Eine Spurensuche im Biedermeier
Was mag wohl Eduard Gurk (1801-1841), der Biedermeiermaler, empfunden haben, als er 1833 im Gefolge Erzherzog Ferdinands wallfahrten ging und die „mahlerische Reise von Wien nach Maria Zell in Steyermark“ in 40 Aquarellen festhielt, „aufgenommen nach der Natur“? Wir wissen es nicht. Die Fotografie steckte noch in sehr kleinen Kinderschuhen, so wurde ein malender Chronist als Hofberichterstatter engagiert. Heute wäre vermutlich ein Seitenblicke-Team mit Kamera fixer Bestandteil eines solchen Ausflugs mit prominenten Teilnehmern.
Gut 180 Jahre später machte sich das Team Öffentlichkeitsarbeit & Kommunikation des Landesmuseums, also Monika Schaar-Willomitzer und ich, auf den Weg, Spuren zu suchen, zu finden und einige Stationen fotografisch aufzunehmen. Die Fotografie hat sich zwischenzeitlich ganz gut entwickelt, das Aquarellbild ist hingegen etwas in den Hintergrund getreten. Was das Wetter betrifft, dürften die Wallfahrer einst mehr Glück gehabt haben, jedenfalls ist Kaiserwetter dargestellt. Wir mussten unsere Fahrt witterungsbedingt mehrmals verschieben. Der Sommer ist auch nicht mehr, das, was er einmal war.
Blick gegen Türnitz, Foto: M. Schaar |
Das Danken ist des Pilgers Lust
Pilgerreisen hängen oftmals mit dem inneren Drang zusammen, Bitte oder Danke sagen zu wollen oder gar zu müssen. So war es auch im Fall des frommen Thronfolgers. Wir hingegen waren neugierig zu erfahren, was der Zahn der Zeit angerichtet oder übriggelassen hatte.
Der nachmalige Kaiser, den sie den Gütigen nannten, war im Jahr zuvor nach einem Schussattentat recht glimpflich davongekommen. Vermutlich wird’s ein blauer Fleck gewesen sein, der allerdings zu schwerer Krankheit führte, von der er schließlich wundersam genas. Also gelobte er, sich bei der Magna Mater Austriae zu bedanken. Man veranschlagte zwei Tagesreisen von der Spinnerin-am-Kreuz an der Triester (Reichs-)straße in Wien-Favoriten nach Mariazell im Steirischen mit einer Übernachtung in Wienerbruck. Gut 120 km in der sechsspännigen Kutsche, wir sind mit dem Auto herumgegurkt, haben aber nicht übernachtet.
Das Tiroler Landesmuseum „Ferdinandeum“ ist übrigens nach ihm benannt, aber das hat nichts mit der Wallfahrt zu tun.
Das Tiroler Landesmuseum „Ferdinandeum“ ist übrigens nach ihm benannt, aber das hat nichts mit der Wallfahrt zu tun.
Annaberg, Blick gegen den Ötscher © Land Niederösterreich, Landessammlung Niederösterreich, Eduard Gurk, 1833 |
aktuelle Ansicht von Annaberg, Foto: M. Schaar |
Reisen, erfinden, regieren, abbrennen
Wir schreiben das Jahr 1833. Charles Darwin hält sich zu Forschungszwecken in Südamerika auf, Samuel Morse baut den ersten Telegrafen und in der Wiener Hofburg residiert Kaiser Franz I., sein Geschäftsführer als Staatskanzler ist Fürst Metternich. Polizeistaat, Zensur und Bespitzelung prägen die Zeit des Vormärz, die damals noch nicht so geheißen hat. Ihr verdanken wir subversive satirische Literatur und das große Zeitungsangebot in traditionellen Wiener Kaffeehäusern. Zeitungen konnte der Biedermeier-Untertan nur abonnieren, da war es unverdächtiger, sie bei Kaffee und Likör auswärts zu konsumieren. Bespitzelung ist uns heute aus dem weltweiten Web auch nicht ganz fremd.Auch auf und abseits der Pilgerroute ging es heiß her. Nur fünf Jahre vor der „mahlerischen Reise“ wurde Mariazell ein Raub der Flammen, offensichtlich ging der Wiederaufbau aber zügiger vonstatten, als das heute der Fall wäre. Die letzte Restaurierung beanspruchte 15 Jahre. Eduard Gurk malte eine völlig intakte Basilika, innen wie außen frisch gestrichen. Einige Postmeilen abseits vom Weg brannten im Jahr 1833 Teile der landesfürstlichen Stadt St. Pölten nieder. Beim achtlosen Speckauslassen in einem Wirtshaus fing das Schmalz Feuer, das Ledererviertel ging in Flammen auf, Kreisamt und Bürgerspital verwandelten sich in Brandruinen.
Eduard Gurk starb übrigens 1841, erst 40jährig in Syrien, Kaiser Ferdinand ging 1848 in Pension.
Text: Gerhard Hintringer
Fotos: Monika Schaar-Willomitzer
Nach dem Serienstart werden hier in loser Folge während der Ausstellung ausgewählte Stationen vorgestellt und die Aquarelldarstellung von Gurk mit der fotografierten Situation von heute verglichen.
Sonderausstellung „Malerische Wallfahrt nach Mariazell in Aquarellen von Eduard Gurk“
(26.10.2014 bis 22.3.2015)
Eröffnung: Sa, 25. Oktober 2014, 16 Uhr
Link zum Beitrag der Wiener Zeitung vom 19. März 2015:
http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/kultur/museum/740504_Rettung-eines-Guetigen.html