Zwiebel © thinkstock |
Die Küchenzwiebel – Allium cepa L. – spielt nicht nur in den Kochtöpfen als Gewürz oder Gemüse eine wichtige Rolle. Sie ist überdies reich an medizinisch wirksamen Inhaltsstoffen: Sie wirkt antibakteriell, senkt den Blutdruck, den Blutzucker und verbessert die Blutfette; sie macht das Blut dünnflüssiger und wirkt antiasthmatisch. Äußerlich kann man ihren Saft gegen Insektenstichen und Furunkeln anwenden. Umschläge mit gehackter Zwiebel wirken auch sehr gut bei Blutergüssen.
Diese vielfältige Wirkweise ist sicher ein Grund dafür, dass der „Verband der Heilkräuterfreunde Deutschlands“ gemeinsam mit dem „Verein zur Förderung der naturgemäßen Heilweise nach Theophrastus Bombastus von Hohenheim“ die Küchenzwiebel zur Heilpflanze des Jahres 2015 wählte.
Wo die Vorfahren der Küchenzwiebel beheimatet waren, wissen wir nicht genau. Man nimmt Mittelasien oder Afghanistan an; die nächste Verwandte unserer Küchenzwiebel wächst heute in Turkmenistan und im Iran. Seit mehr als 5.000 Jahren wird die Küchenzwiebel als Heil-, Gewürz- und Gemüsepflanze kultiviert. Sie ist damit eine der ältesten Kulturpflanzen der Menschheit. Mit Zwiebeln wurden die Arbeiter beim Pyramidenbau in Ägypten bezahlt; Zwiebeln gab man den Toten auf die Reise ins Jenseits mit; so fanden sich Zwiebel im Grab Tutanchamuns. Beim Auszug aus Ägypten beklagten die Israeliten ihre Entbehrungen, sie sehnten sich nicht nur nach den Fleischtöpfen Ägyptens, sondern auch nach „Gurken und Melonen, Lauch, Zwiebeln und Knoblauch“ (4 Moses 11). Auch bei den Römern waren Zwiebeln bei der einfachen Bevölkerung ein Grundnahrungsmittel. Römische Legionäre sorgten für ihre Verbreitung in Mitteleuropa. Ab nun fehlten Zwiebeln in keinem Koch- und Arzneibuch mehr.
Im ältesten erhaltenen Buch der Klostermedizin – im Lorscher Arzneibuch, um 795 in lateinischer Sprache im Kloster Lorsch bei Worms niedergeschrieben – werden Zwiebeln als Heilmittel „gegen die Fäulnis des Mundes, der Zunge und des Gaumens sowie zur Behandlung von Zahnfleisch, welches vom Leibessaft zerfressen wird“ eingesetzt; man verwendet sie äußerlich gegen Knoten und Schmerzen in den Brüsten. Gegen Furunkel und Karbunkel legte man Zwiebeln, die man vorher in Asche geröstet und mit Honig vermischt hatte, als Pflaster auf die betroffene Stelle auf.
Ausführlich beschäftigen sich die Kräuterbücher der frühen Neuzeit mit der Zwiebel: lassen wir wieder einmal Leonhart Fuchs mit seinem 1543 erschienenen Kräuterbuch zu Wort kommen:
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Die Zwibel haben bletter fast wie der Lauch / inwendig hol / jre stengel oder rhör seind rund / die gewinnen an den gipffeln runde köpfflin mit dünnen weissen heütlin überzogen / die brechen mit der zeit auff / unn kriechen die bleychweisse gestirnte blümlin vil neben einander getrungen herfür. Sölch blümlin werden zu kleinen knöpfflin oder böllin / in deren yedem seind zwey oder drey schwartz eckete körnlin verschlossen. Die wurtzel ist rund wie ein kleins köpfflin / auß vilen dünnen schelfen oder heütlin zusamen gesetzt / die aller außwendigsten aber seind gantz zart unnd rotlecht. An disem köpfflin hangen zu öberst kleine weisse zaseln wie das har. […]
Die krafft und würckung.
Die langen Zwibel seind scherpffer dann die runden / die roten mehr dann die weissen / die dürren dann die grünen / die rowen dann die gesotten. Doch beissen allerley Zwibel / machen bläst / oder wind / reytzen zu essen / zerteylen / machen durst / und reynigen. Sie lindern den stulgang. So man sie schelet unnd in öl legt / darnach zäpfflin darauß macht / und in den affter thut / so eröffnens die gulden oder rosen ader. Der safft vonn Zwibeln außgetruckt / mit hönig vermischt und in die augen gethon / macht lautere augen / vertreibt die fäl / und den anfang des starns. Er bringt den frawen jre kranckheyt in die weiblich scham gethon. Reyniget das haupt in die nasen gethon. Zwibel safft mit saltz / rauten / und hönig vermischt / ein pflaster darauß gemacht und übergelegt / ist ein köstlich artzney zu den wunden / so von unsinnigen hunden seind gebissen. Der safft mit essig vermengt / und an der sonnen angestrichen / vertreibt die weissen unnd schwartzen masen am leib. Gedachter safft mit hennen schmaltz vermischt / ist nützlich denen so die schuch getruckt haben / ein sälblin darauß gemacht. Der safft in die ohren gethon / bringt das gehör / und nimpt das sausen im kopff. Er macht das har widerumb wachsen / so man das haupt darmit reibt. Der Zwibel so er zuvil würt in der speiß gebraucht / macht er weetagen des haupts. So er wol gesotten ist / treibt er den harn. In den kranckheyten zuvil gessen / auch gesotten / bringt er mit sich ein starcken schlaff. Mit kleinen weinbeerlin und feigen zerstossen und übergelegt / zeitiget er / und bricht die geschwär. Der Zwibel zerteylt die groben zähen flüß im leib.“
(zitiert nach: http://www.waimann.de/capitel/163.html#Abb_241)
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Text: Prof. Dr. Elisabeth Vavra