Es war ein Frühling, wie man sich ihn immer erträumt. Der März 1945 war frühsommerlich warm,
Am 13. Februar 1945 nach wochenlanger Belagerung durch die russische Armee war Budapest gefallen. Die 2. und 3. Ukrainische Front bewegte sich nun gegen Westen. In einer Zangenbewegung sollte Wien angegriffen werden: Die 2. Ukr. Front marschierte Richtung March, die 3. Ukr. Front Richtung Burgenland, um dann von dort durch das Wiener Becken von Süden gegen Wien vorzudringen. Zwischen Schachendorf und Rechnitz überschritten die ersten Rotarmisten am 28. März die österreichische Grenze. Es war der Mittwoch in der Karwoche.
Am 13. Februar 1945 nach wochenlanger Belagerung durch die russische Armee war Budapest gefallen. Die 2. und 3. Ukrainische Front bewegte sich nun gegen Westen. In einer Zangenbewegung sollte Wien angegriffen werden: Die 2. Ukr. Front marschierte Richtung March, die 3. Ukr. Front Richtung Burgenland, um dann von dort durch das Wiener Becken von Süden gegen Wien vorzudringen. Zwischen Schachendorf und Rechnitz überschritten die ersten Rotarmisten am 28. März die österreichische Grenze. Es war der Mittwoch in der Karwoche.
Fliegerbomber an der Fensterfront vor der Ausstellung Kriegsschauplatz NÖ, Foto: Lechner (c) Landesmuseum Niederösterreich |
Gründonnerstag, 29. März 1945
Die ungarische Regierung hatte sich nach ihrer Flucht aus Budapest zunächst in Kőszeg (kroat. Kiseg, dt. Güns) aufgehalten, ca. 2 km von der österreichischen Grenze entfernt. Als die Front unaufhaltsam näher kam, floh sie weiter Richtung Westen. Zum Schutz der Stadt hatte man das Volkssturmbataillon Lilienfeld herbeigeholt – 350 Mann trafen ein, ohne Waffen – 59 Mann konnte der Stadtkommandant bewaffnen, die anderen schickte er wieder heim. Sie blieben, waren aber ohne Chancen. Um 11 Uhr 05 rollten sowjetische Panzer bei Kloster Marienberg über die Grenze. Ihr Ziel war das Wiener Becken. Bis 17 Uhr waren sie kampflos bis in das Gebiet von Mannersdorf an der Rabnitz vorgedrungen. Gegen Abend drangen erste Aufklärungspanzer bis Lembach bei Kirchschlag in der Buckligen Welt vor. In der Nacht ratterten zwischen Kőszeg und Oberpullendorf ununterbrochen sowjetische Panzer und Laster mit Nachschub Richtung Niederösterreich.
Karfreitag, 30. März 1945
Sowjetische Panzer- und Schützenverbände drangen weiter in das Oberpullendorfer Becken vor. Der Widerstand der zahlenmäßig weit unterlegenen Einheiten der Deutschen Wehrmacht hatte ihnen nur wenig entgegenzusetzen. Kurzzeitig gelang es Lockenhaus zu verteidigen; um 17 Uhr entfernten einmarschierende Rotarmisten aber bereits die Symbole der NS-Herrschaft. Wiener Neustädter „Kriegsschüler" wurde zur Verteidigung der Linie Wiesmath – Zöbern – Krumbach – Ponholz eingesetzt. Sie sollten den Zugang nach Aspang Markt sowie nach Grimmenstein sperren. Abends setzte Gefechtstätigkeit ein. Bis zum Anbruch der Nacht war nahezu der gesamte Bezirk Oberpullendorf in sowjetischer Hand.
Karsamstag, 31. März 1945
Während der gesamten Nacht hatten die Kämpfe angedauert. Sowjetische Artillerie beschoss Wiesmath. Die Kriegsschüler, die die Gegend dort verteidigt hatten, mussten sich zurückziehen. Um 13 Uhr 15 erreichte ein sowjetischer Vorstoß Krumbach; dann zogen sie weiter die Bundesstraße 55 entlang; auf leichten Widerstand stießen sie nur in Thomasberg und Edlitz. Dann fiel Grimmenstein. Bis zum Abend war das Pittental von Scheiblingkirchen bis Grimmenstein in sowjetischer Hand.
Der Einbruch und das Vordringen der sowjetischen Armee fand im Wehrmachtsbericht aus Berlin keine Erwähnung. Auch der „Völkische Beobachter" schwieg: Nur eine kleine Notiz erinnerte an das Sirenensignal bei Feindalarm: „Das Signal ‚Feindalarm‘ besteht aus einem fünf Minuten langen, an- und abschwellenden Heulton; während die Sirenen bei ‚Fliegeralarm‘ etwa 15mal auf- und abschwellen, heulen sie bei ‚Feindalarm‘ 75mal."
Der Einbruch und das Vordringen der sowjetischen Armee fand im Wehrmachtsbericht aus Berlin keine Erwähnung. Auch der „Völkische Beobachter" schwieg: Nur eine kleine Notiz erinnerte an das Sirenensignal bei Feindalarm: „Das Signal ‚Feindalarm‘ besteht aus einem fünf Minuten langen, an- und abschwellenden Heulton; während die Sirenen bei ‚Fliegeralarm‘ etwa 15mal auf- und abschwellen, heulen sie bei ‚Feindalarm‘ 75mal."
Ostersonntag, 1. April 1945
Einblick in die Ausstellung Kriegsschauplatz NÖ, Foto: Lechner (c) Landesmuseum Niederösterreich |
Am Abend des 1. Aprils war das Steinfeld fest in sowjetischer Hand. Unterstützt wurden die Bodentruppen durch die US-Bombengeschwader. Sie flogen am Ostersonntag schwere Angriffe gegen Ziele in Niederösterreich, um weitere Teile der Verkehrsinfrastruktur zu zerstören: In St. Pölten warf die 15th US Air Force 76,25 Tonnen Bomben auf den Bahnhof und den Frachtenbahnhof ab. Zum ersten Mal meldete der Wehrmachtsbericht: „Südlich Steinamanger stehen unsere Truppen in schwerem Abwehrkampf gegen die zur Reichsgrenze vordringenden Bolschewisten. Eingreifverbände brachten den Feind, der durch eine Frontlücke bei Güns nach Nordwesten vorstieß, im Raum Wiener Neustadt zum Stehen …"
Der sowjetische Marschall Tolbuchin, der Oberbefehlshaber der 3. Ukrainischen Front, erhielt am Abend des Ostersonntags folgenden Befehl: „… mit 4. und 9. Gardearmee sowie 6. Garde-Panzerarmee den Angriff Richtung Wien weiter zu führen und längstens bis 12./15. April den Raum Tulln – St. Pölten – Lilienfeld zu erreichen …"
Ostermontag, 2. April 1945
Fliegerbombe beim Eingang zur Ausstellung Kriegsschauplatz NÖ, Foto: Lechner (c) Landesmuseum Niederösterreich |
Das Wetter zeigte
sich weiter von seiner schönsten frühlingshaften Seite – aber wohl keiner nahm
dies zur Kenntnis. Schon morgens hatten
sowjetische Bomber Angriffe auf Hainburg und Bruck an der Leitha geflogen.
US-Bomberverbände griffen Wien, Baden und Krems an. Irrtümlich bombardierten
sie auch Gloggnitz, das bereits in sowjetischer Hand war. Sowjetarmisten und
Einheimische mussten gemeinsam die Luftschutzkeller aufsuchen. Währenddessen
marschierten Bodentruppen Richtung Wien. Das leidgeprüfte Wiener Neustadt fiel
kampflos. Seit dem 13. August 1943 hatte die Stadt 29 schwere Luftangriffe
erlebt. 55.000 Bomben waren gefallen – nur 19 Gebäude waren unbeschädigt
geblieben. Die deutschen Verteidiger zogen sich Richtung Wien zur Verteidigung
der Gauhauptstadt zurück. Nachhutkämpfe gab es im gesamten Wiener Becken, die
schwersten in Bad Fischau, Eggendorf und Lichtenwörth. Vor der Hohen Wand
entstand die neue deutsche Front: Zwei deutsche Panzerdivisionen lieferten im
Raum Felixdorf – Sollenau – Steinabrückl – Theresienfeld der vorrückenden
Sowjetarmee eine mehrstündige Panzerschlacht.Während das
sowjetische Oberkommando Weisungen für Aufklärung und Propaganda gab, wurde in
Wien zum Endkampf aufgerufen. Plakate riefen zum Widerstand auf: „Kapitulation
niemals! Wien ist zum Verteidigungsbereich erklärt worden. Frauen und Kindern
wird empfohlen, die Stadt zu verlassen.“
Dienstag, 3. April 1945
Das Wetter war weiter frühsommerlich warm. Gegen Nachmittag zogen leichte Regenschauer auf.Die 15. Luftflotte der US-Army flog von Foggia aus weiter ihre Angriffe gegen Ziele in Österreich. In Niederösterreich waren es Bad Vöslau, Schwechat, St. Pölten und Krems.
Aus Wien begann die große Flucht. Durch die 53 Bombenangriffe der letzten Jahre war die Stadt schwer in Mitleidenschaft gezogen: 46.000 Wohnungen waren total zerstört, 150.000 beschädigt. 270.000 Wienerinnen und Wiener waren obdachlos. Sepp Dietrich, der Befehlshaber der 6. SS-Panzerarmee, die Wien verteidigen sollte, rief die Bevölkerung zum Widerstand auf: „[…] Halten wir zusammen, kämpfen wir zusammen! Es geht nicht um uns, es geht nicht um die Partei, es geht um unser Land […]." Nur Frauen und Kindern war das Verlassen der Stadt gestattet.
Am Dienstag stockte der Vormarsch der Sowjets: Grund hierfür war eine falsche Einschätzung der Verteidigungsstärke Wiens: Tolbuchin lagen unrichtige Berichte über die in Wien getroffenen Verteidigungsmaßnahmen und die Stärke der dort angeblich liegenden Truppen vor.
Luftschutzverbandschaften aus der Ausstellung Kriegsschauplatz NÖ, Foto: Lechner (c) Landesmuseum Niederösterreich |
Am Morgen des 3. Aprils drangen sowjetische Truppen bis Oeynhausen und Tattendorf vor. Baden, Bad Vöslau und Sooß fielen kampflos. Immer wieder flammten schwache Rückzugsgefechte auf, etwa bei Gainfarn, Tribuswinkel, Leobersdorf, Traiskirchen. Überall gab es Opfer unter der Zivilbevölkerung, in Pfaffstätten etwa fanden 18 Menschen den Tod, in Leobersdorf 13. Zahlreiche Häuser und Fabrikgebäude wurden in Brand gesetzt, nahezu alle Brücken im umkämpften Gebiet gesprengt.
Der abends erlassene Wehrmachtsbericht sprach von erfolgreichen Abwehrkämpfen. Und „Reichsführer SS" Heinrich Himmler erließ einen „Flaggenbefehl": „Im jetzigen Zeitpunkt des Krieges kommt es einzig und allein auf den sturen, unnachgiebigen Willen zum Durchhalten an. Gegen Heraushängen weißer Tücher, Öffnen bereits geschlossener Panzersperren, Nichtantreten zum Volkssturm und ähnliche Erscheinungen ist mit härtesten Maßnahmen durchzugreifen. Aus einem Haus, aus dem eine weiße Fahne erscheint, sind alle männlichen Personen zu erschießen. Es darf bei diesen Maßnahmen keinen Augenblick gezögert werden."
Text: Dr. Elisabeth Vavra, Kuratorin und Wissenschaftliche Leiterin Geschichte
Verwendete Literatur:
Theo Rossiwall, Die letzten Tage. Die militärische Besetzung Österreichs 1945, Wien 1969.
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