Im Wald wackeln die Steine
„Mein Waldviertel“, herausgegeben von Wolfgang Kühn, rezensiert von Gerhard Hintringer
Buch "Mein Waldviertel" von Wolfgang Kühn |
Denke ich an das Waldviertel, fallen mir Kälte, Nebel, Granit und Bäume ein, die sanften Hügel des Südens und die Schroffheit des Nordens. Und die erstaunliche Dichte an Intellektuellen und Kunstschaffenden, die dort anzutreffen ist. Das mag mehr mit abgeschiedenem Rückzugsgebiet zu tun haben, als mit einfachem Leben und Mängeln in der Infrastruktur.
Anders als im Band „Mein Mostviertel“ (zu finden unter http://www.landesmuseum.blogspot.co.at/2015/07/drunten-im-keller-plaudert-der-most.html), wo beispielsweise die Berge gänzlich vernachlässigt werden, kommen hier alle Ecken des Viertels zu literarischen Ehren. Von Gmünd im NW, Krems im SO, Drosendorf in NO und dem Ostrong im SW. Mella Waldsteins diagonaler „Wandermonolog“ auf der Suche nach dem „echten Waldviertel“ ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür.
Eine einheitliche Charakteristik für das Waldviertel kann es nicht geben, man vergegenwärtige sich nur die Unterschiede zwischen Moorlandschaft und Weinberg. Landschaften prägen nun einmal den Menschenschlag und umgekehrt. Einige Gemeinsamkeiten sind aus den Texten dennoch herauszulesen. Im Waldviertel sind die Menschen hilfsbereit (ohne gegenseitige Hilfe ist man dort vermutlich auch ziemlich aufgeschmissen) und freundlich (sogar Leute mit Wiener Autokennzeichen sollen schon zurückgegrüßt worden sein). Auch einige Rekorde kann das Waldviertel verzeichnen: die billigsten Bauplätze in Ludweis-Aigen, das größte Lagerhaus weltweit in Zwettl (das habe ich nicht überprüft, sondern einfach geglaubt) und den größten Truppenübungsplatz Mitteleuropas als Zentrum des Viertels.
Für Esoteriker ist es ein Zauberland, ein mythengetränkter Landstrich, wo hinter jedem Wackelstein, hinter jeder Fichte ein Troll hockt. Man denke nur an die geradezu unendlichen Möglichkeiten des Bäume-Umarmens und die unübersichtliche Anzahl an „Kraftplätzen“, die sich auch als UFO-Tankstellen bestens eignen. Die kultigen Wackelsteine sind übrigens Restlinge und keine Findlinge.
„So schön ruhig ist´s hier“, ist freilich nur ein schwacher Trost für Dörfer ohne Gasthaus und Geschäft, Bahnstationen ohne Züge. Für Liebhaber einsamer Fahrten in Bussen mit gesprächigen Chauffeuren ist es hingegen das Paradies. Das Beste wird aber sein, das Buch zu lesen, sich Anregungen zu holen und sich selbst ein Bild zu machen.
Linde Wabber - Atelier Bodo Hell |
Illustriert wurde der Band von Linde Waber, die in Wien, Zwettl und auf Reisen lebt, wie sie schreibt.
Autorinnen/Autoren:
Wolfgang Kühn |
Wolfgang Kühn ist Mitbegründer des Festivals „Literatur & Wein“, des Unabhängigen Literaturhaus Niederösterreich (ULNÖ), der Literaturzeitschrift „DUM – Das ultimative Magazin“ und Stimme der Formation „Zur Wachauerin“.
Das Buch ist im gut sortierten Buchhandel und im Shop des Landesmuseums erhältlich. Es kostet 22 Euro, ISBN 978-3-902717-20-7, 288 Seiten, geb. mit Schutzumschlag
Links
www.literaturedition-noe.at, Email: noe-literaturedition@noel.gv.at
http://boesze.klingt.org
www.bodohell.at
www.schreibwerkstatt.at
www.gabrielepetricek.at
www.thomas-sautner.at
www.lindewaber.com
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Drunten im Keller plaudert der Most
Mein Mostviertel – Anthologie, herausgegeben von Wolfgang Kühn
Eine Rezension von Gerhard Hintringer
Eine Rezension von Gerhard Hintringer
Mit „Mein Mostviertel“ legt Wolfgang Kühn nach „Mein Waldviertel“ (Rezension folgt) die zweite Anthologie zu den Vierteln Niederösterreichs vor. Er versammelt 19 Autorinnen und Autoren und gesteht in seinem einleitenden „Versuch über das Mostviertel“, von jenem keine Ahnung zu haben. Dafür ist das Buch exzellent gelungen. Den Most hat der Herausgeber jedenfalls gefunden, das dazu gehörige Viertel befindet sich nun auch zwischen zwei Buchdeckeln. Die Beiträge folgen dem Alphabet, beginnend mit Zdenka Becker, abschließend mit Michael Ziegelwagner.
Die Zugänge zum Mostviertel sind vielfältig wie das Mostviertel selbst. Meist ist das Viertel mehr als eine schöne Landschaft mit dem Mostkrug als Wahrzeichen, durchschnitten von der Westautobahn, der Donau als Demarkationslinie und Vierkanthöfen als „Bauernburgen“. Die Kulturlandschaft Mostviertel ist aber vor allem eine innere Landschaft, Mostviertlerblut ist schließlich kein Birnensaft. Persönliche Erinnerungen aus Kindheit und Jugend mit dem je eigenen Kolorit spielen in vielen Texten die zentrale Rolle. Damit auch die Angst, dass sie einem nicht einmal selbst gehören. Die Frage, ob das Mostviertel wegen des Mosts so heißt oder der Most wegen des Viertels, muss offen bleiben. Oder ist es gar der Superlativ des englischen much: most, das Meistviertel?
Da können Sprachbarrieren schon einmal dazu führen, dass vergorene Dirndlfrucht und Kleidungsstück nicht mehr scharf zu trennen sind, aber wie lautet das Angebot der Mostviertler Bevölkerung an die gebürtige Tschechin Zdenka Becker: „Wenn du mit uns viel sprechen, dann du gut Deutsch lernen.“ Was soll da noch schiefgehen? Dort, wo Traktoren groß wie indische Elefanten sind, ist Pixendorf, von Leipzig mit der Bahn sehr leicht erreichbar, wie zu lesen ist. Bequemer ist allerdings die Lektüre der Texte, was hiermit wärmstens empfohlen wird, auch wenn der Mostviertelbezug nicht immer gleich deutlich wird. Dass Schreibende einzig in der Sprache beheimatet sein sollen, scheint mir nicht mehr so gewiss.
Das Titelzitat stammt von Herbert Pauli.
Autorinnen/Autoren: Zdenka Becker, Fabian Faltin, Thomas Havlik, Hermann Niklas, Herbert Pauli, Martin Pollack, Martin Prinz, Barbara Pumhösel, Hans Raimund, Evelyn Schlag, Julian Schutting, Maria Seisenbacher, Cornelia Travnicek, Erwin Uhrmann, Manfred Wieninger, herbert j. wimmer, Magda Woitzuk, Gerhard Zeillinger und Michael Ziegelwagner.
Wolfgang Kühn ist Mitbegründer des Festivals „Literatur & Wein“, des Unabhängigen Literaturhaus Niederösterreich (ULNÖ), der Literaturzeitschrift „DUM – Das ultimative Magazin“ und Stimme der Formation „Zur Wachauerin“.
Das Buch ist im gut sortierten Buchhandel und im Shop des Landesmuseums erhältlich. Es kostet 22 Euro, ISBN 978-3-902717-28-3, 320 Seiten, geb. mit Schutzumschlag
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Blick ins Land
(18.
März
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Februar
2012)
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