Hildegard Joos - Pionierin des österreichischen Konstruktivismus
Hildegard Joos © Slg. Gertraud und Dieter Bogner |
Das Frühwerk der österreichischen „Grande Dame“ der geometrisch-abstrakten Malerei war gemäß dem zur Nachkriegszeit gängigen Kunstempfinden noch deutlich dem Figürlich-Expressiven verpflichtet. Ende der 1950er-Jahre erfuhr ihr künstlerisches Selbstverständnis jedoch einen radikalen Wandel durch die Begegnung mit dem Schweizer Philosophen Harald Schenker (alias Harold Joos), der ihr Interesse am Konstruktivismus weckte, von dessen intellektueller Überlegenheit gegenüber anderen Kunstrichtungen er überzeugt war. Die beiden sollte fortan nicht nur eine Lebensgemeinschaft, sondern vor allem eine intensive geistige Beziehung verbinden, die das Schaffen von Hildegard Joos nachhaltig beeinflusste. 1959 ließen sich Hildegard und Harold Joos in Paris nieder, wo sie ein gemeinsames Atelier einrichteten und mit gleichgesinnten Künstler/innen regen Austausch pflegten. Nach einer kurzen informellen Phase begann sich Hildegard Joos gegen Mitte der 1960er-Jahre mit Bildkompositionen aus schiefwinkeligen und ellipsoiden Formen auseinanderzusetzen. Ersten Niederschlag fand dies in einem umfangreichen Werkzyklus mit dem Titel „Geometrische Reihe“, den sie 1964 in der Kellergalerie der Wiener Secession präsentierte. Für diese von nuancierten Weißund Grautönen bestimmte Malerei prägte die Künstlerin den Begriff der „monistischen Malerei“: „Sie ist in dem Sinne monistisch, daß sie jedesmal von einem einzigen Ding, von einem einzigen Formen-Typus spricht. […] Hier aber wiederholt die Malerin die Form 3 oder 4 Mal; das erste Element, das als Blickfang dient, ist sehr groß im Verhältnis zum Rahmen; die Größenordnung der Elemente ist dann durch so etwas wie arithmetische Progression gebrochen (wie 9–3–1 z.B.). Eine besondere Art der Dichte, zwingende A-Rithmie. Das Ding muß ‚eins‘ bleiben. So wird die Farbe ‚eins‘ sein, […] Ton in Ton.“ (Harald Schenker in: „Manifest der monistischen Kunst“, 1964) Um dem monochromen Farbauftrag Struktur zu verleihen, verwendete die Künstlerin aufgerauten Filz oder Jute als Hildegard Joos.
Ausstellungsansicht Landesmuseum Niederösterreich, Foto: Daniel Hinterramskogler |
In ihrem Spätwerk emanzipierte sich Hildegard Joos wieder zusehends von ihrem Partner, indem sie sich von der formalen Strenge löste und mitunter auch zur malerischen Gestik ihrer künstlerischen Anfänge zurückkehrte. Raster- und Schachbrettmuster blieben allerdings weiterhin eine Konstante in ihrem Schaffen. Trotz einer schweren altersbedingten Sehbehinderung arbeitete sie bis zuletzt täglich an ihren Werken und starb im Alter von 95 Jahren im Wiener Atelier. Mit ihrem vielseitigen Oeuvre, das die schier unbegrenzten Möglichkeiten geometrisch-abstrakter Formgebung eindrucksvoll belegt, leistete Hildegard Joos einen wichtigen Beitrag zu einer breiteren Anerkennung der konkret-konstruktiven Malerei in Österreich. Die Bedeutung ihres Werkes wurde zuletzt 1997 durch Retrospektiven in der Wiener Albertina und der Österreichischen Galerie Belvedere dokumentiert.
Text: Alexandra Schantl, aus dem Ausstellungsbegleiter der Ausstellung "Ausnahmefrauen - Christa Hauer, Hildegard Joos, Susanne Wenger" (30.11. 2013 – 12.10. 2014) im Landesmuseum Niederösterreich
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