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Kulturbezirk 5, 3100 St. Pölten, Niederösterreich, Austria
Seit 2011 gibt es den Museumsblog. Bis 31. Juli 2016 waren es Themen, die im Zusammenhang mit den drei Kernbereichen des Landesmuseum Niederösterreich (Geschichte - Kunst - Natur) standen. Mit 1. August 2016 wird das Landesmuseum zum Museum Niederösterreich und somit ist der Museumsblog unter neuer Adresse zu finden: www.museumnoe.at/de/das-museum/blog

19. März 2015

#12 „Dr. Schnabel“ geht um …

Der Ausbruch der Pest 1347 standen Behörden wie Mediziner hilflos gegenüber. Ein Gefühl der Ohnmacht verbreitete sich in den Städten. Eine anschauliche Schilderung dieser Stimmung vermittelt uns Giovanni Boccacio in seinem „Decamerone“, dessen Rahmenhandlung im Florenz zur Zeit der Pest 1348/49 spielt:

„Zur Heilung dieser Krankheit schien weder der Rat eines Arztes noch irgendeine Arznei etwas zu vermögen oder von Vorteil zu sein; ob es nun die Natur der Seuche nicht zuließ, oder ob die Ärzte, deren Zahl außer den studierten Leuten ebenso durch Frauen wie durch Männer, die nie einen Unterricht in der Arzneikunst gehabt hatten, übermäßig groß geworden war - in ihrer Unwissenheit nicht erkannt, woher sie rühre, und folglich nicht die richtigen Mittel anwandten, jedenfalls genasen nur sehr wenige, während schier alle binnen drei Tagen, der eine rasche, der andere langsamer und die meisten ohne irgendein Fieber oder einen sonstigen äußeren Anlass starben.“

 
Darstellung von Pesttoten auf einem Freskofragment
Hans Stocinger, 1407 Terlan, Pfarrkirche (© IMAREAL)

An allen Universitäten befassten sich gelehrte Mediziner mit den Ursachen für den Ausbruch der Seuche und mit Möglichkeiten der Bekämpfung. Im Auftrag des französischen Königs verfasste die medizinische Fakultät der Universität zu Paris ein Pestgutachten, in dem sie zu dem Schluss kam, dass eine kosmische Konstellation - also eine besondere Stellung der Planeten zueinander - an dem Ausbruch der Seuche schuld sei. Die Konjunktion von Saturn, Mars und Jupiter hätte zu einem Übermaß an heißen Kräften geführt, dadurch wäre das Wasser auf Erden stärker als üblich verdampft und üble Dämpfe wären so entstanden. Diese Theorie basiert auf einer seit der Antike verbreiteten Vorstellung vom Miasma, der verdorbenen Luft, die vom Menschen eingeatmet wird und so zum Auslöser von Krankheitsprozessen im Körper wird. Um sich vor Ansteckung zu schützen, empfahlen die Mediziner in erster Linie diätische Maßnahmen - und rieten zur Flucht aus den betroffenen Städten. Wer dennoch bleiben musste, sollte sich durch das Verbrennen bestimmter Kräutermischungen in Räucherpfannen, durch das Tragen von Riechäpfeln und durch die Einnahme von Theriak schützen. Theriak war ein seit der Antike bekannte Mixtur, die als Allheilmittel galt. Rezepte für deren Herstellung wurden noch im 19. Jahrhundert verbreitet, wie etwa im 1882 veröffentlichen „Deutschen Arzneibuch“: Die Inhaltsstoffe waren in dieser Rezeptur: 1 Teil Opium,         3 Teile spanischen Wein, 6 Teile Angelikawurzel, 4 Teile Rad. Serpentariae (Wurzel der Virginenhohlwurzel, Aristolochia serpentariae), 2 Teile Baldrianwurzel, 2 Teile Meerzwiebel, 2 Teile Zitwerwurzel, 9 Teile Zimt, 1 Teil Grüner Kardamom, 1 Teil Myrrhe, 1 Teil Eisenvitriol und 72 Teile Honig. In früheren Jahrhunderten fanden sich noch andere Substanzen im Theriak wie etwa Schlangengifte.
 

Von dem sterben oder pestilentz dieseer welt
Holzschnitt aus Franciscus Petrarcha, Von der Artzney
bayder Glück, des guten vnd widerwertigen,
gedruckt bei Heinrich Steiner, 1532 (© IMAREAL)

Die Bekämpfung der Pest öffnete nicht nur akademischen Medizinern eine reich sprudelnde Einnahmequelle; Einblattdrucke und populärmedizinische Traktatchen ließen die Kassa der Buchdrucker klingeln. Die Mittel gegen die Pest, die sie anpriesen, waren mehr als fragwürdig. Ähnlich obskur erscheinen uns heute aber auch die Anweisungen, die von medizinischen Autoritäten ihren Zunftgenossen gegeben wurden: Die Ärzte verordneten ihren pestkranken Patienten Aderlass und Klistiere, beides sollte den Körper reinigen. Mit Brenneisen und Messer mussten die Bader unter der Aufsicht der Ärzte die Pestbeulen öffnen. Die akademischen Ärzte beschränkten sich auf Harnschau, Pulsmessen und die Beobachtung des Kranken. Es gab auch genaue Anweisungen, wie sich die Ärzte beim Hausbesuch verhalten sollten: Zunächst mussten im Krankenzimmer alle Fenster und Türen geöffnet werden, damit die krankmachende Luft entweichen konnte. Der Arzt sollte weder den Kranken noch das Bett oder die Bettwäsche berühren. Die Harnschau sollte er besser im Freien vornehmen und dabei Handschuhe tragen. Um das Einatmen des Pesthauches zu vermeiden, sollte er sich zumindest einen mit Essig und pulverisierten Gewürznelken getränkten Schwamm vor Nase und Mund halten.
 

Bisamäpfel trug man als Anhänger an Gürteln
oder an Rosenkränzen. Hier hat ein geistlicher
Stifter seinen Rosenkranz mit Bisamapfel auf
dem Betpult abgelegt. Salzburg, um 1510.
Salzburg, St. Peter, Stiftsgalerie (© IMAREAL)
In der frühen Neuzeit wurde die Schutzbekleidung der Ärzte weiter perfektioniert. Die Ärzte - „Dr. Schnabel“ nach ihrem Mundschutz genannt - trugen nun ein langes Gewand aus undurchlässigem Stoff oder Leder, dazu Handschuhe und Hut. Ein Stab in der Hand zeichnete sie als Pestarzt aus. Vor dem Gesicht trugen sie eine Schnabelmaske, in die Riechstoffe als Filter eingefüllt wurden. Vor den Augen trug man Gläser aus Kristall, da man die Ansteckung durch Blickkontakt fürchtete.
 

Der Großteil der Bevölkerung konnte sich im Krankheitsfall keinen „Bucharzt“ leisten. Das Volk schöpfte für die Vorbeugung und Behandlung der Pest aus dem reichen Schatz der Volksmedizin und des Aberglaubens. Mit Amuletten versuchte man sich vor der Ansteckung zu schützen. War die Krankheit bereits ausgebrochen, so räucherte man das Haus mit Wacholder, Enzian oder Eberwurz. Man reichte schweißtreibende Substanzen aus Bibernelle und Pestwurz. Zeigen sich die Pestbeulen, dann legte man Frösche auf diese, um sie günstig zu beeinflussen. Auch zum Baldrian griff man, um die Pestdämonen abzuwehren.
Vielleicht noch größer als die demographischen Auswirkungen auf die Gesellschaft waren die psychologischen. Hand in Hand mit der Wirkungslosigkeit der medizinischen Betreuung ging eine Zerrüttung der Gesellschaft einher; alle Regeln, die zuvor das Zusammenleben der Menschen bestimmt hatten, traten außer Kraft: Verwandte verweigerten die Pflege; Pesthäuser wurden geplündert; Tote ohne Glockengeläut und Leichenzug in Massengräbern verscharrt. Wer es sich leisten konnte, floh aus den betroffenen Orten. Wer blieb, betäubte sich und versuchte die vielleicht letzten Stunden seines Lebens exzessiv zu genießen. So berichtet ein Chronist von der Pest in Genf im Jahre 1530:




Pestwurz, Kupferstich aus Wolf Helmhardt von Hohberg,
Georgica curiosa aucta, Auflage von 1716
St. Pölten, NÖ Landesbibliothek  (© IMAREAL)

Unterdessen die Pest wütete, sah ich, wie vor mir mindestens sieben oder acht Körper abtransportiert wurden. Aber hätten Sie die Mädchen gesehen! Sie tanzten zu den Virelais (= mittelalterliches Tanz- und Liebeslied) und sangen Fastnachtslieder. Eine von ihnen wurde von Fieberschauern so geschüttelt, dass es sie zu Boden streckte, man musste sie nach Hause tragen, ohne dass die anderen ihren Tanz auch nur unterbrochen hätten.

Welche Mittel die Obrigkeit in der frühen Neuzeit einsetzte, um Pestepidemien zu verhindern, davon lesen Sie im nächsten Blog.
   
Text: Prof. Dr. Elisabeth Vavra

12. März 2015

#11 Der Schwarze Tod kam über Nacht

„Beulen entwickeln sich an verschiedenen Körperstellen: an den Geschlechtsorgangen, bei manchen Betroffenen an den Oberschenkeln oder Armen und bei anderen am Hals. Zunächst sind diese etwa so groß wie eine Haselnuss, und der Patient wird von heftigen Fieberschauern erfasst, die ihn bald darauf so schwächen, dass er sich nicht mehr auf den Beinen halten kann und ans Bett gefesselt ist. Das zunehmende Fieber raubt ihm alle Kräfte und allen Lebensmut. Die Beulen wachsen auf die Größe einer Walnuss an und sind schließlich so groß wie ein Hühner oder Gänseei. Sie sind überaus schmerzhaft, verunreinigen die Körpersäfte und lassen den Patienten Blut spucken. Das Blut steigt von der befallenen Lunge in den Hals hinauf und die Fäulnis ergreift und zerstört den gesamten Körper. Drei Tage siecht der Patient dahin, spätestens am Viertel erliegt er der Erkrankung.“ 

Die Heiligen Sebastian, Rochus und Wolfgang
Steiermark, um 1480, Bad Aussee,
Spitalskirche © IMAREAL
So beschreibt 1347 der Franziskanermönch Michele da Piazza das Auftreten einer neuen Krankheit in Sizilien. Im Herbst 1347 hatten genuesische Schiffe den Pesterreger von der Krim nach Italien gebracht. Hilflos war man dieser Seuche ausgeliefert. Rasant breitete sie sich über Europa aus und dezimierte die Bevölkerung. Florenz - für das späte Mittelalter eine Großstadt mit ungefähr 100.000 Einwohnern - schrumpfte fast auf die Hälfte seiner Bewohner zusammen; ebenso widerfuhr es Venedig. Die sich ausbreitende Seuche gelangte auf dem Seeweg nach Westen und von dort in das nördliche Europa. Auf dem Landweg breitete sie sich über die Alpen Richtung Mitteleuropa aus. Allerdings hatte sie hier, wie neueste Forschungen zeigen, nicht so weit reichende Bevölkerungsverluste zur Folge. Nicht alle Gebiete wurden betroffen.  Schwerwiegender war der Umstand, dass es mit der ersten Pestwelle um 1347/1350 nicht getan war. In fast regelmäßiger Folge traten Epidemien auf. Die Freie Reichsstadt Nürnberg etwa, eine der bevölkerungsreichsten Städte und Handelsmetropole am Schnittpunkt wichtiger Verbindungsrouten, erlebte zwischen 1359 und 1543 fünfzehn Epidemien. Auch in anderen wichtigen Zentren wie Augsburg tauchte der Erreger in Abständen von zehn Jahren immer wieder auf und dezimierte die Bevölkerung. Ganz ähnlich erging es vielen Städten. 

Schutzmantelmadonna, Thomas von Villach, um 1460
Gerlamoos, Filialkirche St. Georg © IMAREAL
Das plötzliche Auftreten der Seuche und die kurze Dauer vom Ausbruch der Krankheit bis zum Tod versetzten die Menschen in Angst und Schrecken. Als die wahre Ursache der Seuche wurde der Zorn Gottes über die Sündhaftigkeit der Welt angesehen:
„Ihr müsst die Ursachen der Pest heilen, die da sind die abscheulichen Sünden, die begangen werden: Blasphemie gegen Gott und die Heiligen, die Schulen der Sodomie, die unerhörte Wucherei … Handelt, handelt, und ihr werdet mit der Pest fertig,“ so tönte es in den Kirchen von den Kanzeln. 


Pfeilmartyrium des heiligen Sebastian
Niederösterreich, um 1490
Stift Herzogenburg, Galerie © IMAREAL
Man suchte Zuflucht bei den Heiligen, gelobte Wallfahrten oder Prozessionen und hoffte, so von einer Ansteckung verschont zu bleiben oder zumindest die Ausbreitung einzudämmen. In der Mitte des 14. Jahrhunderts gab es aber noch keinen für die Pest „zuständigen“ Heiligen. So musste man passende finden. In der Ikonographie der Pest wurde die Seuche durch von Gott verschossene Pfeile visualisiert. Als Schutzheiliger bot sich einer an, der ein Pfeilmartyrium überlebt hatte: Die Wahl fiel daher auf den heiligen Sebastian. Der heilige Sebastian kam angeblich in Narbonne zur Welt. Er wuchs in Mailand als Christ am Ende des 3. Jahrhunderts auf. Als Kommandant der kaiserlichen Leibgarde in Rom versuchte er, seinen in Gefangenschaft geratenen Glaubensbrüdern und -schwestern zu helfen. Das erweckte das Misstrauen des Kaisers. Sebastian wurde vom Dienst suspendiert und zum Tode verurteilt. Die Hinrichtung sollte mit Pfeilen erfolgen. Man band ihn an einen Baum und beschoss ihn mit Pfeilen. Sebastian überlebte und eine fromme Witwe namens Irene pflegte ihn gesund. Sebastian trat dann wieder in der Öffentlichkeit auf; der Kaiser ließ ihn abermals verhaften und erschlagen. Den Leichnam warf man in die cloaca maxima. Seiner Hilfe gegen die Pest wurde die Stadt Rom erstmals im 7. Jahrhundert  während der ersten großen Pestepidemie in Europa teilhaftig. In feierlicher Prozession trug man damals die Reliquien des Heiligen rund um die Stadt und durch die Gassen - und siehe, die Pest erlosch. Was lag näher, als sich beim Ausbrechen der Seuche im 14. Jahrhundert wieder an diesen Heiligen zu erinnern. Hilfe erhoffte man sich natürlich auf von Maria. Oft sind es Darstellungen der sog. Schutzmantelmaria, die an diese ihre Funktion erinnern. Der Mantel, unter dem die Christenheit, vertreten durch Repräsentanten aller Stände, Zuflucht finden, wehrt die Pestpfeile ab, die Gottvater oder Christus erzürnt vom Himmel auf die Menschheit schleudern.

Der heilige Rochus erkrankt an der Pest
Nürnberg, um 1480
Nürnberg, St. Lorenz © IMAREAL
Ein dritter im Bunde ist der heilige Rochus, der selbst als Pestkranker dargestellt wird. Er wurde um 1295 in Montpellier in Südfrankreich geboren. Zunächst studierte er Medizin, dann aber verschenkte er seinen Besitz an die Armen und begab sich auf Pilgerschaft. Auf seiner ersten Reise gelangte er nach Rom, pflegte dort Pestkranke und heilte sie. Auf der Rückreise in seine Heimat erkrankte er selbst in Piacenza an Pest. Dem Tode nahe retteten ihn ein Engel, der ihm Mut zusprach, und ein Hund, der ihn mit Brot versorgte. Als er endlich seine Heimatstadt erreichte, erkannte ihn dort niemand; man verdächtigte ihn, ein Spion zu sein und warf ihn in den Kerker, wo er im Alter von 32 Jahren verstarb. 1485 gelangten seine Reliquien nach Venedig, in eine Stadt, die besonders durch die wiederholten Pestepidemien im Spätmittelalter zu leiden hatte. Seit 1520 befinden sie sich in der Kirche der Erzbruderschaft San Rocco. 1576 wurde Rochus neben Markus zum zweiten Schutzpatron der Stadt. 
Aber nicht nur das Spätmittelalter kannte die Pest. Zu weiteren schweren Epidemien kam es in den 70er und 80er Jahren des 17. Jahrhunderts und dann noch einmal zu Beginn des 18. Jahrhunderts zwischen 1708 und 1714. Zeugen dieser letzten beiden Epidemien sind die zahlreichen Pestsäulen, die zum Dank für das Erlöschen der Seuche gestiftet wurden.
Welche Maßnahmen man aus medizinischer Sicht gegen die Pest empfahl und welche Schritte die Obrigkeit unternahm, um die Ausbreitung einzudämmen, davon lesen Sie im kommenden Blog.

Text: Prof. Dr. Elisabeth Vavra

26. Februar 2015

#10 Geißeln der Menschheit – die Lepra

In den letzten Tagen macht eine Kinderkrankheit Schlagzeilen: Berlin steht im Bann einer Masernepidemie. Ein Kleinkind ist der Krankheit sogar erlegen. Hand in Hand mit diesen Ereignissen flammt wieder die Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern von Impfungen auf. Die einen warnen vor Impfkomplikationen, die anderen vor der Gefahr von weiträumigen Epidemien, da einerseits Impfmüdigkeit herrscht, andererseits durch die Zuwanderung zahlreiche Menschen ohne Impfschutz, Erwachsene wie Kinder, nach Europa kommen. Die Fortschritte in der Medizin können heutzutage meist Komplikationen während einer Masernerkrankung hintanhalten, in der Vergangenheit vor der Entdeckung von Antibiotika, forderten auch Kinderkrankheiten zahlreiche Opfer.

Aber es waren nicht nur Kinderkrankheiten. In regelmäßigen Abständen verbreiteten sich Infektionskrankheiten, oft mit erschreckender Geschwindigkeit, in unseren Regionen. Die einen traten epidemisch mit hohen Sterblichkeitsraten auf wie etwa Pest oder Cholera, andere befielen den Einzelnen und führten zu langem Siechtum. Eine solche Krankheit war die Lepra, im Mittelalter Aussatz genannt. 


Hl. Franziskus küsst einen Aussätzigen, Böhmen, 14. Jh.
© IMAREAL
Sie ist eine der ältesten bekannten Krankheiten; eine ihrer ersten Erwähnungen findet sie in einem altägyptischen Papyrus medizinischen Inhalts, dem Papyrus Hearst, um 1500 v. Chr. entstanden. Wir kennen die Krankheit aus dem Alten und Neuen Testament: Hiob wird als Prüfung Gottes vom Aussatz befallen; Jesus heilt Aussätzige. Den Entstehungsherd der Krankheit nimmt man in Ostafrika oder in Indien an. Mit den Wanderbewegungen der Menschheit breiteten sich die Bakterien, die die Krankheit verursachen, aus. 
In der klassischen Antike – in Griechenland und Rom – scheint sie relativ häufig vorgekommen zu sein. Auch bei den Langobarden im 7. Jahrhundert kam sie vor. Ihre weitere Verbreitung kann man im Mittelalter dann durch das Entstehen von Versorgungsheimen für Aussätzige, den sog. Leprosorien, verfolgen. Einen Höhepunkt erreichte die Verbreitung der Krankheit im 13. Jahrhundert. Ab dem 16. Jahrhundert trat sie nur mehr äußerst selten auf. Ein Grund für die rückläufige Tendenz war sicher die Verwahrung der Erkrankten in abgesicherten Bereichen und auch der Umstand, dass die Krankheit im Gegensatz zu anderen Infektionskrankheiten nicht sehr ansteckend ist. 


Der Krankheitsverlauf ist schleichend. Durch die Infektion mit dem Bakterium Mycobacterium leprae sterben die Nerven ab; durch eine Verdickung des Blutes werden die Blutgefäße verstopft und die Patienten fühlen an den betroffenen Stellen weder Kälte, Wärme noch Schmerzen. Verletzungen werden nicht bemerkt und führen so zu Sekundärinfektionen. Körperteile sterben ab; es kommt zu Verunstaltungen und Verstümmelungen. 


Den Namen „Aussatz“ erhielt die Krankheit, weil die Betroffenen aus der Gemeinschaft der Gesunden ausgeschlossen wurden und vor den Mauern der mittelalterlichen Städte in den abgeschlossenen Leprosorien leben mussten. Leprakranke galten als tot. Bevor sie in den Leprosorien Aufnahme fanden, wurden sie in einem Zeremoniell, das dem der Totenfeier glich, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Der Erkrankte regelte seinen Nachlass, man feierte die Totenmesse und begleitete ihn unter Glockengeläute und Gebeten aus der Stadt zu seiner neuen Bleibe. Das Leben im Leprosenhaus war wie das in einem Kloster organisiert. Die Insassen mussten eine typische Kleidung tragen, um für jeden deutlich erkennbar zu sein. Begaben sie sich in die Stadt, mussten sie die anderen Passanten mit einer Klapper oder einem Horn auf sich aufmerksam machen. Sie mussten die Nähe von öffentlichen Brunnen meiden, durften keine Waren berühren und keine Gasthäuser 

Aussätziger mit Klapper , Maria Saal,
um 1510  © IMAREAL
betreten. Aussätzige lebten von der Mildtätigkeit ihrer Mitmenschen. Leprosenhäuser wurden in Stiftungen und Testamenten gern bedacht, erhofften sich die reichen Mitbürger doch durch solche Mildtätigkeit Rettung für ihre Seele und Minderung der Sündenschuld.
Da man im Mittelalter der Meinung war, dass der Aussatz hochansteckend wäre, regelte die Obrigkeit genau den Umgang mit Aussätzigen. Konzilsbeschlüsse beschäftigten sich damit ebenso wie die Gesetze der Langobarden oder Karolinger. Um 1200 gab es allein in Frankreich 2000 Leprosorien. Die hohe Zahl, die für Europa daraus hochzurechen ist, kann man leider nicht nur als Beweis für ein häufiges Auftreten interpretieren, sondern auch als Beleg für zahllose Fehldiagnosen. Denn die Diagnose „Aussatz“ wurde sehr rasch, beim ersten Auftreten von Veränderungen der Haut, Ausschlägen oder Geschwüren gestellt. Waren es zunächst Richter, die die Diagnose stellten, so wurden dazu später die Leiter der Leprosenhäuser, die Meister, herangezogen. In der Folge ging die Kompetenz auf die Wund- und Stadtärzte über, die die für den Betroffenen schwerwiegende Diagnose zu stellen hatten. Diese überprüften anhand eines Kriterienkataloges, der verschiedene Stadien der Erkrankung und des Verlaufs unterschied sowie sichere und unsichere Anzeichen des Aussatzes anführte, ob die Krankheit vorlag, was im 15. Jahrhunderts immerhin noch in etwa 10 % der vorgeführten Betroffenen der Fall war. Untersuchungen, die man dabei durchführte, waren etwa das Stechen mit der Nadel, um das Schmerzempfinden zu überprüfen oder die Suche nach Geschwülsten im Ohr und auf der Zunge. Man kontrollierte die Kopfhaut, da sich hier die Krankheit früh durch Schwellungen oder Ausfallen der Haare bemerkbar machte. Auch eine heisere Stimme war verdächtig. Man muss kein Mediziner sein, um zu erkennen, dass all diese Symptome auch bei anderen Krankheiten auftreten können.


Die hl. Elisabeth pflegt einen Aussätzigen,
Slowakei, Ende 15. Jh. © IMAREAL
Für die Ursache der Krankheit hatte man die unterschiedlichsten Erklärungen: die einen meinten, dass falsche Ernährung Verursacher sei. Man warnte vor dem Genuss von Pferdefleisch und vor übermäßig gewürzten Speisen. Andere machten den Lebenswandel dafür verantwortlich: Aussätzige galten als verbrecherisch, zügellos und lasterhaft. Man fürchtete ihren bösen Blick und verdächtige sie der Brunnenvergiftung.
Eine soziale Besserstellung erfuhren Aussätzige erst durch die Bettelorden, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, auch den Ärmsten der Armen zu dienen – und das waren im Mittelalter unzweifelhaft die Aussätzigen. Die Tafeln der Flügelaltäre in den Kirchen zeigten nun auf einmal Heilige, etwa Franziskus, Ludwig oder Elisabeth, wie sie sich um die Aussätzigen kümmerten, ihre Wunden wuschen, ihnen zu essen und zu trinken gaben. Aus dem Ausgestoßenen wurde ein Mensch, an dem jeder Christ die Werke der Barmherzigkeit zu üben hatte.    


Mit dem 16. Jahrhundert war die Krankheit zumindest in Mittel- und Westeuropa eingedämmt. Durch die Kolonialisierung gelangte der Erreger nach Westafrika und Amerika, und weiter in die Karibik und nach Brasilien. Noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es Leprafälle in Skandinavien, auf Island und der Iberischen Halbinsel, in der Provence und an den italienischen Küsten, in Griechenland und auf den Inseln des Mittelmeers, wie Meyers Konversationslexikon von 1888 berichtet. In Norwegen zählte man 1862 noch 2119 Aussätzige bei nicht ganz 2 Millionen Einwohnern. Heute finden sich die meisten Krankheitsfälle noch in Asien, hier besonders in Indien, gefolgt von Südamerika. Die Tendenz ist stark rückläufig. Laut WHO erkrankten 2012 „nur mehr“ 232.857 Menschen an Lepra (http://www.who.int/lep/en/).

Text: Prof. Dr. Elisabeth Vavra

19. Februar 2015

#9 Letzte Hoffnung - Eiserne Lunge

Zunächst trat der Virus nur vereinzelt auf: Der schottische Dichter Sir Walter Scott war eines der ersten namentlich bekannten Opfer der neuen Krankheit, der man den Namen „Kinderlähmung“ gab, da meist nur Kinder oder Jugendliche ihr zum Opfer fielen. Scott war zwei Jahre alt, als er 1773 daran erkrankte. Zurück blieb ein gelähmtes Bein. Ab dem Ende des 19. Jahrhunderts breitete sich der Virus alle  fünf bis sechs Jahren – meist zur Sommerszeit – epidemisch in Europa und Nordamerika aus. 1914 starben allein in den USA 27.000 Menschen an Polio.
 

Die Krankheit Poliomyelitis beginnt wie eine Grippe mit hohem Fieber und Kopfschmerzen; dann setzt Nackensteifigkeit ein. In diesem Stadium entscheidet sich das weitere Schicksal der Erkrankten. Sind die körpereigenen Abwehrreaktionen zu schwach, greift der Poliovirus die Nervenbahnen an, die für die Muskelsteuerung zuständig sind. Es kommt zu unterschiedlich starken Lähmungserscheinungen. Je nach Schwere des Falles kann auch das die Atmung steuernde Zwerchfell davon betroffen sein. Die Erkrankten sterben eines qualvollen Erstickungstodes. 
Ausstellungsansicht "Bader, Medicus, Primar" mit
Eiserner Lunge, Foto: H. Lackinger
Bis 1928 gab es in einem solchen Fall keine Hilfe. Wie so oft bei Erfindungen kam der Zufall zur Hilfe. Um 1920 beauftragte die New Yorker Gas- und Elektrizitätsgesellschaft den Ingenieur Philip Drinker, der an der Medizinischen Fakultät der Harvard Universität in Boston arbeitete, mit der Entwicklung eines Gerätes zur Behandlung von Opfern einer Gasvergiftung oder eines Stromschlages. Drinker entwickelte ein Gerät, das den Patienten/die Patientin mittels Aufbau eines Unter- bzw. Überdruckes beatmete. Der Körper liegt in einem Hohlzylinder, aus dem nur der Kopf herausragt. Um den Hals liegt ein luftdichter Verschluss. Das Gerät erzeugt einen Unterdruck. Dabei drückt der Umgebungsdruck Außenluft durch Nase und Mund des Patienten in den Lungen. Die Ausatmung erfolgt durch den Aufbau eines Überdrucks in der Kammer. Mit Über- und Unterdruck wird die Lungenfunktion erhalten. Drinker testete das Gerät 1928 im Selbstversuch. Er begann zwar zu hyperventilieren, aber das System funktionierte. Kurz danach wurde ein Mädchen mit schwerer Kinderlähmung in die Klinik eingeliefert. Es lag bereits im Koma. Nach zwei Minuten in der Druckkammer kam es wieder zu sich. Im Mai 1929 wurde die Behandlungsmethode in der medizinischen Fachpresse veröffentlicht und nach Anmeldung des Patents im September der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Journalisten tauften die Druckkammer „Eiserne Lunge“.
Eiserne Lunge und Gynäkologen-Stuhl, Foto: A. Giesswein
In der Folge rettete die Beatmungsmaschine tausenden an Polio Erkrankten das Leben. 1931, als wie-der eine schwere Polioepidemie die Vereinigen Staaten heimsuchte, gingen die Eisernen Lungen in Massenproduktion. Es entstanden riesige Beatmungszentren. Eiserne Lungen füllten während der Epidemien ganze Turnhallen. Manche mussten nur in der kritischen Phase in die eiserne Röhre; andere blieben Monate, Jahre, ja manchmal ihr ganzes Leben in dem eisernen Sarg. Einen traurigen Rekord stellte die Australierin June Middleton auf, die wenige Tage vor ihrer Hochzeit 1949 an Kinderlähmung erkrankte. Sie verbrachte 60 Jahre in der Eisernen Lunge und starb am 30. Oktober 2009 im Alter von 83 Jahren.
1948 konnte man den Poliovirus isolieren. 1954 gelang dem US-amerikanischen Immunologen Jonas Salk die Entwicklung eines Impfstoffes mit abgetöteten Viren, der noch injiziert werden musste. In den 60er Jahren entwickelte der US-amerikanische Virologe Albert Sabin einen Lebendimpfstoff, der als Schluckimpfung verabreicht werden konnte, was die Anwendung erleichterte. Die Kinderlähmung ist allerdings noch immer nicht ausgerottet; in den Entwicklungsländern existierten noch vereinzelt kleine Virusherde.

Text: Prof. Dr. Elisabeth Vavra

12. Februar 2015

#8 Der Februar - ein „heilsamer“ Monat


Schon in den alten Hochkulturen beschworen Priester im Krankheitsfall Gottheiten durch Gebet und Sühnezeremonien, um den Menschen zu helfen. Sie legten Hände auf, berührten die Leidenden mit Symbolen der Gottheit oder ließen in ihren Tempeln den religiösen Akt des Heilschlafes vollziehen.
Mit der Ausbreitung der christlichen Heilslehre trat an die Stelle des Tempelschlafes der Kirchenschlaf, vor dem die Gläubigen Beichte und Buße ablegten. An die Stelle der antiken Götter traten nun Märtyrer und Bekenner, die im Krankheitsfall angerufen wurden, zu deren Grabstätten man pilgerte und um deren vorbeugenden Segen die Christenheit bat.
Der Monat Februar ist besonders reich an solchen Krankheitspatronen, deren gesamte Zahl nahezu unüberschaubar ist. Er beginnt am 3. Februar mit dem Fest des heiligen Blasius, der vor Halskrankheiten und anderen Übel bewahren soll:

Hl. Blasius - Stift Seitenstetten,
Sammlungen (© IMAREAL)
„Auf die Fürsprache des heiligen Bischofs und Märtyrers Blasius befreie und bewahre Dich der Herr vor Halskrankheiten und anderen Übel“ So formuliert ein Blasius-Segen aus dem 16. Jahrhundert. Die Wortwahl macht deutlich, dass die Heiligen von den Gläubigen „nur“ als Fürsprecher eingesetzt wurden. Der oder die Heilige vollzog das Wunder nicht selbst, sondern er/sie vermittelte die Heilung bzw. bekam durch Gott die Kraft verliehen, eine Heilung und damit ein Wunder zu vollziehen.
Der heilige Blasius gehört zu der Gruppe der frühen, historisch nicht fassbaren und nur in Legenden überlieferten Heiligen. Er soll als angesehener Arzt im 3. Jahrhundert in Armenien gelebt haben. Er wurde Bischof in seiner Heimatstadt Sebaste und wurde während der Christenverfolgungen eingekerkert. Während seines Gefängnisaufenthaltes rettete er durch sein Gebet ein Kind, dem eine Fischgräte im Hals stecken geblieben war, vor dem Erstickungstod. 316 erlitt Blasius auf Befehl des Statthalters das Martyrium. Er wurde enthauptet.
Aus der Legende um die verschluckte Fischgräte leitet sich seine Funktion als Fürsprecher bei Halskrankheiten ab. Als solcher wird er im Orient bereits im 6. Jahrhundert verehrt. Reliquien des Heiligen kamen nach benediktinischer Tradition  über Rom 855 in das auf einer Rheininsel gelegene Kloster Rheinau (Kanton Zürich), das zum Mutterkloster des Benediktinerklosters St. Blasien im Schwarzwald wurde. 972 gelangten Reliquien des Heiligen, darunter sein Kopf, die Arme, ein Bein und Teile des Halses, nach Dubrovnik. So wurde der Heilige zum Patron dieser Stadt. Die heute kostbar gefassten Reliquien sind im Dommuseum zu Dubrovnik zu sehen.
Am 3. Februar wird in den Kirchen mit zwei gekreuzten oder miteinander verflochtenen Kerzen der Blasius-Segen erteilt.

Hl. Agatha - Fresko in der Spitalskirche zu
Waidhofen an der Ybbs (© IMAREAL)
Ebenfalls im 3. Jahrhundert lebte Agatha, deren Fest die katholische und die orthodoxe Kirche am 5. Februar feiert. Sie lebte in Catania auf Sizilien. Als sie die Werbungen des Landpflegers Quintianus nicht erhörte, da sie ihre Jungfräulichkeit als Gott geweihte Jungfrau bewahren wollte, ließ er sie in ein Freudenhaus verschleppen. Als der Aufenthalt dort nichts fruchtete, wurde sie verurteilt und auf vielfältige Weise gemartert. So wurden ihr die Brüste mit Klauen zerfleischt und abgeschnitten; Petrus in Begleitung von Engeln pflegte sie des Nachts im Kerker. Schließlich wurde sie auf glühenden Kohlen verbrannt. Ihr Martyrium machte sie prädestiniert als Helferin bei Brustleiden angerufen zu werden. 
Als ein Jahr nach ihrem Tod der Ätna ausbrach, zog die Bevölkerung von Catania mit dem Schleier der Heiligen gegen den Lavastrom, der die Stadt bedrohte, und er kam zum Stillstand. Die heilige Agatha ist seitdem die Schutzpatronin von Catania, deren Fest mit einer großen Prozession begangen wird. In manchen Gegenden der Schweiz, Süddeutschlands und Österreichs wird Agathenbrot in Form kleiner Brüste gebacken und am 5. Februar oder am Vorabend gesegnet. Es soll vor Fieber und Krankheiten der Brust schützen. Dem Vieh wurde es vor dem Almauftrieb gefüttert. Krumen der Brote wurden in die Ecken der Häuser gestreut, um diese vor Feuer zu schützen. Vor Feuer und Blitzschlag sollten auch am Agathentag geweihte Kerzen bewahren.

Hl. Apollonia, hier gemeinsam mit der
hl. Ottilie dargestellt - Bad Aussee,
Spitalskirche (© IMAREAL)
Die Hilfe der heilige Apollonia, deren Fest am 9. Februar begangen wird, hätten wir alle wohl schon gern in Anspruch genommen, gilt sie doch als Patronin bei Zahnschmerzen. Ihre Lebensgeschichte ist nur in Legendtexten fassbar. In den frühen Legenden zu ihrem Leben wird erzählt, dass sie als angesehene alte Frau in Alexandria lebte, bis sie bei einer Christenverfolgung aufgegriffen wurde. Ihr wurden die Zähne ausgeschlagen und die Kinnlade zertrümmert. Ihre Peiniger drohten ihr den Tod am Scheiterhaufen an, sollte sie nicht dem christlichen Glauben abschwören. Sie aber stürzte sich freiwillig in die Flammen. Spätere Legenden „korrigierten“ ihr Leben und schmückten es weiter aus. Aus der ägyptischen alten Frau wurde eine schöne römische Fürsten- oder Kaisertochter, die trotz zahlreicher Marter und Qualen ihrem Glauben treu blieb. Als schöne junge Frau haben sie auch die Künstler durch die Jahrhunderte dargestellt. Die Attribute, an denen Apollonia leicht zu erkennen ist, sind zumeist eine überdimensionierte Zange und ein oder mehrere Zähne.

Hl. Valentin - Laakirchen,
Pfarrkirche (© IMAREAL)
Noch komplexer gestaltet sich die Legende des letzten Heiligen des Monats Februar, den ich Ihnen hier vorstellen möchte. Sie kennen ihn alle als Patron der Liebenden: Ich spreche vom heiligen Valentin, dessen Fest wir am 14. Februar feiern - sehr zur Freude zahlreicher Geschäftszweige.
In der legendären Überlieferung vermengen sich die Geschichten zweier Personen miteinander: Da gab es einmal angeblich einen Priester Valentin von Rom, der Liebespaare trotz Verbot nach christlichem Ritus traute und sie mit Blumen beschenkte. Wegen der verbotenen Trauungen soll er am 14. Februar 269 hingerichtet worden sein. Dann gibt es noch Valentin von Terni (Umbrien), einen Bischof, der durch Krankenheilungen und seine Freigebigkeit zahlreiche Römer und Römerinnen zum christlichen Glauben bekehrte. Er erlitt 268 den Märtyrertod. Von ihm wird in der Legende berichtet, dass er eines Wintertages einem Armen seinen Mantel schenkte. Am selben Tag brachte ihm der Jüngling den Mantel mit den Worten zurück: „Hier ist das Kleidungsstück, mit dem du Christus selbst beschenkt hast. Als Lohn dafür sollst Du die Gabe haben, Gichtkranke und Fallsüchtige von ihrer Krankheit zu heilen.“
Das Mantel-Motiv kommt Ihnen sicher bekannt vor, wir kennen es auch aus der Lebensbeschreibung des heiligen Martin von Tours. Bei Valentin wird die Mantelspende allerdings mit der Gabe belohnt, Gichtkranke und Fallsüchtige - damit sind Epileptiker gemeint - zu heilen. So wird Valentin zu deren Patron. Und hier vermischt sich seine Legende mit dem Leben eines dritten Heiligen, mit dem des heiligen Valentin von Rätien, dessen Fest die Kirche am 7. Jänner im deutschsprachigen Gebiet begeht. Er war einer der ersten Bischöfe von Passau und wurde ebenso bei Epilepsie, Krämpfe und Gicht angerufen. Sehr oft können wir bei bildlichen Darstellungen des Heiligen nicht entscheiden, ob es sich jetzt um den Valentin von Rätien oder den von Terni handelt. Was ja eigentlich auch nebensächlich ist - Hauptsache, er hilft. 

Text: Prof. Dr. Elisabeth Vavra

5. Februar 2015

#7 Warum sollte ein Mensch sterben, in dessen Garten Salbei wächst?

So fragten die Gelehrten an der Schule von Salerno – eine der wichtigsten medizinischen Lehranstalten im Mittelalter – ihre Schüler. Salbei galt seit der Antike als eine der wichtigsten Heilpflanzen.
Sie fragen sich vielleicht, warum ich heute ausgerechnet auf den Salbei zu sprechen komme; daran sind nicht die Halsschmerzen schuld, die viele von uns derzeit quälen, und der Salbeitee, mit dem wir gerade in der Hoffnung auf Besserung gurgeln. Nein – es gibt einen anderen Grund:
 

Salvia officinalis © thinkstock
Der Salbei ist zur Aromapflanze des Jahres 2015 gekürt worden. Seit einigen Jahren wählt  VAGA – die Vereinigung für Aromapflege und gewerbliche Aromapraktiker/innen – eine Pflanze zur Aromapflanze des Jahres. Rund um die jeweilige Duftpflanze wird auch ein  Wettbewerb – „thescenteddrop“  – ausgeschrieben, an dem sich jeder beteiligen kann. Die Preisverleihung des „Duftpflanzenoscars“  findet heuer am 19. September 2015 in Graz statt. Jedes Jahr werden die ungewöhnlichsten und stimmigsten Ideen bzw. Kreationen rund um die Duftpflanze des Jahres ausgewählt. Ausgeschrieben werden Projekte in sechs Kategorien: Wissenschaft, Gesundheit & Forschung, Gewerbe, Kulinarik & Genuss, Kunst & Handwerk, Kultur & Geschichte, Gartenbau & Landwirtschaft. Einreichfrist ist der 30. Juni 2015. Das Projekt „thescenteddrop“, das heuer zum dritten Mal stattfindet, soll u.a. eine Basis für eine interdisziplinäre und überregionale Vernetzung von Menschen und Institutionen, die mit heimischen Kräutern bzw. Duftpflanzen arbeiten, schaffen. Wenn Sie mehr erfahren wollen, dann besuchen Sie die Webseite des Projektes unter http://www.thescenteddrop.eu/.


Salvia sclarea © thinkstock
Schon der Name der Pflanze „Salbei“ deutet auf ihr breites medizinisch-pharmazeutisches Wirkungsspektrum hin: Salbei, lateinisch „salvia“ leitet sich „salvare“ – heilen her.
Die Pflanzengattung Salbei ist auf allen Kontinenten mit Ausnahme der Antarktis und Australiens verbreitet und kommt in zahllosen Arten vor; die Botaniker nehmen bis zu 1100 Arten an. Die für Heilzwecke eingesetzten Arten sind u.a. Salvia officinalis L., Salvia sclarea (Muskateller-Salbei) und Salvia fruticosa (Griechischer Salbei, die besonders reich an wirksamen ätherischen Substanzen sind, die auch für den typischen Geruch und den würzigen Geschmack verantwortlich sind.


Salvia sclarea © thinkstock
Salbei wird in unterschiedlichen Verwendungsformen eingesetzt: als Tee, für Waschungen, als Zusatz für Kosmetika, als Tinktur oder als Öl. Traditionell hat Salbei drei Hauptanwendungsgebiete: Er wird bei Atemwegserkrankungen, bei Probleme im Mund- und Rachenraum (einschließlich der Zahnpflege) sowie bei übermäßigen Schwitzen verwendet. In der Vergangenheit war das Spektrum der Anwendung noch viel größer: 

Blättern wir doch wieder einmal im Kräuterbuch des Leonhart Fuchs von 1543. Hier finden wir im Kapitel XCII den „Echten Salbei“ gemeinsam mit dem „Griechischen Salbei“ abgehandelt:
 

„Salbey würdt von den Griechen genent Elelisphacon, von den Lateinischen Salvia, welchen namen die Apotecker behalten haben. […]
Des Salbey seind zwey geschlecht groß unn klein. Der groß Salbey würt also geheyssen von der grossen und breyten bletter wegen, darumb nennt man ihn auch breyt Salbey. Der klein Salbey hat schmelere unnd kleinere bletter, würt auch spitz Salbey und edler Salbey geheyssen. Man nent ihn auch Creutz Salbey vonn wegen der zweyer angehenckten örlin am styl oder end des blats, welche einem creutz gleich seind.
Der groß Salbey ist ein staud mit vilen ästen und stengeln welche vierecket und weißlecht seind. Seine bletter vergleichen sich ettlicher maß mit den Kütten blettern seind aber lenger herter dicker und rauch runtzlecht wie ein beschaben abgetragen wulle kleyd weißlecht und eines starcken geruchs. Die blumen seind purpurbraun mit weiß vermischt, gekrümpt wie ein Adler schnabel. So dise abfallen bringt er in den heüßlin oder secklin same dem Scharlach [Wiesensalbei, Muskateller-Salbei] gleich. Der klein Salbey ist dem vordrigen gleich, aber seine bletter seind schmeler kleiner und weisser oder mehr äschenfarb und haben am styl unden zwey kleine angehenckte örlin, die man am grossen nit findt.
Salbey wechst gern an rauhen orten, doch beyderley geschlecht pflantzt man in allen gärten.
Salbey blüet im Brachmonat [Juni] und Hewmonat [August] und bringt auch zu seiner zeit den samen. 


Salbey wermet und zeücht [zieht] zusamen.
Salbeyen bletter in wasser gesotten und getruncken treiben den harn, bringen den frawen ihre zeit unnd treiben auß die todten frucht. Mit disem wasser gezwagen [gewaschen] macht schwartz har. Salbey ist auch gut zu allerley wunden, seubert dieselbigen und heylet sie. Salbey stillet das blut, so auß den wunden laufft, darüber gelegt. Die bletter und äst in wein gesotten und darmit gewäschen vertreiben das jucken an den gemechten [Hoden und Penis]. Salbey übergelegt heylet die bissz der gifftigen Thiern. Salbey mit Wermut gesotten und getruncken heylet die rot rhur. Salbey übergelegt zeücht die würm auß den ohren [Ohrwurm bedeutet Ohrenschmerzen]. Die bletter in wasser gesotten vertreiben den husten und die weetagen der seiten. Salbey ist gut der verstopfften leber.“
 

Salvia officinalis © thinkstock
Gerade im Mittelalter waren die Anwendungsweisen des Salbeis auch oft mit abergläubischen Praktiken verbunden. So lautet etwa ein Rezept gegen Fieber in einer Handschrift aus dem 15. Jahrhundert: „Nym 3 salvaypletter auff ainem stengel ains morgens vor der sunnen vnd schreyb auff das ain blatt † pater † pax, auff das ander plat † filius † vita, auff das dryt plat schreyb † spiritus † sanctus sit tibe contra febrem remedium amen. Das tue drey morgen vor der sunnen vnd alle male so nym 3 pletter, dor noch so sprich funff pater noster vnd funff ave maria vnd ain glauben.“

Salbeiblätter wurden auch für Liebeszauber verwendet: „nimm drei Salbeiblätter und schreib auf das erste Adam Eva, auf das andere Jesus Maria, auf das dritte deinen und ihren Namen. Brenn diese Blätter zu Pulver und bringe dies der Person beim Essen oder Trinken bei.“    

Nun, vielleicht sollte man sich einer solchen Rezeptur bei einem Essen am kommenden Valentinstag bedienen; wer weiß, vielleicht wirkt der Liebeszauber noch heute. Und Salbei ist ja auch in der Küche ein unverzichtbares Gewürz!

Text: Prof. Dr. Elisabeth Vavra

4. Februar 2015

Pilgern mit Eduard Gurk – Lilienfeld und Marktl


Bisher erschienen:
http://landesmuseum.blogspot.co.at/2014/10/pilgern-mit-eduard-gurk.html
http://landesmuseum.blogspot.co.at/2015/01/pilgern-mit-eduard-gurk-die-heiligen.html

Monika Schaar-Willomitzer und ich sind weiterhin auf Spurensuche und besuchen Örtlichkeiten, die der Biedermeiermaler Eduard Gurk in seiner „Mahlerischen Reise von Wien nach Maria Zell“ 1833 dargestellt hat, zuletzt waren wir in Annaberg zu Gast [s. Beitrag 2015/01]. Auf dem Blatt „Aussicht vom Annaberge gegen den Ötscher“ ist ein Zisterziensermönch zu sehen. Diesen Geistlichen hatte das Stift Lilienfeld zugeteilt, dort finden wir uns dieses Mal ein.

Bevor wir Lilienfeld erreichen, legen wir noch einen Zwischstopp in Marktl ein. Der Ortsteil ist geprägt von Industrie, Autoverkehr und Traisen. Schon zu Gurks Zeiten stand hier eine mächtige Fabriksanlage, aus deren Schloten sich der Rauch malerisch mit den Wolken vermischte. Heute steht an dieser Stelle das Stammwerk der Firma Neumann Aluminium und Prefa Aluminiumprodukte. Der dargestellte Stein mit Marterl existiert nicht mehr, er musste der Straßenverbreiterung weichen. Das dahinterliegende Haus indes scheint sich seit damals kaum verändert zu haben. Gurks Position konnten und wollten wir dieses Mal nicht einnehmen, es wäre die Straßenmitte der heutigen B 20 gewesen, andernfalls wäre dieser Beitrag vermutlich nie erschienen, an anderer Stelle aber vielleicht ein Nachruf.


Marktl bei Lilienfeld © Land Niederösterreich,
Landessammlung Niederösterreich, Eduard Gurk, 1833


aktuelles Bild Marktl bei Lilienfeld,
Foto: Monika Schaar-Willomitzer

Der Schlaumeier Eduard Gurk hat nicht nur 40 Aquarelle entlang der Via Sacra von Wien nach Mariazell geschaffen, sondern in seinen Werken zusätzlich verschiedene Tageszeiten und Witterungsverhältnisse dargestellt. Auf unserem Bild geht gerade die Sonne auf. Als die Pilger vor zwei Stunden in St. Veit an der Gölsen zur zweiten Etappe der Wallfahrt aufbrachen, war es noch Nacht.


Stift Lilienfeld © Land Niederösterreich,
Landessammlung Niederösterreich, Eduard Gurk, 1833

Von Marktl bis zum Stift sind es nur mehr zwei Kilometer. Den Standort für die Aquarellskizze zu finden, gestaltete sich mühsam. Wenn wir das Blatt „Stift Lilienfeld“ betrachten, erkennen wir am rechten unteren Bildrand zwei Männer (einer davon vermutlich der Abt, der andere möglicherweise Eduard Gurk) auf einem Bankerl sitzend. Wir wollen wissen, ob es heute noch besteht und nehmen den steilen Aufstieg zur Schrittwieser-Ruhe in Kauf. Dort angekommen taucht ein Problem auf: Bankerl ist da, aber das Stift sieht man nicht mehr. Es ist gerade noch ein kleiner Teil der Stiftskirche sichtbar, der Rest ist von Bäumen verdeckt. Die Beschreibung des Reiseschriftstellers F. X. Schweickhardt von 1836, „von der Anhöhe hat man den besten Überblick“, kann als überholt betrachtet werden. Die Vegetation im Biedermeier unterscheidet sich von der heutigen deutlich.

Die heutige Anhöhe, Foto: Monika Schaar-Willomitzer
Stift Lilienfeld. Foto vor dem Zdarsky-Museum
von: Monika Schaar-Willomitzer

Dafür gibt es freilich eine plausible Erklärung: während zu Beginn der 19. Jahrhunderts der Holzverbrauch durch die aufkommende Industrie intensiv war, sind Maßnahmen zur Aufforstung in den letzten 20 Jahren heute schon deutlich spürbar.

Aber zurück zu unserem Thema, dem Pilgern mit Eduard Gurk und der Spurensuche im Heute. Die historischen Fakten zu Stift und Stadt sind überall nachlesbar, das schenken wir uns also und fragen den Lilienfelder Bürgermeister, Herbert Schrittwieser, zur aktuellen Situation. 

Worauf sind Sie in Ihrer Gemeinde besonders stolz?


Bürgermeister Herbert Schrittwieser,
Foto: Stadtgemeinde Lilienfeld


Lilienfeld ist als kleine Bergstadt in einer wunderschönen Lage zentraler Ort des Bezirkes und mit dem Zisterzienserstift auch geistiges und kulturelles Zentrum des oberen Traisentales. Ich bin stolz, dass wir über viele Jahre in dieser schönen Stadt eine zukunftsorientierte Entwicklung betreiben konnten und die Positionierung als Bezirksstadt festigen und ausbauen konnten.
Welchen Stellenwert hat die Wallfahrt für Lilienfeld heute?
Als Obmann der Region Traisen- Gölsental war ich auch Initiator zur Wiederbelebung des Wallfahrerweges VIA SACRA. Es war eine große Herausforderung rund 30 Gemeinden über mehrere Bezirke und Regionen für das Projekt zu begeistern und auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Inzwischen kann man von einer Erfolgsgeschichte sprechen die bestens funktioniert.

Wenn Sie sich was wünschen dürften, was wäre es?
Der Stellenwert des Pilgerns ist sehr hoch und der Zuspruch steigend. Ich wünsche mir, dass dieser Trend anhält und viele Menschen durch das Pilgern an der VIA SACRA ihre Achtsamkeit stärken und die Schönheit der Landschaft und der Orte an der VIA SACRA sehr bewusst erleben und wahrnehmen können. Für Lilienfeld wünsche ich mir, dass wir von Katastrophen verschont bleiben und dass die Gäste bei uns immer freundliche Begegnungen vorfinden und so immer gute Erinnerungen gegeben sind.
Wir danken für das Gespräch!

Abseits der Wallfahrt: Der ehemalige Fußballspieler Toni Pfeffer und der Direktor des Circus Roncalli, Bernhard Paul, sind hier geboren, die Doppelolympiasiegerin Michaela Dorfmeister hat hier die Schihauptschule absolviert, seit 2006 ist sie deren Namenspatronin. Und nicht zu vergessen, der Schöpfer des modernen Schilaufs, Mathias Zdarsky, hat in Lilienfeld gewirkt.

Text: Gerhard Hintringer
Fotos: Mag. Monika Schaar-Willomitzer

Sonderausstellung „Malerische Wallfahrt nach Mariazell in Aquarellen von Eduard Gurk“, 26. Oktober 2014 bis 22. März 2015

Das empfehlenswerte Buch zur Ausstellung ist 2014 im Residenzverlag erschienen, es kostet 35 Euro und ist u.a. im Shop des Landesmuseums erhältlich.

Film des Monats Februar 2015: Via Sacra von Wien nach Mariazell (Gemeinschaftsproduktion von Zisterzienserstift und Bezirksheimatmuseum Lilienfeld). Die DVD ist im Stift und im Landesmuseum erhältlich.

Links zu Lilienfeld:
www.lilienfeld.at
www.cisto.at/stift/
www.kloesterreich.at/unsere-kloester/stift-lilienfeld/stift-lilienfeld
www.zdarsky-ski-museum.at
www.viasacra.at

Link zum Beitrag der Wiener Zeitung vom 19. März 2015:
http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/kultur/museum/740504_Rettung-eines-Guetigen.html