Da man als MuseumsbesucherIn stets nur das Endprodukt einer monatelangen, intensiven Arbeitsphase sieht, wollen wir hier einen Blick hinter die Kulissen und in die Arbeit von Prof. Dr. Elisabeth Vavra werfen.
Was bedeutet es eigentlich, Kuratorin zu sein? Wie würden Sie diese Aufgabe einem Laien beschreiben?
Das ist eine sehr schwierige Frage, denn diese Arbeit macht jeder anders. Grundsätzlich bekommt man ein Thema und muss sich dazu einiges überlegen: WAS soll enthalten sein? WER sieht es später? WIE soll es umgesetzt werden? Ich selbst mache nicht nur das wissenschaftliche Konzept, sondern möchte auch die Objekte selbst aussuchen. Dabei hat man zu Beginn meist sehr viel Auswahl und muss dann eher wenige aber dafür aussagekräftige Objekte aussuchen. Danach begleite ich auch den Aufbau, also bin bei den Besprechungen mit Architekten, Tischlern, usw. dabei.
Wer entscheidet über das Thema einer Ausstellung?
Das Thema wird mir vorgegeben, entschieden wird aber im Kollektiv. In den letzten Jahren war es immer so, dass man ein Generalthema für das gesamte Landesmuseum gesucht hat und die einzelnen Ausstellungen diesem unterstellt hat. So soll eine gewisse „Vernetzung“ der Ausstellungen entstehen.
Im Landesmuseum sieht man Sie vor allem zu Beginn einer Ausstellung.
Im Landesmuseum sieht man Sie vor allem zu Beginn einer Ausstellung.
Wo ist nun Ihr eigentlicher Arbeitsplatz?
Da ich selbstständig bin, arbeite ich die meiste Zeit zu Hause. Ich führe aber genau Buch darüber, wie viel Zeit ich wofür aufwende. Für eine eher kleine Ausstellung wie Figl von Österreich waren es etwa 65 Arbeitstage, für größere Ausstellungen können es aber leicht einmal 100 Arbeitstage und mehr sein.
Ausstellungsansicht: Nachlass von Leopold Figl |
Zuerst mache ich immer eine große Literaturrecherche, d.h. ich lese viel – das können schon an die 100 bis 150 Zitate sein. Dadurch sehe ich, wie weit der Stand der Forschung ist und welche Literatur vorhanden ist. Für die Ausstellung Figl von Österreich bin ich danach zum Landesarchiv Niederösterreich gegangen, habe mich dort durch die Ordner des Figl-Nachlasses durchgearbeitet und habe Kontakt mit den Angehörigen von Leopold Figl aufgenommen. Danach wird weiter recherchiert, man telefoniert, bekommt Kontakte und Empfehlungen, an wen man sich wenden kann usw. Für Bader, Medicus, Primar wiederum habe ich nach der Literaturrecherche die Krankenhäuser Niederösterreichs sowie die unterschiedlichsten Museen angeschrieben, ob diese Material haben. Der Rücklauf daraus reicht meist auch gut aus, um eine Ausstellung zu füllen.
Ausschnitt Jahresprogramm |
Wann beginnt man mit der Suche? Die Ausstellung Kriegsschauplatz Niederösterreich eröffnet ja erst Ende November 2015, wird aber bereits seit Anfang 2015 angekündigt – es musste dafür also schon einiges an Inhalt feststehen, oder?
Ja natürlich, die Arbeit vor den Ausstellungen beginnt ca. ein Jahr davor mit viel Überlegen, Nachdenken und Recherchieren. Man versucht, ein erstes grobes Konzept zu erstellen, gewisse Punkte herauszustreichen, die man unbedingt ansprechen möchte und so auch den Umfang abzustecken.
Bleiben wir gleich beim Thema Kriegsschauplatz Niederösterreich - Haben sich bereits Herausforderungen aufgetan?
Ja, das ist auf jeden Fall die Auswahl der Themenschwerpunkte und der Objekte. Es steht ja im Prinzip nur ein Raum zur Verfügung, daher muss sorgfältig ausgewählt werden. Aber auch die Gestaltung des Ganges vor dem Raum ist schwierig – immerhin soll er auch zu den Themen im Haus
passen und einen gewissen „Übergang“ schaffen.
passen und einen gewissen „Übergang“ schaffen.
Brief aus dem KZ Dachau, 1942 |
Themenwechsel: zur Ausstellung Figl: Was hat Sie bei Ihren Recherchen am meisten berührt?
Bisher hatte ich stets viel mit Themen zu tun, die in der Geschichte schon sehr weit zurückliegen. Bei Figl von Österreich habe ich gemerkt, je weniger Zeit zwischen dem Thema und dem Jetzt vergangen ist, desto mehr berührt es mich. Somit haben mich z. B. die Briefe aus dem KZ Dachau oder aus der Todeszelle schon sehr berührt.
Was bedeutet die Aufgabe, Kuratorin zu sein, für Sie persönlich?
Grundsätzlich bin ich sehr dankbar, dass ich das Glück hatte, in diese Rolle „hineingerutscht“ zu sein. Denn KuratorIn zu werden ergibt sich eher durch Zufall, als durch bewusstes Anstreben. Und Ausstellungen zu machen – das erfüllt mich einfach.
Wann ist eine Ausstellung für Sie gelungen?
Also erstens muss ich die Ausstellung für mich selbst als fertig ansehen und auch zufrieden damit sein. Zweitens sollen auch die verantwortlichen Personen im Museum zufrieden sein, da frage ich auch immer gerne die Aufsichtspersonen zu ihrer Meinung. Was mir natürlich ebenfalls wichtig ist, sind die Rückmeldungen der BesucherInnen.
Welche Eigenschaften braucht man als KuratorIn?
In diesem Punkt kann ich nur für mich sprechen – und ich würde sagen, dass ich viel Organisationstalent besitze und es gut schaffe, alles unter einen Hut zu bringen. Außerdem braucht man Verhandlungsgeschick, um die Leihgeber zu überzeugen und zufrieden zu stellen, viel Fleiß, weil man meist mehr Aufwand betreibt, als nötig ist – das ist allerdings auch ein bisschen meinem Perfektionismus zuzuschreiben – und eine große Portion Neugier.
Kopftuch der Josefa Figl in der Ausstellung |
Zum Abschluss möchte ich noch wissen, ob Sie in der derzeitigen Figl-Ausstellung auch ein Lieblingsobjekt oder einen Lieblingsteil haben?
Das sind einerseits die Briefe, Korrespondenzen und Gästebucheinträge, weil sie vor noch gar nicht so langer Zeit verfasst worden sind und mich deshalb einfach berühren, andererseits mag ich das schwarze Kopftuch von Leopolds Mutter Josefa ganz besonders.
Nähere Informationen zu den angesprochenen Ausstellungen finden Sie
auf unserer Webseite.
Text: Claudia Hauer
Bilder: © Landesmuseum Niederösterreich, Fotos: Gerald Lechner, Claudia Hauer
auf unserer Webseite.
Text: Claudia Hauer
Bilder: © Landesmuseum Niederösterreich, Fotos: Gerald Lechner, Claudia Hauer
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