die Männer. Wien-Graz-Klagenfurt 2014.

24. Juli 2014

Frauenportrait # 23

# 23: Catharina Regina von Greiffenberg – eine Dichterin der Barockzeit

 Es gehe, wie Gott will, in meinem ganzen Leben;
Es gehe, wie Gott will, auf dieser weiten Welt! 
 Denn alles, was Gott will, mir trefflich wohlgefällt;
Will auch, in was Gott will, mich williglich ergeben.

Catharina Regina von Greiffenberg
© Österreichische Nationalbibliothek
www.onb.ac.at
 1662 erschienen diese Zeilen in der Sammlung „Geistliche Sonette, Lieder und Gedichte“. Der genaue Zeitpunkt, wann Catharina von Greiffenberg diese Zeilen niederschrieb, ist leider nicht bekannt. Sie zeigen ihre tiefe Gläubigkeit und die Ergebenheit in ein Schicksal, das sie als von Gott auferlegt empfand. Wer war diese Frau?

Zur Welt kam sie am 7. September 1633 auf Schloss Seisenegg, im Gemeindegebiet von Viehdorf bei Amstetten gelegen. In Europa tobte der Dreißigjährige Krieg. Das Blatt hatte sich zugunsten der protestantischen Union gewendet. Schwedische Truppen hatten im Frühjahr Landsberg am Lech erobert und unter der Bevölkerung ein Blutbad angerichtet. Kurz danach schloss Schweden mit den protestantischen Reichsständen den Heilbronner Bund als Gegengewicht zur katholischen Liga. Der Vater Catharinas gehörte dem protestantischen Adel im Erzherzogtum unter der Enns an. Die Greiffenbergs gehörten nicht zu den alten Adelsfamilien; sie hatten sich als bürgerliche Juristen – damals hieß die Familie noch Lins-mayer – über hohe Regierungsämter „hinaufgedient“ und waren in den Landadel aufgestiegen. Der Großvater Catharinas hatte großen Grundbesitz erworben, u.a. die Herrschaft Seisenegg. Zu Reichtum kam er durch den Kauf einer Kupfergrube in Radmer bei Hieflau. Durch seine 37jährige Tätigkeit als kaiserlicher Rat kam er mit den führenden protestantischen Adeligen in Kontakt. Seit 1602 durfte er sich Edle von Greiffenberg nennen; in seinem Todesjahr 1608 wurde er in den Freiherrenstand erhoben.


Schloss Seisenegg, Kupferstich, Georg Matthäus Vischer,
1672 © IMAREAL, ÖAW

Sein Sohn Hans Gottfried von Greiffenberg, der Vater Catharinas, übernahm nach dessen Tod den Besitz. Eine Karriere bei Hof blieb ihm verwehrt, da sich die Stellung des protestantischen Adels im Reich zunehmend verschlechterte. Auf die Rolle eines Landadeligen beschränkt, kamen noch finanzielle Probleme hinzu, da sich die Hofkammer nicht in der Lage sah, die Darlehen, die der Kaiser bei den Greiffenbergs aufgenommen hatte, zurückzuzahlen. Dazu kamen Schwierigkeiten im Kupferbergwerk, das nahezu erschöpft war, und die zunehmend katastrophale wirtschaftliche Lage im Land nach Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges. Nach dem Tod seiner ersten Ehefrau 1626 hatte Hans Gottfried von Greiffenberg  wieder geheiratet; seine zweite Gemahlin – Eva Maria von Pranck zu Reinthal und Frondsberg – entstammte einem angesehenen steirischen Adelsgeschlecht. Sie schenkte zwei Töchtern das Leben, Catharina und der früh verstorbenen Anna Regina. Während ihrer ersten Schwanger-schaft erkrankte sie schwer und gelobte ihr Kind, falls die Geburt glücklich verlief, Gott zu weihen. Bereits 1641 verstarb der Vater auf dramatische Weise: Seine Tochter fand ihm vom Schlagfluss getroffen tot in seiner Kutsche vor, als er von einer Reise nach Seisenegg heim-kehrte. Ihr Onkel übernahm die Vormundschaft für die beiden Halbwaisen und kümmerte sich – allerdings mit wenig Erfolg – um die desolaten Finanzverhältnisse. Er sorgte auch für die Erziehung seiner beiden Nichten, die weit über das damals für Mädchen übliche Maß hinaus-ging. Catharina erhielt Unterricht in Latein, Französisch, Spanisch, Italienisch, Geschichte, Rechts- und Staatswissenschaften. Daneben übte sie sich in Singen, Tanzen, Malen, Reiten und Jagen. Eine weitere traumatische Erfahrung widerfuhr Catharina durch den plötzlichen Tod ihrer jüngeren Schwester 1651. Noch Jahre später beklagte sie deren Tod in ihren Briefen: Es war mein Herz und alle Gedanken mit ihr gen Himmel geflogen. Mein ganzes Leben war ein Todesverlangen, und mein bitterer Tod, dass ich wieder leben musste.  

Das ihr weiteres Leben prägende religiöse Durchbruchserlebnis wurde ihr anlässlich des Besuches einer Messe in Preßburg zuteil: Es ging ihr ein „Himmelslicht“ auf, wie sie ihre Erfahrung in späteren Schriften und Dichtungen beschrieb. Fortan wollte sie ihr Leben ganz in den Dienst der Verbreitung des protestantischen Glaubens stellen. Nach ihrer Heimkehr begann sie mit einem intensiven Studium theologischer, philosophischer und historischer Schriften. Zum Förderer ihrer Dichtkunst wurde Johann Wilhelm von Stubenberg, der auf der Schallaburg residierte. Mit ihm verband sie eine Seelenfreundschaft, die bis zu seinem Tod andauern sollte. Über ihn fand sie Zugang zu den führenden Nürnberger Dichtern Philipp Harsdörffer und Sigmund Birken, mit dem sie später auch einen regen Briefwechsel führte.

Noch vor ihrer Eheschließung hatte Catharina Aufnahme in den Kreis der „Istergesellschaft“ gefunden – Ister war die antike Bezeichnung für den Unterlauf der Donau. Es handelte sich dabei um einen Kreis kunstsinniger Adeliger, dem später auch Frauen – die Isternymphen – angehören durften. Wie ähnliche Zirkeln in Deutschland, etwa die „Fruchtbringende Gesell-schaft“, 1627 in Weimar gegründet, oder der „Pegnesische Blumenorden“, der sich 1644 in Nürnberg konstituierte, widmete sich die Istergesellschaft der Pflege kultureller und gesell-schaftlicher Kontakte. Prominente männliche Mitglieder waren Wolf Helmhard von Hohberg, der Verfasser der „Georgica Curiosa“, einem Werk der Hausväterliteratur, oder Georg Adam von Kuefstein, der auf Greillenstein residierte. Da in den erhaltenen Briefen und Schriftstücken meist aber nur Decknamen verwendet wurden, ist eine Identifikation nicht in allen Fällen möglich. Auch Damen der Wiener Hofgesellschaft gehörten diesen Kreisen an. Hier traf Catharina auf gleichgesinnte Angehörige des Adels und fand Freundinnen: Zu den engsten zählten die Gräfinnen Zinzendorf, eine Gräfin von Rantzau, eine Frau von Laßberg sowie Susanne Popp, die Tochter des Ennser Stadtrichters Priefer. Letztere war vermutlich eine Freundin seit Jugendtagen. Im Zuge der Gegenreformation und der um sich greifenden anti-protestantischen Stimmung schmolz die Istergesellschaft auf wenige Mitglieder zusammen. Ihre prominenten Vertreter gingen in die Emigration. Immerhin bildeten sie für Catharina zunächst in der Heimat, dann in der Fremde Stütze und Halt.

Trotz ihrer Bildung blieb Catharina gefangen in den Gepflogenheiten ihrer Zeit und ihres Standes: Als ihr Onkel sie trotz der nahen Verwandtschaft zur Frau nehmen wollte, konnte sie nur einige Jahre seinem Werben Widerstand entgegensetzen. Fragt man nach Gründen für sein Werben, so war dies zum einen sicher ein tiefes Gefühl, das er durch die Jahre für seine Nichte entwickelt hatte; zum anderen war sie eine standesgemäße Partie für einen in die Jahre gekommenen Landedelmann, und es war zu erwarten, dass ihr beginnender Ruf als Dichterin auch auf den Ehemann abfärben würde. So setzte er sich dafür ein, dass ihre ersten Werke, eine Sammlung von Andachtsgedichten unter dem Titel Geistlichen Sonette, Lieder und Gedichte 1662 im Druck erschienen. Schließlich gab sie seinem Drängen nach: 1664 heiratete sie ihren 25 Jahre älteren Onkel. Die Trauung fand in der Klosterkirche Frauenaurach bei Erlangen auf protestantischem Territorium statt; Schirmherr der Eheschließung war Markgraf Christian Ernst von Brandenburg-Bayreuth. In Österreich stand einer Ehe zwischen so nahen Blutsverwandten das katholische Kirchenrecht im Wege, während sich in der protestantischen Theologie kein ausdrückliches Verbot für eine solche Ehe fand. Die in Österreich nicht anerkannte Eheschließung hätte es eigentlich notwendig gemacht, dass das Ehepaar weiterhin auf protestantischem Gebiet ihren Aufenthalt nahm. Sie mussten allerdings nach Seisenegg zurück, um den Verkauf ihrer Güter voranzutreiben; Hans Rudolf von Greiffenberg wurde wegen der illegalen Eheschließung inhaftiert und erst durch Intervention des Kurfürsten von Sachsen wieder frei gelassen. Catharina interpretierte den neuerlichen Schicksalsschlag als göttliche Prüfung und Läuterung in Hinblick auf die ihr von Gott übertragene Aufgabe: die Bekehrung des Kaisers, seiner Familie und des gesamten Kaiserhofes zum einzig wahren, dem protestantischen Glauben.

Schloss Seisenegg © Elisabeth Vavra
Das Leben gestaltete sich nicht einfach. Der Gatte hielt sich zumeist in Radmer auf; Catharina lebte mit ihrer Mutter auf Seisenegg und hatte sich dort um den Gutsbetrieb zu kümmern. Ihre Probleme und Sorgen vertraute sie ihren Briefen an. Sie beklagte ihr Leben unter lautter boshafften Bauersleuthen, die mit Misstrauen ihre Gutsherrin bedachten. Jede Minute freier Zeit nutzte sie für ihre Dichtung; so lautet einer ihrer Briefe: Gegeben im Flachsfeld zu Preinsbach, den 7. August 1671 […] Ich schreib unter den Flachsziehern, die immer um etwas zu fragen und bitten haben, […]. Ablenkung von ihrer schwierigen Lage erfuhr sie bei den herbstlichen Vergnügungen des Adels, bei der Jagd, dem Vogelfang, bei Fischen und Reiten. Wenn ihr Gemahl anwesend war, führte er wohl ein offenes Haus. Allerdings behagten ihr seine rohen Tisch- und Saufkumpanen nicht sonderlich.

1675 starb ihre Mutter, zwei Jahre später ihr Gemahl. Schloss Seisenegg hatte noch ihr Gatte wegen der drückenden Schuldenlast an Matthäus Riß überschreiben müssen. Dieser verweigerte nun der Witwe den ihr zustehenden Erbanteil an der Kupfermine in Radmer auszuzahlen. Sie prozessierte gegen ihn; der Prozess zog sich über Jahre. War die Isolation schon vorher groß gewesen, so wurde sie nun zu einer erdrückenden Last. 1679 reist sie zu ihren Freunden nach Nürnberg; auf der Rückreise musste sie in Regensburg Aufenthalt nehmen, da in Wien die Pest ausgebrochen war. Hier begegnete sie ihren alten Freund Wolf Helmhard von Hohberg, dessen Einfluss es zu verdanken war, dass ihr nun zumindest das Erbgut ihrer Mutter in der Höhe von 5.500 Reichstalern ausgezahlt wurde. 1680 übersiedelte Catharina endgültig nach Nürnberg. Sie nahm Wohnung im Egidienhof und verbrachte dort im Kreis ihrer Freunde wohl die glücklichsten Jahre ihres Lebens. Sie starb am Ostersonntag des Jahres 1694 und wurde am St. Johannisfriedhof beerdigt.

Lit.: Heimo Cerny, Catharina Regina von Greiffenberg, geb. Freiherrin von Seisenegg (1633-1694), Amstetten 1983.

Weitere Infos zu Schloss Seisenegg und Catharina Regina von Greiffenberg finden Sie auch in der Geschichte-Datenbank des Landesmuseums: http://geschichte.landesmuseum.net/index.asp?contenturl=http://geschichte.landesmuseum.net/orte/ortedetail.asp___id=13631

Text: Dr. Elisabeth Vavra

16. Juli 2014

Frauenportrait #22

 

  #22: 21 Frauen – 21 Geschichten:

Aizheng Anna Anna Charlotte Dilschad Dorothea Eleonore Elfriede Erika Erika Ernestine Frieda Hedwig Herta Hildegard Ida Monika Rosa Sevil Vera Viktoria

Geburtsjahrgänge 1924-1953

Herkunftsländer: China, Kirgistan, Österreich und Türkei


Oma, tell me a story!“, lautete der Aufruf an unsere Großmütter anlässlich eines Oralhistory-Projekts im Fach Geschichte. An diesem Projekt waren 20 Schülerinnen und Schüler der 6c des Mary Ward Oberstufenrealgymnasiums im Alter von rund 16 Jahren und ihre Omas im Alter von 60 - 89 Jahren unter der Betreuung von MMag. Irene Kimberger beteiligt.
 


Collage
Im September 2012 wurde vom Landesmuseum Niederösterreich ein Schulprojekt für den Ausstellungsschwerpunkt „Frauenleben in Niederösterreich“ initiiert. Unsere Aufgabe dabei war es, die Lebensgeschichten unserer Großmütter zu recherchieren. Zunächst sollte jede/jeder SchülerIn ein Interview nach dem Motto „Oma, tell me a story“ führen, wobei das Hauptaugenmerk auf der Kindheit und Jugend der Großmütter liegen sollte.  Schon in dieser Phase kristallisiert sich heraus, dass die Geschichten sehr unterschiedlich sein würden. Manche Omas zögerten und waren es nicht so recht gewohnt, im Mittelpunkt zu stehen, andere wiederum freuten sich über das Interesse ihrer EnkelInnen und die Zeit, die sie dabei mit ihnen verbringen konnten.  Die Omas erzählten von ihrem harten Arbeitsleben, von ihrer Ausbildungszeit, von den Freuden und auch Leiden des Alltags. Sie kramten Fotos und andere teure Erinnerungstücke aus verborgenen Verstecken heraus. Einige Omas wagten sich sogar vor eine Kamera, um auf diesem Weg ihre Lebensgeschichten zu präsentieren.
Bei der weiteren Verarbeitung der Geschichten waren den Schülerinnen und Schülern keine Grenzen gesetzt. So wurden mit großem Engagement und  vielen kreativen Ideen – von Bildergalerien über Oma-Rap bis hin zu digitalen Präsentationen –  die Lebensgeschichten der Großmütter dokumentiert. Die Ergebnisse der Arbeiten waren sehr vielseitig, das Schlussresümee jedoch oft ähnlich: „Es war schön, Zeit mit meiner Großmutter zu verbringen.“ - „Ich habe viel Neues über meine Familie und damit über meine Wurzeln erfahren.“ - „Jetzt kann ich meine Oma erst wirklich verstehen!“
Im Juni 2013 wurden die Ergebnisse bei einem „Omafrühstück“ besprochen. Dabei bereiteten die Schülerinnen und Schüler ein köstliches Frühstück zu, das neben der Präsentation der Arbeiten in der Schulküche des Mary Ward Privatgymnasiums gemeinsam genossen wurde. Ein besonders Projekt, das allen Beteiligten noch lange in Erinnerung bleiben wird.
 

Text: MMag. Irene Kimberger

Das Projekt ist in der Ausstellung „Frauenleben in Niederösterreich“ noch bis 19. Oktober 2014 zu sehen.

10. Juli 2014

Sommerfrische im Museumsgarten


Endlich natürliche Sonne für unsere Tiere!


Smaragdeidechse, Foto: B. Gramm
Nach langen Überlegungen wo ein geeignetes Platzerl für unsere Tiere im Garten ist, haben wir nun endlich mit dem Aufbau von drei Freilandterrarien begonnen.
Derzeit sind Smaragdeidechsen und Babyschildkröten auf Sommerfrische.


Der Grund für diese Entscheidung ist natürlich die Optimierung der Haltung.    
Heimische Tierarten brauchen die Temperaturschwankungen wie sie bei uns normal sind um sich wohl zu fühlen. Eine wesentliche Rolle spielt auch das natürliche UV-Licht, es ist besonders wichtig für den Knochenaufbau und die Haut.

Die Tiere sind jetzt (Anfang Juli 2014) in ihrem neuen Sommerdomizil auf Sommerfrische und können im Museumsgarten bewundert werden.

☼ Wir wünschen uns einen langen schönen Sommer für unsere Tiere. ☼




Tierpflegerin Marlene beim Einsetzen der Smaragdeidechsen,
Foto: M. Schaar


Babyschildkröten auf Sommerfrische, Foto: M. Schaar


Information der Tierpfleger Marlene, Lisa und Peter

Frauenportrait #21




# 21 Frau Ava



Frau Ava Literaturpreis
www.frauavapreis.at

Die erste namentlich bekannte Dichterin in deutscher Sprache war eine Niederösterreicherin. Ihr Name ist erst seit etwa 150 Jahren bekannt. Sie verfasste fromme Dichtungen und nennt sich selbst am Schluss eines ihrer Gedichte, des „Jüngsten Gerichts“:
Diese Bücher dichtet die Mutter zweier Kinder, die deuteten ihr diesen Sinn. Viel Freude war unter ihnen. Die Mutter liebte die Kinder. Der eine schied von der Welt. Nun bitte ich euch alle, Arme und Reiche, wer auch immer diese Bücher lese, dass er seiner Seele Gnade wünsche für den einen, der noch lebt und sich auf verschiedenste Weise müht, dem wünscht Gnade und (auch) der Mutter, das ist Ava.“
Aus dem Gedicht erfährt man, dass sie von ihren zwei Söhnen theologische Belehrung erhielt und einer von ihnen bereits gestorben sei. Sonst ist allerdings nur wenig über sie bekannt.
Die Melker Annalen vermerken zum Jahr 1127 den Tod einer Inkluse Ava. Name und Todestag finden sich auch in den Klöstern Garsten, Klosterneuburg, St. Lambrecht und Zwettl verzeichnet, was darauf schließen lässt, dass diese Inkluse Ava eine bekannte Persönlichkeit war und ihr Wirken im Raum Niederösterreich anzusiedeln ist, möglicherweise in der Umgebung Melks. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind die Autorin der Dichtungen und die offenbar bekannte Inklusin ein und dieselbe Person, die, wie sich aus den biografischen Angaben der Dichterin ergibt, einst ein weltliches Leben geführt  und sich später ins Kloster zurückgezogen hat.
Inklusen waren fromme Frauen, die ihre Zellen in unmittelbarer Nähe kirchlicher Institutionen errichteten, angebaut an Pfarr- und Klosterkirchen und oft mit diesen durch ein Fenster verbunden, um der Liturgie zu folgen. Inklusen haben sich zur Zeit Avas auch bücherschreibend betätigt, möglicherweise lehrten sie sogar. Es war zudem keine Seltenheit, dass sich Frauen erst im höheren Alter einem Kloster als Inkluse anschlossen.
Nach einer wohl erst im 19. Jahrhundert entstandenen Tradition stand Ava in enger Beziehung zu Göttweig. Einer ihrer Söhne soll mit Hartmann, dem ersten Abt Göttweigs (1094-1114) ident gewesen sein, was allerdings bislang nicht bewiesen werden konnte. Auch das so genannte „Ava-Haus“ in Kleinwien (Avastraße 7), heute nicht mehr im Besitz des Stiftes Göttweig, in dem sie gelebt haben soll, und der steinerne „Ava-Turm“, in dem sie angeblich starb, entstammen wohl eher einer romantischen Tradition.

Institut für Realienkunde
Ava verfasste Bibeldichtung: Sie beginnt ihren Gedichtzyklus dem Kirchenjahr folgend mit „Johannes“, der Geschichte des Täufers von der Geburt bis zur Enthauptung, gefolgt vom „Leben Jesu“ von der Geburt bis zur Passion, Auferstehung und Himmelfahrt , wobei neben den biblischen Berichten auch zeitgenössische Gedanken der Alltagsreligiosität Niederschlag fanden. Der das „Leben Jesu“ abschließende Teil nennt sich „Die sieben Gaben des Heiligen Geistes“ und setzt, ausgehend vom Pfingstgeschehen, diese sieben Gaben mit den sieben Seligpreisungen in Verbindung. Mitunter wird dieses Gedicht auch als eigenes ausgewiesen. Im „Antichrist“ schildert Ava die Zukunftsvision von der Herrschaft des Antichristen, mit der Wiederkunft Christi und dem Weltgericht im „Jüngsten Gericht“ schließt ihr Werk, das insgesamt 3.400 Verse umfasst.
Der Inhalt ihrer Dichtungen zeigt sie als welterfahrene Frau, die versucht, dem Laienpublikum geistliche Lebensorientierung zu vermitteln. Die Vorstellungen von einem gottgefälligen Leben, die sie den Leserinnen und Lesern nahe zu bringen versucht, sind voller realitätsbezogener Anspielungen, wirken lebensnah und zeigen die Dichterin als Frau, die Stärken und Schwächen ihrer Mitmenschen richtig einzuschätzen wusste.

Avaturm, Foto: E. Vavra
Die Erinnerung an die erste deutsche Dichterin ist bis heute sehr lebendig geblieben. Die „Frau Ava Gesellschaft für Literatur“ mit dem Sitz in Paudorf bei Göttweig hat sich zum Ziel gesetzt, die Erforschung ihres Werkes weiter zu fördern. In Erinnerung an sie wurde ein „Frau Ava Literaturpreis“ (www.frauavapreis.at) ausgeschrieben, der seit 2003 an Schriftstellerinnen vergeben wird, die sich in einem Prosatext auf neuartige und innovative Weise in Sprache und Form mit Themen im Spannungsfeld von Spiritualität, Religion und Politik auseinander setzen. Den Preisträgerinnen wird eine vom Paudorfer Künstler Leo Pfisterer entworfene Ava-Statuette sowie ein Geldpreis verliehen. Die Preisträgerinnen bis heute waren 2003 Irma Krauß („Der Verdiener“), 2005 Elisabeth Ebenberger („Reigen unseliger Geister“), 2007 Karin Bruder („Servus“), 2009 Marjana Gaponenko („rosa canina“), 2011 Ruth Johanna Benrath („Wimpern aus Gras“) und 2013 Corinna Antelmann („Maja hasst Bienen“).

Text: Dr. Elisabeth Vavra

9. Juli 2014

Flotte Wildbienen

Eine Wildbiene tummelt sich im zeitigen Frühjahr auf
einem Weidenkätzchen, Foto © Natur im Garten / J. Brocks
Wildbienen sind zumeist Einzelgänger, das heißt, viele Arten leben solitär und bilden keine Staaten. Sie sind wichtige Bestäuber und fliegen mitunter schon bei niedrigeren Temperaturen als die Honigbienen. Ohne ihnen würde viele Obstbäume keine Früchte tragen.
Wildbienen werden durch ein vielfältiges Angebot an heimischen und ungefüllten Blütenpflanzen in den Garten gelockt. Optimal wäre ein lückenloses Blütenangebot vom Frühjahr bis zum Herbst. Eine Kombination aus Blumenwiesen, Staudenbeeten, einem Kräuterrasen, (Obst-)Bäumen und Sträuchern trägt dazu bei.

Nisthilfen


In einem geschützen Nistkasten verbringen die Wildbienen
den Winter Foto © Natur im Garten / A. Haiden
Wildbienen nisten je nach Lebensweise zum Beispiel in Hohlräumen (Pflanzenstängel, morsches Holz, Schneckengehäuse) oder nutzen offene Boden- oder Steilflächen für ihre Nistgänge.
Ein Nützlingshotel, befüllt mit hohlen Stängeln von Schilf oder Stauden und Hartholzklötzen mit Bohrlöchern, bietet einigen Wildbienenarten eine künstlich geschaffene Möglichkeit zur Eiablage.
Der Standort entscheidet über die spätere Besiedelung, Nützlingshotels für Wildbienen sollten daher sonnig und wettergeschützt angebracht werden.
Alternativ dazu können die Stängel auch in Blechdosen gefüllt werden. Wichtig ist, dass diese leicht schräg aufgehängt werden, damit sie nicht feucht werden. Die Stängel werden auf 10 bis 20cm eingekürzt und mit den Knoten nach hinten in das Nützlingshotel oder die Blechdosen gelegt.
Ein Nützlingshaus aus Dosen ist schnell selbst hergestellt und kann
nach Belieben gestalten werden, Foto © Natur im Garten / S. Kropf
Auch aus Ton lassen sich attraktive Nisthilfen modellieren. In den Ton werden Löcher mit einem Durchmesser von 2 bis 8mm gebohrt und die Ränder anschließend gesäubert. Wird der Ton gebrannt, können die Objekte anschließend zum Beispiel in Obstbäumen aufgehängt werden, ansonsten ist ein Regenschutz erforderlich.

Wie kann man den Wildbienen noch helfen?

Ein ausreichendes Blütenangebot ist wichtig für die Ernährung
der erwachsenen Wildbienen, Foto © Natur im Garten / A. Haiden
Bieten Sie kleine Entnahmestellen für feuchten Lehm oder Sand an, den die Tiere zum
Nistbau verwenden können.
Achten Sie auf ein ausreichend großes Angebot an ungefüllten Blüten.
Natürliche Niströhren finden Wildbienen und andere Insekten in den hohlen Stängeln von Stauden und Gräsern. Deshalb sollte das Abräumen der Staudenbeete nicht im Herbst stattfinden, sondern nützlichen Tieren zuliebe auf das Frühjahr verschoben werden.
Deshalb sollten auch die Röhren in den Nützlingshotels nicht ausgeputzt und gesäubert werden, da die Tiere darin überwintern.
Weitere Informationen gibt es beim
„Natur im Garten“ Telefon 02742/74 333
und unter
www.naturimgarten.at

3. Juli 2014

Frauenportrait #20




#20 Ursula (Julia) Ledóchowska - eine Heilige aus Niederösterreich 

 

 

Der Ambrosi-Schüler Carlo Wimmer schuf
die Statuen der beiden Schwestern (Detail).
Pfarrkirche Loosdorf, Foto: E. Vavra
Die Grafen Ledóchowski waren ein Adelsgeschlecht, das einst dem polnischen Hochadel angehörte. Nach dem Ende des polnischen Königreiches erwarben sie die erbliche österreichische Grafenwürde und stellte fortan ihr Wirken in den Dienst der Habsburgermonarchie. 1843 erwarb der k. k. Kämmerer Anton August Graf Halka Ledóchowski das Schloss Sitzenthal bei Loosdorf und siedelte sich dort mit seiner ersten Gemahlin, einer Gräfin Seilern, an, die drei Söhnen das Leben schenkte. Nach ihrem Tod  heiratete er Gräfin Josephine Salis-Zizers. Sie gebar ihm fünf Kinder, unter ihnen 1863 Maria Theresia, die die Petrus-Claver-Sodalität gründete, 1865 Julia und ein Jahr später Wladimir, der von 1915 bis 1942 Ordensgeneral des Jesuitenordens werden sollte. Der Onkel der Kinder Mieczysław Halka Ledóchowski war Erzbischof von Gnesen und Posen und später Kardinal und Präfekt der Kongregation zur Verbreitung des Glaubens in Rom.

Durch den Wiener Börsenkrach 1873 verlor die Familie den Großteil ihres Vermögens. Sie musste ihren Ansitz verkaufen und zog nach St. Pölten. Maria Theresia und Julia gingen gemeinsam bei den Englischen Fräulein zur Schule. Der Vater kränkelte und wollte zurück in die alte Heimat Polen. So zog die Familie 1883 nach Lipnica in Galizien in der Nähe von Krakau, damals Bestandteil des Kaisertums Österreich.

Hl. Ursula als 15-jähriges Mädchen,
Foto: Sanktuarium
św. Urszuli Ledóchowskiej
Zwei Jahre nach der Übersiedlung starb Graf Ledóchowski; zuvor hatte er noch seiner Tochter Julia die Erlaubnis erteilt, ihrer Berufung zu folgen und in den Orden der Ursulinen einzutreten. Dies tat sie dann 1886 und nahm den Ordensnamen Ursula nach der Gründerin des Ordens an. Am 28. April 1889 legte sie die ewigen Gelübde ab und war in der Folge als Lehrerin und Erzieherin in der Ordensniederlassung in Krakau tätig, wo sie 1904 zur Oberin des Klosters gewählt wurde. In Petersburg gründete sie ein Internat für polnische Studentinnen, weil sie vom Pfarrer der St. Katharinen-Kirche, dem Monsignore Konstantin Budkiewicz, darum gebeten worden war, 1907 dann ein Ursulinenkloster in Petersburg und ein gleiches in Sortavala in Finnland. Hier nahm sie auch ökumenische Kontakte und übersetzte den Katechismus ins Finnische, ebenso ein religiöses Liederbuch. Für arme Fischer und deren Familien gründete sie ein Ambulatorium, das kostenlos den Kranken half.

Der Ambrosi-Schüler Carlo Wimmer schuf
die Statuen der beiden Schwestern.
Pfarrkirche Loosdorf, Foto: E. Vavra

Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs machte einen weiteren Aufenthalt im Land des Kriegsgegners unmöglich. Schwester Ursula ging nach Stockholm und gründete dort eine Mädchenschule und ein Waisenhaus für Kinder polnischer Emigranten. Sie setzte sich für eine zukünftige polnische Unabhängigkeit ein, indem sie während der Kriegsjahre 1915 bis 1918 in den skandinavischen Ländern mehr als 80 Konferenzen abhielt, auf denen sie über Kultur, Literatur und Geschichte des polnischen Volkes sowie über sein Recht auf Freiheit, Unabhängigkeit und staatliche Selbständigkeit sprach. Sie unterstützte das vom Nobelpreisträger Henryk Sienkiewicz in der Schweiz gegründete Komitee zur Hilfe für polnische Kriegsopfer.

Das Wiedererstehen Polens ermöglichte ihr die Rückkehr in die Heimat. Dank der finanziellen Hilfe des norwegischen Konsuls in Dänemark Stolt-Nielsen kaufte Mutter Ursula in Pniewy bei Posen ein Grundstück mit zwei Villen, wo das Mutterhaus des neu gegründeten ursulinischen Zweigs entstand. Sie kam 1920 aus Skandinavien direkt nach Pniewy (Mehr zum Sanktuarium in Pniewy: http://sanktuarium-pniewy.pl/de/geschichte-des-sanktuariums). Bald zeigte sich jedoch, dass ihre Interessen und ihre Ziele, entwickelt in den Jahren des Exils in Skandinavien, sich von denen des Ordens unterschieden. Richtete sich dieser an ein bürgerliches Publikum, so lagen ihr und ihren Mitschwestern aus St. Petersburg die Ärmsten der Armen am Herzen. So trennte sich Ursula Ledóchowska mit ihren Schwestern im Einverständnis mit dem Heiligen Stuhl in Rom vom polnischen Ursulinenorden und gründete den selbständigen Zweig der „Ursulinen von dem Todesangst leidenden Herzen Jesu“ („Orsoline del Sacro Cuore di Gesú Agonizzante“, in Polen „die grauen Ursulinen“ genannt). 1923 erhielt die Ordenskongregation probeweise die kirchliche Approbation, 1930 bereits die definitive. Als die Gründerin am 29. Mai 1939 in Rom 74jährig starb, zählte die Ordenskongregation bereits mehr als 777 Mitglieder in 35 Klöstern. Heute sind es 95 Niederlassungen in Finnland, Frankreich, Italien, Polen, Brasilien, Kanada und seit 1980 auch in der Bundesrepublik Deutschland. Die Grauen Ursulinen widmen sich vor allem der christlichen Erziehung und Armenfürsorge.

Hl. Ursula mit Kindern in Frankreich (Ucel),
Foto: Sanktuarium św. Urszuli Ledóchowskiej
Der Leichnam der Ordensgründerin wurde in Rom beigesetzt. 1989 wurde er von Rom nach Pniewy überführt. 1983 wurde Mutter Ursula von Papst Johannes Paul II. selig- und am 18. Mai 2003 heiliggesprochen. Der liturgische Feiertag der Heiligen Ursula wird am 29. Mai begangen.

Text: Dr. Elisabeth Vavra