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11. April 2013

Bekassine

Susanne Strnadl, DER STANDARD, 27.3.2013

Die Ziege des Himmels stochert und meckert immer seltener

Mit ihrem langen Schnabel ertastet die Bekassine Beute im Untergrund, mit den äußeren Schwanzfedern erzeugt sie im Flug ein vibrierendes Summen. Das Geräusch, das an Meckern erinnert, hat ihr den Namen "Himmelsziege" eingetragen. Die Schnepfenart ist heute vom Aussterben bedroht.
Nur noch 50 bis 60 Bekassinen-Paare brüten in Österreich - Der "Vogel des Jahres" ist auf Feuchtlandschaften und Moore angewiesen - doch die Landwirtschaft gräbt ihm das Wasser ab
Feuchtgebiete werden immer seltener - seit Jahrzehnten gehen Moore und nasses Grünland zurück. Mit ihnen verschwinden auch zahlreiche Tierarten, die auf diese speziellen Habitate angewiesen sind. Die von Birdlife Österreich und Naturschutzbund zum diesjährigen "Vogel des Jahres" gekürte Bekassine gehört dazu: In den 1970er-Jahren galt sie in Mitteleuropa noch als verbreiteter Brutvogel, heute firmiert sie unter " Vom Aussterben bedroht".
Bekassine, Foto: günther-Foto / photos.com
Optisch ist die zu den Schnepfenvögeln gehörende Bekassine, wissenschaftlich Gallinago gallinago, wenig auffällig: Sie ist taubengroß und ihr braun-beiges Gefieder eignet sich hervorragend zum Tarnen und Verstecken in Moorlandschaften. Sonst ist sie gedrungen gebaut mit kurzen Beinen und langem Schnabel. Während sie auf der Jagd nach Insekten und anderen Kleintieren in kleinen Schritten umherstapft, erkundet sie mit ihrem Schnabel den Untergrund. Dieser hat im Oberteil eine bewegliche Spitze, die mit Sinneszellen ausgestattet ist, die es ihr ermöglichen, beim Stochern im Boden gleichzeitig Beute zu orten und zu ertasten. Außerdem kann sie kleine Tiere verschlucken, ohne den Schnabel vorher aus dem Boden ziehen zu müssen.

Sichere Kinderstube
Doch nicht nur bei der Nahrungssuche, auch beim Brüten ist die Bekassine auf Nässe angewiesen: Als Neststandort sucht sich das Weibchen eine Mulde in feuchtem Grünland oder in Moorgebieten, die es mit trockenem Pflanzenmaterial auskleidet. Bevorzugt liegen die Nester auf hügelförmigen Horsten von Seggen und anderen Gräsern, die oft von Wasser umgeben sind. Dort bleibt die Kinderstube trocken, während Füchse oder andere Feinde sich ungern die Füße nass machen. Ende April legt das Weibchen gewöhnlich vier graugrüne, dunkel gesprenkelte Eier.

Die Küken sind Nestflüchter, die vom ersten Tag an selbst Nahrung suchen, wobei sie von den Eltern zu den besten Plätzen geführt werden. Drei bis vier Wochen nach dem Schlupf sind sie flugfähig, davor können sie die Eltern mit Schnabel und Beinen so an den Bauch drücken, dass sie im Notfall sogar mit ihnen wegfliegen können. Häufiger jedoch greifen sie zum "Verleiten", einer Verhaltensweise, bei der sie vor einem Fressfeind mit hängenden Flügeln herflattern und den Eindruck erwecken, sie seien eine leichte Beute. Haben sie den Störenfried weit genug vom Nest weg geführt, fliegen sie plötzlich auf und sind weg.

Vor der Paarung, aber auch während der Brutzeit machen die Männchen in wilden Balzflügen auf sich aufmerksam, die auch akustisch auffallen: Die Vögel erzeugen dabei ein vibrierendes Summen, das an das Meckern ferner Ziegen erinnert, was der Bekassine auch den Namen "Himmelsziege" eingetragen hat.

Das Zustandekommen dieses Geräuschs wurde unter Ornithologen 150 Jahre lang heftig diskutiert - heute weiß man, dass es von den äußeren Schwanzfedern stammt: Diese werden im Sturzflug in Schwingungen versetzt, die bei knapp 40 Stundenkilometern hörbar werden und bei rund 60 Kilometer pro Stunde abreißen.

Insgesamt hält das Geräusch nur zwei bis drei Sekunden an, die Vögel steigen jedoch immer wieder auf und wiederholen das Schauspiel oft minutenlang. Diese Ausdrucksflüge dienen außer der Balz auch der Reviermarkierung und erfolgen während der gesamten Brutzeit, vor allem in der Morgen- und Abenddämmerung, aber auch in mondhellen Nächten. Gehört werden kann das Meckern seit kurzem übrigens auch im Vogelsaal 29 des Naturhistorischen Museums in Wien.

Rückzug ins Alpenvorland
Bereits im Juli beginnt der Abflug der Bekassinen aus Nordeuropa in ihre Winterquartiere, für die meisten Vögel nach Südfrankreich, Spanien oder Portugal. Es gibt aber Nachweise, dass einzelne bis nach Senegal oder dem Tschad gelangen und damit mehr als 2000 Kilometer zurücklegen. Ist der Herbst bzw. Winter im Brutgebiet jedoch mild, kann sich der Wegzug lange hinziehen und stellenweise ganz unterbleiben.

Mitte März kommen die Bekassinen dann wieder, prinzipiell jedenfalls, denn in Wirklichkeit gibt es nur noch sehr wenige bei uns. Der aktuelle Bestand in Österreich dürfte sich auf lediglich 50 bis 60 Brutpaare belaufen, wobei der Schwerpunkt in den Alpenvorlandgebieten Salzburgs und Oberösterreichs liegt. In allen anderen Bundesländern lassen sich die Brutpaare jeweils an den Fingern einer Hand abzählen. Am meisten Bekassinen auf einem Fleck (18 bis 19 Paare) gibt es im Ibmer Moor in Oberösterreich, wo die Vögel offenbar von entsprechenden Moorrenaturierungsmaßnahmen profitieren.

Kaum Nasswiesen
"Die Bekassine hat ein Riesenproblem, weil kaum noch Nasswiesen vorhanden sind, die bis in den Sommer hinein auch nass bleiben", erklärt Ornithologe Hans-Martin Berg vom Naturhistorischen Museum Wien, der sich seit Jahren mit der Situation von Feuchtbiotopen und gefährdeten Vogelarten befasst. Der Hanság etwa, eine Niedermoorlandschaft südöstlich des Neusiedler Sees, wäre hervorragend als Brutgebiet für Bekassinen geeignet. "Hier könnten bis zu 30 Brutpaare ein Revier finden" , wie Berg ausführt, "aber das Wasser wird rasch abgeleitet, um landwirtschaftlich genutzte Gebiete nicht zu gefährden, und wenn es weg ist, sind auch die Bekassinen weg."

In den meisten anderen europäischen Ländern geht es der Bekassine nicht besser: In den letzten 20 Jahren war fast überall ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen. Aktuelle Schätzungen für ganz Europa schwanken zwischen 930.000 und 1,9 Millionen Brutpaaren, wobei zwei Drittel des mitteleuropäischen Bestandes in Polen leben. Verantwortlich dafür ist überall die zunehmende Intensivierung der Landwirtschaft, die mit einem massiven Verlust an Feuchtlebensräumen einhergeht.
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Im Landesmuseum ist die Bekassine das Objekt des Monats April 2013
Objekt des Monats im Landesmuseum,
Foto: K. Höglinger

Die Bekassine (Gallinago gallinago) wurde zum „Vogel des Jahres 2013“ von BirdLife Österreich sowie den Partnerorganisationen Naturschutzbund Deutschland (NABU) und dem Landesbund für Vogelschutz (LBV) in Bayern gekürt. Das „Meckern“ beherrscht die Schnepfenart nicht erst seit ihr der Lebensraum mit Feuchtwiesen und Mooren zusehends abhanden gekommen ist und die Bestandsgröße sich auf wenige Brutpaare reduziert hat. Das Männchen erzeugt das artenspezifische „Meckern“, indem es sich im Balzflug mit abgespreizten äußeren Schwanzfedern rasant in die Tiefe stürzt.

 

Tarnkünstlerin mit Hightech-Schnabel
Unter den Schnepfen ist die Bekassine eine mittelgroße Art. Mit ihrem untersetzten Körper, kurzen Beinen und braunen Gefieder bewegt sich die Tarnkünstlerin geschickt durch feuchte Seggen-, Binsen- und Moorlandschaften. Auf der Suche nach Würmern, Schnecken und Insekten watet sie durch offene schlammige Bereiche und flache Gewässer. Der lange Schnabel ist dabei das perfekte Werkzeug, um in den lockeren Schichten feuchter Böden Kleintiere zu orten und zu ertasten. Samen von Gräsern und anderen Pflanzen stehen aber genauso auf dem Speiseplan. Bei Gefahr duckt sie sich auf den Boden und ist kaum vom Untergrund zu unterscheiden. Die Jungen verlassen bereits am ersten Tag das Nest und suchen selbst nach Nahrung. Wenngleich die Eltern sie auch zu den besten Nahrungsplätzen führen.

Herber Bestandsverlust zu verzeichnen
Die Intensivierung der Landwirtschaft mit einer frühen bzw. häufigen Wiesenmahd, das Entwässern von Grünland und die zunehmende Zersiedelung der Brutgebiete hat nicht nur der Bekassine sondern den Wiesenvögeln generell zusetzt. Kleine, allerdings rückläufige Brutbestände in Niederösterreich existieren lediglich im Teichgebiet des Waldviertels, auf den Grünbrachen am Truppenübungsplatz Allentsteig und in den March-Thaya-Auen.
Dir. Dr. Erich Steiner




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