Am Vormittag des 6. Juli 1415 loderte in Konstanz der
Scheiterhaufen: Auf ihm verbrannte der böhmische Theologe und Reformator Jan
Hus. Das Konzil zu Konstanz hatte ihn als Häretiker zum Feuertod verurteilt, da
er standhaft bei seinen Lehren geblieben war und einen öffentlichen Widerruf
abgelehnt hatte. Seine Spuren sollten nun auf ewig ausgelöscht werden: Seine Asche
streuten sie in den Rhein.
Ausstellungsansicht Kriegsschauplatz NÖ Foto: Gerald Lechner |
Hus war zwar tot, seine Lehre aber lebte weiter. Er und sein
Parteigänger Hieronymus, der im Jahr danach den Feuertod erlitten hatte, wurden
für ihre Anhänger zu Märtyrern ihres Glaubens. Eine Welle der Empörung erfasste
die böhmischen Länder. Die Stände ergriffen Partei für Hus bzw. seine Anhänger
– die Hussiten. Nicht nur religiöse Differenzen waren schuld an dem nun
ausbrechenden Bürgerkrieg; er wurde auch von nationalen Konflikten getragen. Ihre
Gegner sahen die Aufständischen im böhmischen König Wenzel bzw. dessen Bruder
Sigismund, seit 1411 römisch-deutscher König, und in der katholischen Kirche.
Die Brüder Wenzel und Sigismund entstammten dem Hause Luxemburg, einem
deutschen Adelsgeschlecht, das seit Anfang des 14. Jahrhunderts in Böhmen
regierte.
1419 fiel Prag in die Hand der Rebellen. Bereits während der
ersten Wochen des Aufstandes erlag König Wenzel einem Schlaganfall. Der noch
weniger beliebte Bruder Sigismund kämpfte nun um seine Ansprüche. Er suchte
Unterstützung beim Papst, der 1420 zum ersten Kreuzzug gegen die Hussiten
aufrief. Die militärischen Erfolge blieben aus. Den Hussiten gelang es durch
militärische und politische Erfolge ihre Position weiter zu festigen. Verbündete
fand die Rebellion, die zunächst von sozialen Unterschichten getragen worden
war, nun auch in so manchem böhmischen oder mährischen Adeligen, der sich auf
den Feldzügen reiche Beute erhoffte, vor allem bei den Plünderungen der Kirchen
und Klöstern.
Im Sommer 1421 hielten die Hussiten einen revolutionären
Landtag ab, bei dem sie Sigismund das Recht auf die böhmische Krone absprachen.
Dieser suchte nun weitere Verbündete und fand sie u.a. auch im österreichischen
Herzog Albrecht V., der nun mit Truppen in Mähren intervenierte. Der Kampf
gestaltete sich schwierig, schließlich überschritten hussitische Truppen die
Grenze und standen vor den Mauern der Stadt Retz:
„Anno 1425, am St. Katharinen-Tag, haben die Hussiten – nämlich die Taboriten, die Waisen, die Prager und die Landherren – die Stadt Retz gewonnen. Sie untergruben sie, da sie die Stadt nicht im Sturm nehmen konnten. Der Feinde waren nach guter Schätzung, mehr als 100.000 Soldaten. Sie fingen den Grafen Johann von Maydburg und wohl 6.000 Mann, Edle und Bauern, in der Burg von Retz und führten sie gefangen nach Prag. Und sie haben in der Stadt mehr als 6.000 Mann erschlagen und brannten die Stadt aus und auch die Häuser. Und sie zerstörten mehr als 30 Kirchen und verwüsteten auch Pulkau mit Brand und Raub, töteten hier aber niemand.“
Die Zahlen des Chronisten sind sicher übertrieben, sie
zeugen aber von der großen Angst der
Zeitgenossen vor den aus dem Norden
vordringenden Hussiten. Im Jahr danach verstärkten die
Hussiten ihren
militärischen Druck gegen Österreich weiter. Lundenburg fiel in ihre Hände. Von
dort führten sie ein Schreckensregiment mit Plünderungen und gewaltsamen
Steuereintreibungen. Noch im selben Jahr fielen sie im westlichen Waldviertel
ein und überschritten bei Weitra die Grenze, beschossen die Stadt Zwettl, raubten
und verwüsteten das Stift Zwettl. Im März des folgenden Jahres – 1427 – standen
sie wieder vor Zwettl. Sie wüteten wieder und zogen dann nach Stift Altenburg
weiter, das sie ebenfalls ausplünderten und devastierten.
Von der Situation im
Land berichtet der Altenburger Chronist:
„Denn die verruchten Ketzer haben seit dieser Zeit Österreich mehrere Jahre hindurch immer wieder überfallen und in der Nähe des Klosters [Altenburg] ihr Lager aufgeschlagen, von wo aus sie viel Unheil stifteten. Sie stürzten die Bauern in Armut, brachten etliche mit ihren Schwertern um, führten andere gefesselt fort und haben die Verschleppten später oft ebenfalls getötet. Dadurch wurde der Gottesdienst gemindert und die Einkünfte des Klosters gingen derart zurück, dass man kaum mit einem Drittel des früheren Ertrages rechnen konnte. Der Landbau wurde unterbrochen, weil sie dem Kloster gehörenden Pferde und Pflüge wegschleppten, aber auch aus Angst vor den in der Nähe gelegenen Stützpunkten der Häretiker in Thaya, Pullitz und Fronsburg. Von da kamen sie oft herüber, so dass man sie fast täglich bei uns sehen konnte. Im Jahr 1430 nahmen sie sechsunddreißig Stück Zugvieh und sechs Pferde weg und entführten drei Bedienstete des Klosters nach Thaya […]“.
Da die böhmischen Länder bereits total ausgeblutet waren,
versorgten sich die Hussiten nun im Wald- und Weinviertel mit Steuergeldern,
Proviant, Zugtieren und Pferden. Auf ihren Streifzügen drangen die Hussiten bis
ins Kamptal vor, verwüsteten dabei u.a. Zöbing. Im Mai und Juni 1428
erreichten
sie die Donau bei Wien; bei Jedlesee schlugen sie eine ihrer Wagenburgen auf
und beschossen die Dörfer diesseits und jenseits des Stromes; dann zogen sie nach
Stockerau weiter. Zur selben Zeit kam es auch zu Raubzügen im heutigen
Oberösterreich; dabei wurden die Klöster Baumgartenberg und Waldhausen
zerstört. Im November standen Hussiten vor Eggenburg, scheiterten allerdings an
der heftigen Gegenwehr.
Ausstellungsansicht Kriegsschauplatz Niederösterreich Foto: Gerald Lechner |
Beide Seiten – Hussiten und Herzog Albrecht mit seinen
Verbündeten – wurden langsam kriegsmüde; sie kämpften mit letzten Reserven in
einem ausgebluteten Land. Daher versuchte man nun auf dem Verhandlungsweg zu
einer Lösung zu kommen. Allerdings waren die Bedingungen von Seiten der
Aufständischen unannehmbar. Der Krieg ging weiter. Im April 1439 wurde wieder
Eggenburg belagert. Das Land und mit ihm seine Verteidigung gerieten in eine
immer größere Krise, die schließlich zu einer Reform der Landesverteidigung
führte. 1431 und 1432 wurden Aufgebotsordnungen erlassen, die die Rekrutierung
von Bauern vorsahen und detaillierte Angaben zu Ausrüstung und Bewaffnung
enthielten. Letztere lassen erkennen, dass man sich in manchen die neue
Kampftechnik der Hussiten zu eigen machte, die ja mit Wagenburgen kämpften:
„Die ausgehobenen „Zehner“ werden zu Gruppen von zwanzig Mann zusammengefasst, die einem Kriegswagen zugeteilt sind. Die Wagen sollen mit einer Deichsel und mit mindestens drei Längsbrettern versehen sein sowie eine fünfzehn Schuh lange Kette mitführen, die an einem Ende mit einem Ring und am anderen mit einem eisernen Haken versehen ist. Die Bespannung besteht aus vier Pferden.[…]Die zwanzigköpfige Wagenbesatzung soll neben dem Fuhrmann aus drei Büchsenschützen, acht Armbrustschützen, vier mit Spießen und vier mit Drischeln bewaffneten Männer bestehen. Jeder soll außerdem ein Schwert, ein Messer, einen Eisenhut, ein Paar Blechhandschuhe und einen Brustpanzer oder eine Schießjoppen mitbringen.[…]Jeder Wagen führt eine eiserne Ration an Brot, Käse, Speck und Rindfleisch sowie einen Eimer Wein mit. Dieser Vorrat wird nur dann aufgezehrt, wenn es nichts zu kaufen oder zu requirieren gibt.“
Während Herzog Albrecht 1431 wieder einen Feldzug nach
Mähren unternahm, fiel im Gegenzug ein hussitischer Heerhaufen in Österreich
ein – Ziel waren diesmal Altenburg und Pernegg. Zum ersten Mal wirkte sich diesmal
die neue Abwehrorganisation positiv aus: Ein durch Bauern verstärktes Aufgebot
stellte den gegnerischen Heerhaufen am 14. Oktober 1431 bei Waidhofen an der
Thaya und fügte ihm eine empfindliche Niederlage zu. Die dabei erbeuteten
Feldzeichen wurden in der Burgkapelle zu Wien aufgepflanzt. In
Vergeltungsaktionen plünderten Hussiten daraufhin die Gegend um Litschau und
das Machland.
Auf dem ab 1431 in Basel abgehaltenen Konzil versuchte man
wieder zu einem Friedensschluss zu gelangen. Nach 1432 flauten die
Kampfhandlungen allmählich ab. Mit den Waffenstillstands- und
Friedensverhandlungen von 1434 und 1435 fand der mährisch-österreichische
Hussitenkrieg ein Ende. Herzog Albrecht hatte eines seiner Ziele – seine
Anerkennung als Markgraf von Mähren – erreicht. Den Preis hatte – wie immer in
Kriegen – die Bevölkerung zu zahlen. Die Gebiete Nieder- und Oberösterreichs
nördlich der Donau sowie Mähren kämpften
lange Jahre gegen die Folgen des Krieges. Zurück blieben nicht nur verwüstete
Landstriche, zurück blieben auch Söldner und Reste der hussitischen
Kriegsbrüderschaften, die keine andere Lebensgrundlage als ihre Raubzüge kannten.
Sie führten diese nun „auf eigene Rechnung“ durch und terrorisierten weiter die
Bevölkerung.
Text: Prof. Dr. Elisabeth Vavra
Mehr Informationen zur Geschichte Sonderausstellung "Kriegsschauplatz Niederösterreich" finden Sie hier
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