Pestsäule mit Bild der Dreifaltigkeit, 1713 Waitzendorf (Gemeinde Schrattenthal), Foto: © Elisabeth Vavra |
So schrecklich sich diese beiden großen Epidemien auch auf die Bevölkerung auswirkten, so zeigen die Quellen doch, dass sich wenigstens die behördlichen Maßnahmen im Vergleich zum Mittelalter deutlich verbessert hatten. Die Medizin allerdings stand der Seuche weiterhin hilflos gegenüber.
Inschrifttafel der Pestsäule, 1713 Waitzendorf (Gemeinde Schrattenthal), Foto: Elisabeth Vavra |
Langjährige Beobachtungen der seit dem 14. Jahrhundert immer wieder auftretenden Pestepidemien hatten zur Entwicklung eines „Abwehrsystems“ geführt, das die Ausbreitung der Seuche zwar nicht verhindern, aber eindämmen konnte. 1540 erschien die erste „Infektionsordnung“, die das Verhalten bei Gefahr oder Ausbruch der Krankheit regulierte. Für die Epidemien der Jahre 1679 bis 1681 waren die am 15. Dezember 1653 von Kaiser Ferdinand III. und 1679 von Kaiser Leopold I. erlassenen Ordnungen maßgeblich.
Infektionsordnung Kaiser Ferdinands III. Auflage Wien 1656, Stift Altenburg, Archiv Foto: Elisabeth Vavra |
Was enthalten nun diese Ordnungen?
Die Ordnung von 1653, die 1654 in Druck erschien, beschäftigt sich im ersten Teil mit den Möglichkeiten, den Ausbruch der Pest oder anderer ansteckender Krankheiten zu verhindern und im zweiten Teil mit den zu treffenden Maßnahmen, wenn eine Seuche bereits ausgebrochen war. Die „abscheuliche Seuch der Pestilenz gleich wie andere Plagen“ wurden, wie die Einleitung der Seuchenordnung betont, als Strafe Gottes für die Sünden und Laster der Menschen angesehen, deshalb sollte die Geistlichkeit in ihren Predigten die Menschen zu gottgefälliger Lebensführung und Bußfertigkeit anhalten. Bei den Gottesdiensten sollten eigene Gebete zur Abwendung der Pest gesprochen werden. Die Hausväter wurden ermahnt, in ihren Häusern auf Zucht und Ordnung zu achten. An Sonn- und Feiertagen durften die Wirtsleute, die Leutgeb, die Wein-, Bier- und Metkeller erst nach dem Gottesdienst ausschenken; im Sommer mussten sie um neun Uhr, im Winter um acht Uhr schließen.
Maria als Fürbitterin für die Menschheit Pestsäule in Zistersdorf, 1747 Foto: Elisabeth Vavra |
Im nächsten Paragraphen warnt die Ordnung vor übermäßigen Essen und Trinken, vor dem Genuss von Schweinefleisch und wurmstichigem, schädlichen Obst, da durch solche Verhaltensweisen der Körper geschwächt und anfällig für Krankheiten wird.
Eine wichtige Maßnahme setzte die Behörde durch die strenge Kontrolle einreisender Personen. Jeder/jede musste nachweisen, dass er/sie sich die letzten vierzig Tage in einem seuchenfreien Gebiet aufgehalten hatte. Wenn Seuchenfälle bekannt wurden, dann sollte man die Namen der betroffenen Orte und Gegenden öffentlich bei den Stadt- und Markttoren oder Grenzschranken anschlagen. Wenn jemand aus einer betroffenen Region einreisen wollte, so musste er/sie sich für vierzig Tage in einer Quarantänestation aufhalten. Die Orte, in denen die Pest ausgebrochen war, mussten auch der NÖ Regierung übermittelt werden. Händler, die ihre Waren in die Städte und Märkte bringen wollten, mussten sich ebenfalls mit „Unbedenklichkeitszeugnissen“ ausweisen. Ebenfalls mussten sie eine Unbedenklichkeitserklärung für ihre Ware abgeben.
Eine wichtige Rolle spielte dabei auch die sog. Militärgrenze, die zur Abwehr der Türkengefahr errichtet wurde. Unter Kaiser Ferdinand I. in den 20er Jahren des 16. Jahrhunderts begonnen, erstreckte sie sich bis zum Ende des 17. Jahrhunderts von der Adria bis zur Drau. Der schmale Sicherheitsstreifen wurde bis 1742 weiter ausgebaut. Zur Zeit der größten Ausdehnung erstreckte sich die Militärgrenze über eine Länge von 1750 km und umfasste mehr als 33.000 km2. In regelmäßigen Abständen befanden sich Quarantänestationen für Einreisende.
Der Pestheilige Sebastian Pestsäule in Zistersdorf, 1747 Foto: Elisabeth Vavra |
In der Ordnung wurden bestimmte Orte als Aufenthaltsorte für die Quarantäne festgelegt: Guntramsdorf oder Wienerherberg für das Viertel unter dem Wienerwald, Tulln oder Königstetten für das Viertel ober dem Wienerwald, Retz oder Korneuburg für das Viertel unter dem Manhartsberg sowie Waidhofen an der Thaya für das Viertel ober dem Manhartsberg.
Besonders ausführlich wird im achten Punkt auf Sauberkeit als wirksames Mittel zur Verhütung der Ansteckung und Erhaltung der Gesundheit hingewiesen: „ sich auch niemandt unterstehen, sonderlich in Stätt, und Märckten, wo gepflasterte oder sonsten Haubt-Gassen oder Strassen seyn, die Unsauberkeyten, sie seyen nun von Blut, Eingewaid, Bainern von getödten Viech, Scherben, Krautpletschen oder ander Unfladt, wodurch Gestanck und Gefahr entstehen und erwachsen kann, auff die Gassen auszuschütten, weniger todtes Viech als Hund, Katzwn, Hüener oder anders dahin zu werffen,“ Über Dienstboten, die gegen diese Gebote verstießen, wurde eine Schandstrafen verhängt.
Die Obrigkeit wurde angehalten, Kreuze aufzurichten, an die die straffälligen Dienstboten „gespannt“ wurden. Die Dienstgeber, die ihre Aufsichtspflicht verletzt hatten, wurden überdies zu Geldstrafen verurteilt, die an die Siechenhäuser abzuführen waren.
Es geht in der Ordnung aber nicht nur um Sauberkeit in den Gassen, sondern auch in den Häusern. Die Abfälle sollten in den Häusern gesammelt werden und dann mit Butten oder Schubkarren an einen von der örtlichen Behörde genehmigten Platz gebracht werden, der möglichst abgelegen sein musste. Die Rauchfangbeschauer, die ihre jährlichen Rundgänge durch die Häuser machen mussten, oder andere von der Behörde damit Beauftragte sollten in Zukunft auch auf die Sauberkeit in den Häusern achten und Auffälligkeiten zur Anzeige bringen: „So sollen auch nit allein die Zimmer selbsten, sondern auch die Fürheuser, Stiegen, Boden, Kuchel, Stallungen und Haimbligkeiten [=Abort] sauber gehalten, zum öfftern gewaschen, und außgekehrt werden […].“
Der Pestheilige Rochus Pestsäule in Zistersdorf, 1747 Foto: Elisabeth Vavra |
Der letzte Paragraph des ersten Abschnittes widmet sich dem „Bettelgesind“ und den von ihnen ausgehenden Gefahren. Um die „würdigen“ von den „unwürdigen“ Bettlern zu trennen, die fremden umherschweifenden von den ortsansässigen Armen, wurden Bettelzeichen oder -zettel vorgeschrieben: „Sollen denen würdigen gewisse Zaichen und Zettl, darinnen sie mit Namen, Alter und Gestalt beschriben, außgethailt, und daß sie in ihren Dörffern und Pfarren verbleiben, angehalten.“ Wenn ausgewiesene „unwürdige“ Bettler wieder in einer Gemeinde aufgegriffen wurden, so sollten sie „an das Kreutz, oder Pranger gestellt, mit Gefängnuß belegt, oder auch in Eysen geschlagen, und zur Arbeit angehalten“ werden.
Mit diesen Maßnahmen versuchten die Behörden die Einschleppung der Pest oder anderer Seuchen zu verhindern. Welche Anordnungen in Kraft traten, wenn die Seuche einmal ausgebrochen war, darüber erfahren Sie mehr in der kommenden Woche.
Text: Prof. Dr. Elisabeth Vavra
Quelle: Der Römischen Kayserlichen auch zu Hungarn und Böhaimb etc. königlich Mayestätt, Ferdinandi Deß Dritten etc. Ertzhertzogens zu Oesterreich, Unsers Allergnädigsten Herrn, newe Infections-Ordnung, wie es ins gemein auff dem Landt in den Infections-Sachen zuhalten. Wienn 1654.
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