Urwald in Niederösterreich. Erbe und Auftrag
Aktueller Beitrag aus der Wienerzeitung: http://www.wienerzeitung.at/dossiers/wald/768079_Der-Rothwald-der-letzte-Urwaldrest-Mitteleuropas.html
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Dürrenstein, Foto: Theo Kust |
Österreich ist ein Waldland, knapp die Hälfte seiner Fläche ist mit Wald bedeckt. Allerdings nicht allzu viel davon ist in naturnahem Zustand und menschlichem Eingriff entzogen. Das macht diesen nur rund 460 ha großen Fichten-Tannen-Buchen-Urwald am Abhang des Dürrensteins so wertvoll. Hier kann man ein Ökosystem in seiner Ursprünglichkeit und Eigenständigkeit antreffen.
Uralte Bäume
Hier können Bäume ihren vollen Lebenszyklus vollenden. Tannen und Fichten, die 600 Jahre Zeit hatten Höhen von 50 m und Umfänge von bis zu 4,8 m zu erreichen, kann man ebenso antreffen wie 400 Jahre alte Rotbuchen.
Augenfällig sind die vielfältige Wuchsformen: krumme und verdrehte Bäume, mit Beulen und Verwachsungen oder auf Stelzwurzeln. Hier entscheidet nicht menschlicher Anspruch, sondern individuelle Konkurrenzkraft, Zufall oder die Gunst des Kleinstandortes.
Lebendiges Totholz
Dürrenstein, Foto: Theo Kust |
Hier im Urwald ist rund 1 /3 der Holzbiomasse Totholz: weder Störfaktor noch unnötiger Platzbesetzer, sondern wichtiger Lebensraum und Lebensgrundlage für andere Organismen!
Schon auf den ersten Blick fällt im Rothwald die Vielfalt an holzabbauende Pilzen an liegenden und stehenden Stämmen auf. Den Reichtum von Insekten und anderen Kleintieren im Todholz, darunter seltenste Arten, kann man nur erahnen. Ihre Anwesenheit fördert wiederum Arten, die von ihnen leben. Ein dichtes Gewebe aus Nehmen und Geben, fressen und gefressen werden entsteht.
Kadaververjüngung
Dürrenstein, Foto: Theo Kust |
In der Ordnung der Natur
Hier finden sich abgestorbene Stämme und frische Keimlinge, verschiedene Zyklen der Waldentwicklung eng beieinander. Nicht der Mensch, sondern Urgewalten wie Sturm und Lawinen greifen hier ein, beenden das Leben des einen und fördern den anderer. Natürliche Prozesse können hier ungehindert ablaufen. Und siehe da: Borkenkäfer spielen hier, im Gegensatz zu Wirtschaftswäldern, nur eine recht unscheinbare Rolle.Eckdaten des Überlebens
Dürrenstein, Foto: Theo Kust |
Für sein Überleben war sicher die geographische Lage in einem schwer erreichbaren Kessel günstig. Lange gab es genügend leichter erreichbare Wälder, die genutzt und gerodet werden konnten.
Auch ein Streit zwischen zwei Klöstern war für den Rothwald hilfreich. 337 Jahre lang konnten sich die Kartause Gaming und das Stift Admont nicht über die genauen Besitzverhältnisse einigen. Jahrhunderte lang hielten sich die beiden Klöster gegenseitig in Schach, bevor es 1689 zu einem Vergleich kam.
1782 ließ Kaiser Joseph II. die Kartause Gaming schließen, der Rothwald kam zunächst in staatlichen, dann in privaten Besitz. Immer wieder zerstörten Hochwässer die Holzdriftanlagen und verzögerten damit die rasche Ausbeutung. Sicher trug auch die wichtiger werdende Steinkohle zur Entlastung der Wälder in den Göstlinger Alpen bei.
Albert Rothschild - rettender Visionär
Foto: www.wildnisgebiet.at |
1875 als die technischen Möglichkeiten zur vollständigen Ausbeutung bereits recht gut waren, kam es zu einer unglaublich glücklichen Wendung.
Albert Rothschild, Leiter eines Finanzimperiums und Jäger ersteigerte unter anderem den Rothwald aus der Konkursmasse des Vorbesitzers, einer Aktiengesellschaft. Er besucht den Urwald und erkannte seine Einzigartigkeit. Gegen jeden Zeitgeist, auch den seiner Forstexperten, stellt er den Rothwald unter seinen persönlichen Schutz und gewährleistet damit seine Unberührtheit und sein Überleben. Als er 1911 einen überraschenden Herztod erleidet, wird in Nachrufen schon sein visionärer Schutz des Urwald Rothwald gewürdigt. Glücklicherweise gab er die Liebe zu seinem „Goldplatzl“ an seine Nachkommen weiter.
Erbe und Auftrag
Dürrenstein, Foto: Theo Kust |
Und es geht weiter: bis zum Jahr 2015 soll das Wildnisgebiet um 1000 ha erweitert werden. Die Waldbestände des Erweiterungsgebietes haben ein Alter von rund 200 Jahren und sind in einem naturnahen Zustand. Und schon in ein paar hundert Jahren sind die Grenzen nicht mehr auszumachen.
Direkter Link zum Wildnisgebiet: www.wildnisgebiet.at
Literatur:
• http://www.umweltbundesamt.at/umweltschutz/naturschutz/schutzgebiete/wildnisgebiete/ (kopiert am 28.05.2006)
• Anonym (2011) Meilenstein für den Naturschutz. Wildnisgebiet Dürrenstein erweitert. Seiten 14 – 15 . Umwelt & Energie 01 / 2011.
• Anonym (2010) Ausbreitung der Wildnis. Seite 8. wood.stock 3 – 2010.
• ZUKRIGL Kurt (2002) Urwälder und Naturwaldreservate in Niederösterreich. Seiten 93 – 99. In: NÖ LANDESMUSEUM (HRSG.) (2002) Natur im Herzen Mitteleuropas. Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums, St. Pölten. Niederösterreichisches Pressehaus Landesverlag: St. Pölten.
• SPLECHTNA KARL (2001) Wildnisgebiet Dürrenstein – Albert Rothschild Bergwaldreservat. Skizzen einer Nutzungsgeschichte. Seiten 75 – 81. In: GOSSOW Hartmut (2001) Life-Projekt Wildnisgebiet Dürrenstein. Managementplan.
Text: Mag. Norbert Ruckenbauer
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Neuer Bildband „Urwald in Österreich“
Matthias Schickhofers opulente Liebeserklärung
Mit dem Begriff Urwald verbinden wir hierzulande wohl am ehesten einen tropischen Regenwald wie jenen am Amazonas oder andere entlegene naturbelassene Gebiete. Dass es Urwälder auch direkt vor unserer Haustür gibt, wird für viele Menschen überraschend sein. In Niederösterreich etwa liegt in der Gegend von Göstling an der Ybbs das Urwaldkleinod Wildnisgebiet Dürrenstein.„Ich will mit dem Buch Orte in Österreich präsentieren, die viele Menschen hier nicht vermuten. Es gibt tatsächlich noch Urwälder in Österreich. Auf weniger als einem Prozent der Waldfläche haben Ur- und Naturwälder überlebt. Diese letzten ‚Botschafter der alten Welt’ sind ein herausragendes Naturerbe und daher besonders schützenswert“, sagt Matthias Schickhofer, Naturfotograf und Umweltschützer.
Neben faszinierenden Bildern zeigt auch der Text, dass der heimische Urwald den Autor in seinen Bann gezogen hat. Mit teils geradezu poetischen Wendungen beschreibt er diese vergessenen paradiesischen Welten, wo der Palast des Waldkönigs oder Trolle vermutet werden und wo sich Wölfe und Luchse gute Nacht sagen sollten. Unterlegt ist das Buch mit Gastkommentaren und zweckdienlichen Hinweisen für Wanderungen und Führungen inklusive Landkarten, die die Orientierung sehr erleichtern. Wer es gesehen und gelesen hat, wird Schickhofers Wunsch nach mehr öffentlichem Bewusstsein zur Erhaltung dieser Waldparadiese und damit ihrer Artenvielfalt gerne teilen.
Das Buch aus dem Christian Brandstätter Verlag ist im Buchhandel erhältlich, aber auch im Shop des Landesmuseums Niederösterreich, es kostet 29,90 Euro.
Linktipp: www.schickhofer-photography.com
Text: Gerhard Hintringer
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