Im Rahmen der Geschichte-Sonderausstellung "Bader, Medicus, Primar - Gesundheitswesen in Niederösterreich" (http://www.landesmuseum.net/de/ausstellungen/sonderausstellungen/bader-medicus-primar) stellen wir wöchentlich einen interessanten Beitrag zum Thema vor.
#1 Wie das Einhorn in die Apotheke kam
Das Einhorn als geheimnisvolles Geschöpf beschäftigt seit Jahrtausenden Geist und Gemüt des Menschen. Persische Künstler schufen schon im 2. Jahrtausend vor Christi kleine Skulpturen dieses Wesens. Ihr Körper ähnelt dem der Gazellen, aus ihrer Stirn sprießt ein gebogenes, geriffeltes Horn, vergleichbar dem eines Steinbocks. Siegel der Indus-Kultur zwischen 2300 und 1750 vor Christi zeigen einhornartige Tiere. Aus den Gebirgen Indiens kam die Mär vom Einhorn über die Texte der Bibel, über die Dichtungen und Schriften der Griechen und Römer, über dem nahen Orient nach Europa.
Einhorn © thinkstock, Marina Yakutsenya |
Die erste frühchristliche Naturkunde, der „Physiologus“, beschreibt das Einhorn als „kleines Lebewesen, wie ein Böckchen, aber ganz außerordentlich leidenschaftlich.“ Es lässt sich nur durch eine Methode fangen: „Eine reine Jungfrau, fein herausgeputzt, werfen sie [die Jäger] vor es hin, und es springt in ihren Schoß; und die Jungfrau säugt das Lebewesen und bringt es in den Palast zum König.“
Ktesias von Knidos, der griechische Arzt und Megasthenes, der griechische Diplomat, berichteten bereits von der Heilkraft des Horns des Einhorns; Es vertreibe Gifte und heile Krankheiten. Später erzählte der Physiologos über dessen wundersame Wirkung: Kommt das Einhorn zu einer vergifteten Quelle, dann bewegt es sein Horn in Kreuzesform über das Wasser und schon wird die Quelle trinkbar.
Ausstellungseinblick "Bader, Medicus, Primar" Foto: H. Lackinger, Einhornkopf mit Narwalzahn, Zwettl 17. Jh. (Stift Zwettl, Stiftsammlung) |
Die ersten Hörner dieses geheimnisvollen Tieres kamen zu Beginn des 13. Jahrhunderts über die Handelsrouten aus dem Osten nun tatsächlich nach Europa. Es wurde durch Jahrhunderte zu einem kostbaren Gut, dessen Besitz Fürsten und Reichen vorbehalten blieb. Vorsichtig kratzte man von den gedrehten Hörnern Substanz ab, und mischte dieses Pulver in Salben, Pillen oder Heiltränke. Es sollte bei Vergiftungen helfen, bei Fieber, Pest oder Kinderkrankheiten. Aus Einhorn gefertigte Becher oder Besteck mit Einhorngriffen sollten den Benutzer vor Vergiftung bewahren.
Ein-Pfund-Münze mit Einhorn rechts, © thinkstock, Ken Drysdale |
In den Inventaren der Reichen und Mächtigen wurden Einhörner und deren Wert vermerkt: 10.000 Pfund war ein solches wert, das 1558 im Inventar der englischen Königin Elizabeth I. verzeichnet wurde. Vier solcher kostbarer Stücke befanden sich im Besitz der Bayreuther Hohenzollern. In Dresden bewahrte man eines im Wert von 100.000 Talern auf. Wurde zu medizinischen Zwecken Pulver abgeschabt oder gar ein Ring davon abgeschnitten, musste immer ein Beauftragter des Fürsten die Aktion überwachen. Selbst Martin Luther nahm auf dem Totenbett noch ein Getränk aus Wein mit Pulver vom Einhorn vermischt als Arznei zu sich. Der hohe Preis und die große Nachfrage riefen natürlich auch die Fälscher auf den Plan, die Kiesel und Kalk fein pulverisierten, mit Seife mischten und als „Einhorn“ verkauften. Auch ein solcher Brei oder Teig begann zu schäumen, kam er mit Flüssigkeit in Berührung.
Ausstellungseinblick "Bader, Medicus, Primar" Foto: F. Röper Einhornkopf mit Narwalzahn, Zwettl 17. Jh. (Stift Zwettl, Stiftsammlung) |
Narwal © thinkstock, Andreas Meyer |
Verwendete Literatur: Rüdiger Robert Beer, Einhorn. Fabelwelt und Wirklichkeit, München 1972.
Text: Prof. Dr. Elisabeth Vavra
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